Tage könnte es dauern, bis der Gewinner der Zwischenwahlen am 8. November feststeht. Wer Demoskopen Glauben schenken wollte, zitterte wochenlang von Prognose zu Prognose. Über Umfragen zu berichten, ist aus Sicht der meisten Medienhäuser kostengünstiger Journalismus. Fest steht, dass bei einem republikanischen Sieg im Senat oder Repräsentantenhaus oder in beiden Kammern eine Blockade demokratischer Vorhaben droht. Denn diese Abstimmung bewertet die erste Halbzeit von Joe Biden. Bei Amtsantritt sprach er über einen „historischen Punkt“ von Krise und Herausforderung, an dem die Nation angekommen sei.

Die schlimmste Phase der Corona-Pandemie ist augenscheinlich überstanden nach mehr als einer Million Toten in den USA. Die zwei Jahre einer demokrat

r demokratischen Regierung mit knappen Mehrheiten im Kongress erweckten jedoch nicht den Eindruck einer historischen Bewältigung. Die „politische Klasse“ geht die brennenden Anliegen von Klimawandel und wirtschaftlicher Ungleichheit bis hin zur Bedrohung der Demokratie zwar an, doch kaum mit letzter Konsequenz. Als habe man viel Zeit. Biden hat agiert, wie das von einem Karrierepolitiker der demokratischen Mitte zu erwarten war, als Verbesserer und Bewahrer der Zustände. Manches Programm wie seine Steuerreform zugunsten einkommensschwacher Familien hat Kinderarmut nach Berechnungen von Wirtschaftsforschern um 30 Prozent reduziert. Nach einem Jahr Laufzeit hat der Kongress das Programm nicht erneuert. Manchen demokratischen Politikern schien das offenbar zu viel regierungsgesteuerte Umverteilung zu sein.Am 8. November wird sich zeigen: Mobilisiert das Urteil des Obersten Gerichts gegen Abtreibung wirklich so viele Wählerinnen, wie das die Demokraten hoffen? Es dürfte ebenfalls deutlich werden, wie sich die neuen Wahlgesetze republikanisch regierter Staaten in der Praxis auswirken. Verleugnen Republikaner die Ergebnisse? Sind trumpistische Republikaner, die bei Vorwahlen gewonnen haben, tatsächlich mehrheitsfähig in ihren Wahlkreisen? Begräbt die hohe Inflationsrate Errungenschaften der Regierung von Infrastruktur bis Klimaschutz? Demokraten verteidigten sich im Wahlkampf gegen den Vorwurf, für Geldentwertung verantwortlich zu sein. Sie sprachen freilich wenig von unternehmerischer Profitmache als Inflationsursache.Sturm auf das Capitol, Hassfigur Nancy PelosiUnd kann es sein, dass die Anhörungen über den gewalttätigen Ansturm auf das Kapitol Anfang Januar 2021 und Donald Trumps Demokratievereitelung wirklich so wenige Republikaner umstimmen? Der nächtliche Überfall vor Tagen auf das Wohnhaus von Nancy Pelosi, der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, hat den Gebrauch von Gewalt fortgeschrieben. „Wo ist Nancy, wo ist Nancy?“, soll der Eindringling gerufen haben, bevor er mit einem Hammer auf Ehemann Paul Pelosi eingeschlagen hat. Nancy Pelosi ist seit Jahren die Hassfigur des republikanischen Amerika, die böse Hexe aus dem liberalen San Francisco.Es war ein Wahlkampf ohne große Visionen. Republikaner konnten nicht genug Worte finden gegen die Regierung. Biden sprach von der „Seele der Nation“, die es zu retten gelte. Die Demokratische Partei sei „das große Zelt“. Wie zerstritten die Bewohner sind, hat sich bei den Gesetzen zu Klima und Infrastruktur gezeigt. Biden kam mit großen Plänen, die zerstückelt wurden.Bei den Zwischenwahlen werden keine überragenden Ideen präsentiert. Wahlkampf findet vornehmlich im Kleinformat statt. Politiker wollen Menschen in sehr unterschiedlichen Wahlkreisen bedienen. Für Linke jenseits der Mitte zeigt sich wieder einmal, wie schwierig es ist, die vielen sozialen Bewegungen, die aus dem Protest gegen Trump entstanden sind, bei Wahlen mit Mehrheiten auszustatten.Außenpolitik im Wahlkampf kaum ThemaAußenpolitik war kaum präsent. Joe Biden hat seine Partei befriedet mit der Abkehr von Donald Trumps Alleingängen. Unter seiner Präsidentschaft seien die USA wieder die unentbehrliche Nation, wie er im Oktober im Vorwort zu seiner neuen nationalen Sicherheitsstrategie betonte. Amerikanische Führung werde gebraucht wie nie zuvor. Die Volksrepublik China sei „der einzige Konkurrent mit der Absicht, die internationale Ordnung umzuformen“. Die USA müssten auch deshalb ihre technologischen Fähigkeiten ausbauen. Russland verfolge eine imperialistische Politik, und die USA wollten dafür sorgen, dass „Russlands Krieg gegen die Ukraine zum strategischen Fehlschlag“ werde.Der ohnehin weltgrößte Militäretat ist von 2021 auf 2022 weiter um mehr als fünf Prozent auf 782 Milliarden Dollar aufgestockt worden, so der Rüstungskontrollverband Arms Control Association. Mit dieser Agenda modernisiere Biden auch Kernwaffen. Gegenüber der Ukraine sind die Demokraten zur Hilfe vereint, so lang wie „nötig“. Was das heißt, zeigte sich jüngst bei der Aufregung um einen „Brief zur Ukraine“, der von 30 demokratischen Abgeordneten des Repräsentantenhauses kam. Angesichts der „katastrophalen Möglichkeit von nuklearer Eskalation und Fehlkalkulation“ drängten die Verfasser Biden zu „proaktiven diplomatischen Anstrengungen auf der Suche nach einem realistischen Rahmen für einen Waffenstillstand“. Die Unterzeichner zogen das Schreiben nach innerparteilicher Kritik postwendend zurück. Pramila Jayapal, Vorsitzende eines Ausschusses im Kongress, erklärte, der Brief sei bereits „vor mehreren Monaten“ formuliert worden. Mitarbeiter hätten ihn „leider“ ohne Autorisierung veröffentlicht.Joe Biden will 2024 erneut kandidierenDas Drama kam überraschend: Vom Inhalt her wichen die Abgeordneten kaum von Biden ab. Sie lobten Beistand zur „Selbstverteidigung eines unabhängigen, souveränen und demokratischen Staates“ und das Prinzip, dass die USA keinen Druck ausüben auf Entscheidungen der ukrainischen Regierung. Aber in der Endphase des Wahlkampfes sollte den Republikanern offenkundig kein Anlass geliefert werden, um sagen zu können, die Demokraten seien bei der Ukraine gespalten. Manche republikanische Politiker im Schatten von Trump wollen tatsächlich die Ukraine-Hilfe hinterfragen. Fox News läutet die Alarmglocken wegen einer Energiekrise. Allerdings hat bisher nur eine Minderheit der Republikaner gegen den Waffennachschub gestimmt. Der Chef der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, forderte Mitte Oktober, Biden müsse mehr liefern.Der Wahlzirkus hört nie auf. 2024 sind Präsidentenwahlen. Biden sagte im Sender MSNBC, er warte mit einer „formellen Ankündigung“ bis nach den Zwischenwahlen. Doch sei es seine Absicht, „erneut zu kandidieren“. Seine Frau Jill sei der Ansicht, als Präsident tue er „etwas sehr Bedeutendes, und er sollte nicht weggehen“. Joe Biden wird am 20. November 80 Jahre alt, Donald Trump ist 76. Rechte Websites haben ihre Freude an Versprechern des Präsidenten. Es wird gehetzt wegen angeblicher kognitiver Probleme. Biden habe Schwierigkeiten, selbst bei alltäglichen Fragen, so das Magazin National Review. US-Politiker wollen sich offenbar keine Welt vorstellen, die ohne sie auskommt. Nancy Pelosi ist 82. In Repräsentantenhaus und Senat klammern sich Politiker an nach dem Senioritätsprinzip erkämpfte Posten. Nach Aufbruch sieht das nicht aus. Eher nach Management mit dem Hauptziel, wiedergewählt zu werden.



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Von Veritatis

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