Die Truppe was Leipzig gehört international zu den meistrespektierten deutschen Metalbands. Kürzlich hat die Band mit „Ayam“ ein neues Meisterwerk vorgelegt, dessen Facettenreichtum erneut das Genre sprengt. Was verbirgt sich hinter dieser wahnwitzigen Gruppe?
Wer genau hinhört, der hört das Rauschen und ein gelegentliches Knacken. Denn unterm Dach, im kalten Herbst tut eine Elektroheizung Wunder. Und drinnen, im Studio von Andy Schmidt, duftet der Kaffee Wölkchen in den Raum. Das erklärt dann auch das Tassengeklapper. Diese Untertöne sind heimelig, werden dann aber schnell nebensächlich: Was der Sänger, Gitarrist und Songschreiber der Leipziger Metalband über das Musikmachen zu sagen hat, trägt locker über rund 60 Minuten Podcast – und füllt die neue Folge von „Etwas Kultur muss sein“ mit einiger Spannung.
Denn Schmidts Musik, die seit jeher weit jenseits abseits eingefahrener Gleisen ins Rollen gekommen und selbst nach mehr als 20 Jahren nicht zu bremsen ist, will vor allem gehört, weniger aber erklärt werden. Das ist bei dem neuen Geniestreich „Ayam“ kaum anders: Härtetechnisch reicht die Platte von der schwarzen Extrem-Raserei á la Behemoth bis zu epischen Prog-Sphärenklängen und zieht den Hörer in eine unfassbare Entdeckungsreise. Bemerkenswert dabei ist, wie sehr der erklärte Autodidakt Schmidt sich dabei vom der üblichen Technikausstellung ebenso fernhält wie von Genre-Effekthascherei: Es sind vor allem seine eigenwilligen, höchst beseelten Harmoniearchitekturen, die durch die überlagen „Ayam“-Songs ziehen und dabei mal von harschen E-Gitarren, dann aber auch von klassischer Kammermusikbesetzung, Bläsern oder Elektronik aufgenommen werden. Die internationale Metalpresse war sich, wieder einmal, einig: eine schlicht sensationelle Platte, mit der Disillusion bereits zur Veröffentlichung auf Europatour war.
Und dann redet der Kopf doch über die Hintergründe und lässt sich detailreich aus der Nase ziehen, warum diese Band, die Anfang der 90er als Schülertruppe in Zwickau begann, so besonders ist – was allemal Grund und Material genug ergibt, um Andy Schmidt unters Dach zu steigen und einen Kaffee zu schlürfen. Dabei gibt er Einblicke in seine Arbeit, erklärt beispielsweise, warum die Songs nicht mitten in der Stadt entstehen und wie weit er sich auf die Bedürfnisse von Spotify und Co. einlassen will und wo ihm die Musik wichtiger ist als das Streaming. Natürlich wird es angemessen nerdig, wenn es um Opeth-Riffs oder die Beziehung zu Heaven Shall Burn geht. Oder gar um die Frage, wie Andy Schmidt seine Musik – die ebenso zur Ausführlichkeit neigt wie zu mehreren Gefühlsschwankungen zwischen Anfang und Ende – eigentlich benennen will. Spoileralarm: am besten gar nicht.
Das Moderations-Duo kann es kaum verbergen: Man ist Fan. Das ist aber wiederum auch kein Wunder. Immerhin hat das erste Album die Metalwelt einmal von den Füßen auf den Kopf gedreht. Und dass der Nachfolger „Gloria“ komplett anders klang, aber genau so erfolgreich war, machte Disillusion zu den bekanntesten unbekannten Bands in der Szene. Bei „Etwas Kultur muss sein“ verrät Andy Schmidt auch warum nun alle drei Jahre mit einem neuen Longplayer zu rechnen ist. Da soll noch mal einer sagen, es gäbe keine guten Nachrichten mehr!