Plötzlich wurde Jewgeni Prigoschin über St. Petersburg hinaus bekannt. Russland hatte 2014 begonnen, separatistische Milizen in der Ostukraine zu unterstützen, und griff ab September 2015 in Syrien ein, um die Armee des Präsidenten Baschar al-Assad zu entlasten. In beiden Fällen ergingen Kampfaufträge auch an Legionäre der „Gruppe Wagner“, benannt nach dem deutschen Komponisten Richard Wagner. Unabhängige russische Medien waren die ersten, die diesen paramilitärischen Verband mit Jewgeni Prigoschin in Verbindung brachten, den man bis dahin als Eigentümer von Petersburger Restaurants kannte. Als solcher hatte er zuweilen das Catering staatlicher Veranstaltungen übernommen und 2001 ein Festessen für den französischen Staatschef Jacques Chirac ausgerichtet, was ihm ein Lob des Gastgebers Wladimir Putin eintrug. Bald darauf war von Prigoschin als „Putins Koch“ die Rede.

Lange verwahrte sich der heute 61-Jährige gegen Gerüchte, an der „Gruppe Wagner“ in irgendeiner Form beteiligt zu sein. Journalisten, die das behaupteten, wurden wegen Verleumdung verklagt. Das änderte sich schlagartig mit Beginn der Ukraine-Invasion. Im September räumte Prigoschin ein, tatsächlich 2014 damit begonnen zu haben, eine „Gruppe von Patrioten“ um sich zu scharen, die nicht nur in der Ostukraine kämpften, sondern „das syrische Volk und andere arabische Völker beschützen, ebenso benachteiligte Afrikaner und Lateinamerikaner“. Mit dem russischen Krieg in der Ukraine waren auch die „Wagners“ als Verband der Standhaften und Unerschrockenen gefragt.

Die Söldnertruppe Wagner rekrutiert in Gefängnissen

Bestand das Hauptkontingent von Prigoschins Privatarmee anfangs aus ehemaligen Polizisten und Militärs, wurden seit Sommer 2022 auch Strafgefangene rekrutiert. Die Gesamtstärke dieser Einheiten zu ermitteln, ist kaum möglich. Schätzungen gehen von 10.000 bis 20.000 Kombattanten aus. Viele sollen aus ärmeren Regionen Russlands stammen. Sie würden mit umgerechnet 500 Dollar im Monat bezahlt, was durch die Teilnahme an Kämpfen bis auf 3.000 Dollar steigen könne. Ein formelles Problem ist der Umstand, dass Söldnertum in Russland eigentlich eine Straftat ist und „Wagnerianer“ im Ausland nicht abgesichert sind, sprich: Hinterbliebene von Gefallenen auf keine staatlichen Hilfen rechnen dürfen.

Dennoch zeigt sich die „Gruppe Wagner“ stets entschlossen, auf Augenhöhe mit der regulären Armee in der Ukraine zu stehen. Es ist diesem Einsatz zuzuschreiben, dass Videoaufnahmen existieren, aus denen hervorgeht, dass Prigoschin im russischen Strafvollzug als Werber auftritt, um seine Bataillone aufzustocken. Dies zu tun, dürfte für den Wagner-Chef schon deshalb nicht abwegig sein, weil er in den 1980er Jahren selbst wegen Diebstahls zunächst auf Bewährung und dann wegen eines Raubüberfalls zu 13 Jahren Haft verurteilt war. „Wenn Sie mit uns gehen, gibt es keinen Weg zurück ins Gefängnis“, garantierte Prigoschin den Häftlingen und wirkte glaubwürdig.

Wer im Gefecht nicht zuverlässig ist, den erwarten bei „Wagner“ harte Strafen. Am 13. November erschien auf dem Telegramkanal Grey Zone ein Video, das zeigte, wie der Ex-Häftling Jewgeni Nuschin zugibt, sich in der Ukraine ergeben zu haben. Nach diesem Geständnis wird auf seinen Kopf mit einem Vorschlaghammer eingeschlagen. Prigoschin kommentierte das martialisch mit: „Für einen Hund einen Hundetod.“ Zugleich teilte er der russischen Generalstaatsanwaltschaft mit, er habe mit Nuschins Ermordung nichts zu tun, das hätten die US-Geheimdienste zu verantworten. Zudem setzte Prigoschin umgehend seine Anwälte in Marsch, als das EU-Parlament die „Gruppe Wagner“ als terroristische Organisation einstufte. Er sandte den Abgeordneten – in zynischer Selbstbezichtigung? – einen Vorschlaghammer mit roten Flecken am Griff.

Jewgeni Pregoschin gewinnt politischen Einfluss

Prigoschins zweites Standbein ist die 2013 in St. Petersburg gegründete Trollfabrik Internet Research Agency, die über gefälschte Konten in sozialen Netzwerken Pro-Kreml-Propaganda fördert, die russische Opposition diskreditiert und eigene Nachrichtenquellen sprudeln lässt. Die Agentur beschäftigte 2021 mindestens 150 Personen, die auch Accounts von Verstorbenen verwenden. Unabhängige türkische Medien befürchten, dass die Trollfabrik 2023 in den Wahlkampf zugunsten von Recep Tayyip Erdoğan eingreift, da seine Wiederwahl wegen einer schweren Wirtschaftskrise womöglich infrage steht.

Mittlerweile spielt Prigoschin in Russland zunehmend eine politische Rolle. Sein Intimfeind ist der von Präsident Putin ernannte Petersburger Gouverneur Alexander Beglow, den Prigoschin wegen der „Gründung einer organisierten kriminellen Vereinigung“ und Hochverrats angezeigt hat. Zeitgleich einigte er sich mit Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow, der ebenfalls über eigene Truppen verfügt, und kritisierte nach dem Rückzug im Raum Charkiw offen den damaligen Oberbefehlshaber Alexander Lapin.

Prigoschin könnte in einer Nach-Putin-Ära wichtig sein, auch wenn ihm bisher Härte und Arroganz die Möglichkeit nehmen, offen eine politische Karriere anzugehen. In Russland besteht nach Meinung des Politologen und früheren Putin-Redenschreibers Abbas Galljanow eher der Wunsch nach Normalisierung – „angesichts des aktuellen Wahnsinns“ – als nach einem Hardliner wie Prigoschin. Das FBI schrieb eine Belohnung von 250.000 US-Dollar für seine Ergreifung aus. Prigoschin ließ das naturgemäß kalt. „Mich festzunehmen, ist so einfach wie Birnen schälen. Ich bin bei der Arbeit, im Donbass oder im Knast.“

Ruslan Suleimanov, Orientalist und Journalist, war leitender Nahost-Korrespondent der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS in Kairo. Aus Protest gegen den Krieg trat er im Februar zurück

chen Staatschef Jacques Chirac ausgerichtet, was ihm ein Lob des Gastgebers Wladimir Putin eintrug. Bald darauf war von Prigoschin als „Putins Koch“ die Rede.Lange verwahrte sich der heute 61-Jährige gegen Gerüchte, an der „Gruppe Wagner“ in irgendeiner Form beteiligt zu sein. Journalisten, die das behaupteten, wurden wegen Verleumdung verklagt. Das änderte sich schlagartig mit Beginn der Ukraine-Invasion. Im September räumte Prigoschin ein, tatsächlich 2014 damit begonnen zu haben, eine „Gruppe von Patrioten“ um sich zu scharen, die nicht nur in der Ostukraine kämpften, sondern „das syrische Volk und andere arabische Völker beschützen, ebenso benachteiligte Afrikaner und Lateinamerikaner“. Mit dem russischen Krieg in der Ukraine waren auch die „Wagners“ als Verband der Standhaften und Unerschrockenen gefragt.Die Söldnertruppe Wagner rekrutiert in GefängnissenBestand das Hauptkontingent von Prigoschins Privatarmee anfangs aus ehemaligen Polizisten und Militärs, wurden seit Sommer 2022 auch Strafgefangene rekrutiert. Die Gesamtstärke dieser Einheiten zu ermitteln, ist kaum möglich. Schätzungen gehen von 10.000 bis 20.000 Kombattanten aus. Viele sollen aus ärmeren Regionen Russlands stammen. Sie würden mit umgerechnet 500 Dollar im Monat bezahlt, was durch die Teilnahme an Kämpfen bis auf 3.000 Dollar steigen könne. Ein formelles Problem ist der Umstand, dass Söldnertum in Russland eigentlich eine Straftat ist und „Wagnerianer“ im Ausland nicht abgesichert sind, sprich: Hinterbliebene von Gefallenen auf keine staatlichen Hilfen rechnen dürfen.Dennoch zeigt sich die „Gruppe Wagner“ stets entschlossen, auf Augenhöhe mit der regulären Armee in der Ukraine zu stehen. Es ist diesem Einsatz zuzuschreiben, dass Videoaufnahmen existieren, aus denen hervorgeht, dass Prigoschin im russischen Strafvollzug als Werber auftritt, um seine Bataillone aufzustocken. Dies zu tun, dürfte für den Wagner-Chef schon deshalb nicht abwegig sein, weil er in den 1980er Jahren selbst wegen Diebstahls zunächst auf Bewährung und dann wegen eines Raubüberfalls zu 13 Jahren Haft verurteilt war. „Wenn Sie mit uns gehen, gibt es keinen Weg zurück ins Gefängnis“, garantierte Prigoschin den Häftlingen und wirkte glaubwürdig.Wer im Gefecht nicht zuverlässig ist, den erwarten bei „Wagner“ harte Strafen. Am 13. November erschien auf dem Telegramkanal Grey Zone ein Video, das zeigte, wie der Ex-Häftling Jewgeni Nuschin zugibt, sich in der Ukraine ergeben zu haben. Nach diesem Geständnis wird auf seinen Kopf mit einem Vorschlaghammer eingeschlagen. Prigoschin kommentierte das martialisch mit: „Für einen Hund einen Hundetod.“ Zugleich teilte er der russischen Generalstaatsanwaltschaft mit, er habe mit Nuschins Ermordung nichts zu tun, das hätten die US-Geheimdienste zu verantworten. Zudem setzte Prigoschin umgehend seine Anwälte in Marsch, als das EU-Parlament die „Gruppe Wagner“ als terroristische Organisation einstufte. Er sandte den Abgeordneten – in zynischer Selbstbezichtigung? – einen Vorschlaghammer mit roten Flecken am Griff.Jewgeni Pregoschin gewinnt politischen EinflussPrigoschins zweites Standbein ist die 2013 in St. Petersburg gegründete Trollfabrik Internet Research Agency, die über gefälschte Konten in sozialen Netzwerken Pro-Kreml-Propaganda fördert, die russische Opposition diskreditiert und eigene Nachrichtenquellen sprudeln lässt. Die Agentur beschäftigte 2021 mindestens 150 Personen, die auch Accounts von Verstorbenen verwenden. Unabhängige türkische Medien befürchten, dass die Trollfabrik 2023 in den Wahlkampf zugunsten von Recep Tayyip Erdoğan eingreift, da seine Wiederwahl wegen einer schweren Wirtschaftskrise womöglich infrage steht.Mittlerweile spielt Prigoschin in Russland zunehmend eine politische Rolle. Sein Intimfeind ist der von Präsident Putin ernannte Petersburger Gouverneur Alexander Beglow, den Prigoschin wegen der „Gründung einer organisierten kriminellen Vereinigung“ und Hochverrats angezeigt hat. Zeitgleich einigte er sich mit Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow, der ebenfalls über eigene Truppen verfügt, und kritisierte nach dem Rückzug im Raum Charkiw offen den damaligen Oberbefehlshaber Alexander Lapin.Prigoschin könnte in einer Nach-Putin-Ära wichtig sein, auch wenn ihm bisher Härte und Arroganz die Möglichkeit nehmen, offen eine politische Karriere anzugehen. In Russland besteht nach Meinung des Politologen und früheren Putin-Redenschreibers Abbas Galljanow eher der Wunsch nach Normalisierung – „angesichts des aktuellen Wahnsinns“ – als nach einem Hardliner wie Prigoschin. Das FBI schrieb eine Belohnung von 250.000 US-Dollar für seine Ergreifung aus. Prigoschin ließ das naturgemäß kalt. „Mich festzunehmen, ist so einfach wie Birnen schälen. Ich bin bei der Arbeit, im Donbass oder im Knast.“Placeholder authorbio-1



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Von Veritatis

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