Wie für einen deutschen Kanzler angebracht, reist Olaf Scholz mit einer Wirtschaftsdelegation zum Antrittsbesuch nach Peking. Gut hundert Firmenchefs wollten mitfliegen, ein Dutzend durfte es. Zur Abordnung gehören auch Mitarbeiter aus dem Kanzleramt, denen es nicht schaden kann, sich sachkundiger zu machen, als das bisher der Fall ist.
Deutschland wird weltweit als Führungsmacht in Europa wahrgenommen. Umso besser wäre gewesen, zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron anzureisen, also europäisch aufzutreten. Gewicht hat Deutschland eben nur im europäischen Verbund, nicht im Alleingang. Aber offenbar versteht Scholz die Bedeutung der deutsch-französischen Achse genauso wenig wie Angela Merkel. Alle erwarten nun eine härtere Gangart und
Wie für einen deutschen Kanzler angebracht, reist Olaf Scholz mit einer Wirtschaftsdelegation zum Antrittsbesuch nach Peking. Gut hundert Firmenchefs wollten mitfliegen, ein Dutzend durfte es. Zur Abordnung gehören auch Mitarbeiter aus dem Kanzleramt, denen es nicht schaden kann, sich sachkundiger zu machen, als das bisher der Fall ist.
Deutschland wird weltweit als Führungsmacht in Europa wahrgenommen. Umso besser wäre gewesen, zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron anzureisen, also europäisch aufzutreten. Gewicht hat Deutschland eben nur im europäischen Verbund, nicht im Alleingang. Aber offenbar versteht Scholz die Bedeutung der deutsch-französischen Achse genauso wenig wie Angela Merkel. Alle erwarten nun eine härtere Gangart und schärfere Sprache gegenüber China. Alle zerren an Scholz, damit er die Quadratur des Kreises zustande bringt. Er soll die Abhängigkeiten der deutschen Wirtschaft verringern und den Chinesen ihre inzwischen unverkennbare Neigung zum Protektionismus, zur Abschottung ihrer Märkte, ausreden. Dabei hat man sich in der Ampelkoalition noch nicht einmal auf eine neue China-Politik verständigt, die verbindlich wäre. Also muss Scholz wolkige Reden halten. Wie sich die Exportnation Deutschland zu der von den USA ausgerufenen systemischen Rivalität mit China verhalten soll, die nicht zuletzt auf eine ökonomische Entkopplung hinausläuft, ist völlig offen.
China und die USA können auf Autarkie setzen, die Amerikaner noch mehr als die Chinesen, weil sie so gut wie alle notwendigen Ressourcen auf ihrem eigenen Territorium finden und den weltgrößten Markt für fast alles zu bieten haben. Das rohstoffarme Deutschland kann das nicht. Auch hat man sich in der EU allzu breit und unbeliebt gemacht. Deren Wirtschaftsraum mit deutschen Waren zu überschwemmen und dafür die Beziehungen mit China zu kappen, kann keine Option sein.
US-Firmen verlassen China und verlagern ihr Geschäft in andere ostasiatische Länder. So lassen sich die Strafzölle des eigenen Staates auf Importe aus China umgehen. Deutsche Firmen tun nichts dergleichen, da sie in China mittlerweile vorrangig für den riesigen, bestens integrierten Binnenmarkt produzieren. Allein für die deutsche Automobilindustrie ist der chinesische Kunde lebenswichtig, sodass nach wie vor kräftig investiert wird. Warum auch nicht? China und die EU sind heute stärker verflochten als je zuvor, das beiderseitige Handelsvolumen betrug im Vorjahr mehr als 740 Milliarden Euro.
China und Deutschland haben gemeinsame Interessen
In deutschen Medien wird davor gewarnt, im Verhältnis zu China „die Fehler der Russland-Politik“ zu wiederholen. Doch beruhen diese Beziehungen auf gegenseitigen Abhängigkeiten, die ganz anders strukturiert sind, als sich das bei Russland darstellte. China war und ist als Handelspartner um vieles wichtiger als Russland, wobei die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft überschaubar bleibt. Die EU und die USA sind immer noch um einiges bedeutsamer. Eine kritische Abhängigkeit von China besteht nur bei Pharma-, Chemie- und Elektronikprodukten, und zwar bei Vorprodukten am unteren Ende der Wertschöpfungsketten. Die lassen sich leicht reduzieren. Nur bei einigen Rohstoffen wie den „seltenen Erden“ besteht eine potenziell stärkere Interdependenz, obwohl Chinas Monopol bei der Förderung dieser Ressourcen längst Geschichte ist und sich die Importe heute leicht diversifizieren lassen. Umgekehrt braucht China Europa, speziell Deutschland, als Absatzmarkt und wegen seiner mittlerweile hohen technologischen Standards. Wenn beide Seiten einander brauchen, kann man erst recht über vieles verhandeln.
Scholz’ Reise hätte nicht unmittelbar nach dem XX. Parteitag der KP Chinas stattfinden dürfen. So lässt sich etwa der ausgewiesene China-Kenner Friedrich Merz vernehmen, und prompt wird als Common Sense verbreitet, was wenigstens geprüft gehört. Offenkundig will man, beeindruckt von der Choreografie des Ereignisses und der scheinbar mühelosen Bestätigung Xi Jinpings, nicht zur Kenntnis nehmen, was der alte, neue Parteichef an Botschaften übermittelt hat. Er bat darum, eine inszenierte Konfrontation zu beenden, stattdessen sachlich zu kooperieren, gemeinsame Interessen gäbe es genug.
Anders als das im Westen häufig suggeriert wird, ist Chinas Führung alles andere als begeistert von Russlands Krieg in der Ukraine. Eine Vorlage für Scholz, um darauf zu drängen, dass Xi seinen Einfluss geltend macht, um Wladimir Putin zum Einlenken zu bringen. Wenn es jemanden gibt, der Druck auf Russland ausüben kann, ist es Chinas Führung, die ihre Interessen kennt. Die liegen nicht in Russland, sondern in Europa, das wegen der Entkopplungsstrategie der USA immer wichtiger wird für China. Aber Europa ist weit, Handelswege und Lieferketten sind lang und verletzlich. Dass China die vorhandenen Routen absichern und alternative ausbauen will, ist völlig legitim. Irgendwelche Sicherheitsinteressen der Europäer sind dadurch nicht bedroht, auch wenn deutsche Medien inzwischen ein ausuferndes China-Bashing betreiben. China als „Macht des Bösen“ in der Welt, das klingt nach George Bush. Scholz sollte sich davon nicht beeindrucken lassen.