Der musikalische Kopf der Berliner Kultband spricht zum neuen Album „Sieg der Vernunft“ über die Notwendigkeit zum Dialog, wenig zielführende Satire und die Zukunft des Musikgeschäfts

Rock.

Knorkator gelten dank Songs wie „Ich hasse Musik“ oder „Böse“ als begnadete Krawall-Band, die hintergründig blödelt, bis das Zwerchfell brummt. Lange haben die Köpenicker es vermieden, zeitkritische politische Lieder zu schreiben. Auf ihrem zehnten Studioalbum „Sieg der Vernunft“ setzen sie sich satirisch mit den Auswirkungen des Kapitalismus und anderen Problemen in der Welt auseinander – und kommen zu der Erkenntnis: Die Welt braucht keine Milliardäre. Olaf Neumann sprach mit Keyboarder, Sänger und Songschreiber Alexander Thomas alias Alf Ator.

Freie Presse: In Ihrem Song „Die Welt wird nie wieder so, wie sie vorher war“ wird unsere schöne Erde durch einen Kometen aus Scheiße bedroht. Aber die Menschen machen Scheiße kurzum zu ihrem neuen Geld. Lässt sich der Wahnsinn der Gegenwart mit Satire besser ertragen?

Alf Ator: Diese Frage muss man wohl oder übel mit Ja beantworten. Wenn man darüber nachdenkt, kriegt man oft sehr schlechte Laune, und Satire hilft einem, trotzdem zu lachen. Ob sie aber die Welt besser macht, ist ein anderes Thema. Die Welt krankt ja nicht nur an den ganzen problematischen Umständen, sondern auch an der Unfähigkeit, darüber mal vernünftig zu reden. Die meiste Satire hat zum Kern, sich über eine Meinung, die man nicht teilt, lächerlich zu machen. Aber das ist nicht immer zielführend.

Freie Presse: Und wie machen Sie es?

Alf Ator: Wir versuchen, einen Spagat hinzukriegen. Auf der einen Seite machen wir Spaß, auf der anderen Seite lachen wir über uns selbst.

Freie Presse: In den satirischen Liedern geht es um Rache, Vernichtung, Töten, Menschenfleisch, den Klimawandel. Ist der Mensch von Natur aus egoistisch, rücksichtslos und böse?

Alf Ator: Ich zitiere hier mal einen großen deutschen Denker (Alf Ator): Der hat gesagt: Humanismus ist, wenn man den Menschen trotzdem liebt. Es ist immer leicht zu sagen, die Menschen seien halt schlecht. Es gibt dafür 1000 Beispiele. Aber das hilft ja nichts, wir haben ja nur dieses Menschenmaterial. Sich eine bessere Welt auszudenken, die nur funktionieren würde, wenn die Hälfte der Menschheit ausgesondert werden müsste – dann wäre man ja nicht besser als die Nazis. Deswegen muss man schon alle unter einen Hut kriegen. Der Mensch ist vielschichtig und hat sicher auch böse Seiten, aber in der Natur versucht jedes Tier letztendlich zu überleben. Das eine schafft es mit konsequentem Egoismus, das andere mit Kollektivgeist. Jedes einzelne Individuum stammt von Individuen ab, die durchgekommen sind. Und dazu gehört manchmal ein gewisser Egoismus, das sollte man nicht schlechtreden.

Freie Presse: In „Es lebe der Tod“ tritt der Gigant der Hölle auf. Wenn Sie eine Entscheidung fällen müssten zwischen Paradies oder Hölle nach dem Tod, welche wäre das?

Alf Ator: Wenn ich diese beiden Begriffe so übernehme, wie sie von der Kirche überliefert sind, möchte ich natürlich nicht bis in alle Ewigkeit schreiend voller Zweifel, Reue und Schmerzen verbrennen. Soweit ich das einschätzen kann, ist die Sache mit Himmel und Hölle nur ein Konstrukt, um dem Menschen irgendetwas zu geben, woran er sich halten kann. Ich glaube, es gibt bloß so etwas wie ein Paradies. Wir Menschen sind Teile eines Ganzen, das sich zeitweise spaltet in verschiedene Bewusstseine, nur um sich selbst zu erleben. Und wenn wir sterben, gehen wir wieder zurück in das große Ganze. Und da sind Begriffe wie Himmel oder Hölle überflüssig.

Freie Presse: Also keine Angst vor dem Tod?

Alf Ator: Indem ich das so sehe, hadere ich nicht mit meinem Schicksal, irgendwann sterben zu müssen. Das ist eben so und wird auch nicht schlecht sein. Es besteht eine Fifty-fifty-Chance, dass ich aufwache und sage: Gottchen, was war denn das eben?

Freie Presse: Vielleicht werden Sie dann ja als Milliardär wiedergeboren.

Alf Ator: Um Gottes willen! Unter unserem Youtube-Video „Die Welt braucht keine Milliardäre“ gibt es einen Kommentar, der sagt: Ich bin Milliardär und finde das Lied geil! Aber das kann natürlich auch eine Lüge sein. Ich glaube, die Milliardäre der Welt kennen uns nicht. Wir hoffen aber, durch diese Verlautbarung kleine Sachen anzustoßen.

Freie Presse: Wie wollen Sie aus Milliardären Millionäre machen?

Alf Ator: Der erste Schritt könnte sein, dass sich nicht nur verirrte Wichtigtuer zusammenfinden, sondern auch Leute, die Ahnung haben von Soziologie, Wirtschaft und Ethik und über dieses Thema diskutieren. Es könnte ja auch sein, dass wir falschliegen und die Welt braucht die Milliardäre. Ich persönlich glaube, sie tun nur so, als würden sie gebraucht, weil es ihnen nützt. Die geistige Elite muss sich darüber einig werden, wie gefährlich es ist, dass es Milliardäre gibt. Der ständige Fluss des Geldes von Arm nach Reich kann eigentlich nur in die Katastrophe führen, denn die Dritte Welt schafft es nicht, dem aus eigener Kraft entgegenzuwirken. Von einer Revolution sind wir weit entfernt. Ich will auch nicht, dass die Menschen mit Pickhacken aufeinander losgehen.

Freie Presse: Sollten wir mehr miteinander reden anstatt übereinander?

Alf Ator: Heutzutage werden Diskussionen eher verhindert. Man neigt dazu, mit solchen Leuten nicht reden zu wollen, weil sie ja grässlich sind. Aber diejenigen, die man als furchtbar bezeichnet, sind auch nur verirrte Seelen auf der Suche nach der Wahrheit, die vielleicht den falschen Signalen gefolgt sind. Wenn man das doof findet, muss man halt hingehen und sie auf den richtigen Weg führen. Wenn wir das nicht tun, tun es die Nazis. Aber dann dürfen wir uns über das politische Klima nicht wundern.

Freie Presse: Kann man eigentlich durch Satire reich werden?

Alf Ator: Natürlich gibt es wohlhabende Satiriker, aber ich habe den Dreh noch nicht ganz raus.

Freie Presse: Die Pandemie hat viele Künstler fast an den Rand des Ruins gebracht. Ist es da vernünftig, der Kunst treu zu bleiben?

Alf Ator: Wenn wir uns daran orientieren würden, was sich lohnt, wären wir alle keine Musiker geworden. Das war immer schon ein Tanz auf dem Vulkan. Aber wir können gar nicht anders, als weiterzumachen. Wenn diese Pandemie aber noch ein paar Jahre weitergeht, wird sich das wahrscheinlich ausdünnen. Alles, was Politik und Experten sich ausgedacht haben, um dem Virus entgegenzuwirken, zielt genau in die Richtung, die man als Musiker versucht hat, auszuschließen: dass man nur noch vorm Bildschirm hängt und sich gegenseitig entfremdet. Die Menschen, die versuchen, sich in ihrem kleinen Umfeld aus eigener Kraft mit etwas Nützlichem zu verwirklichen, haben es gerade durch die Pandemie immer schwerer. Du kannst heute eigentlich nur noch durchkommen, wenn du selbst reich bist oder dich tunlichst an den Rockzipfel großer Unternehmen hängst, die solche Verwerfungen abfedern können. Oder dich an staatliche Gelder hängst oder direkt vom Staat versorgen lässt.

Freie Presse: Worauf wird es schlimmstenfalls hinauslaufen?

Alf Ator: Es wird große Industriekomplexe geben, die Songs produzieren. Und wer als Musiker überleben will, der saugt an der Brust von solchen Konzernen und lässt sich einsetzen mit einem Sicherheitsgehalt. Es wird Bands mit einer Erst- und einer Zweitbesetzung geben und bei manchen wird die Besetzung völlig egal sein. Das Image wird wie immer künstlich aufgebaut, die einen glänzen durch ihre grünen und die anderen durch ihre orangenen Anzüge. Wer sagt, ich bin ein Genie und mache mein Ding, wird keine Chance mehr haben. Wie will der in solch einer Welt seine Mitstreiter finden?

Im Konzert Knorkator spielt am 10. November im Alten Schlachthof Dresden und am 11. November im Chemnitzer AJZ Talschock. Tickets gibt es momentan noch für das Dresdner Konzert in allen „Freie Presse“-Shops.



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Von Veritatis

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