Deutschland stürzt bei Standortqualität auf letzte Ränge ab
“Abwanderung: Deutschland als Wirtschaftsstandort immer unattraktiver”

Zwei Meldungen, die sich auf den “Länderindex Familienunternehmen” beziehen, den das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung im Auftrag der Stiftung “Familienunternehmen” gerade in seiner 9. Auflage herausgegeben hat. Er stellt eine summarische Einordnung zum Ende des Jahres 2022 dar, und wie alle summarischen Zusammenstellungen sind die Aussagen, die auf seiner Basis gemacht werden können, in erheblichem Maße von den Indikatoren abhängig, die genutzt wurden, um den “Länderindex” überhaupt zu erstellen. Gleich vorweg. Abwanderung ist kein Thema im Index. Der Begriff oder eine seiner Abwandlungen, Standordverlagerung, Verlegung des Standorts, etc. kommen im gesamten Bericht nicht vor.

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Im vorliegenden Fall ist es zunächst einmal sinnvoll darauf hinzuweisen, dass sich der Länderindex “Familienunternehmen” auf eben diese “Familienunternehmen” bezieht. Es geht also direkt um die Attraktivität des Standorts “Deutschland” für Familienunternehmen, was im nächsten Schritt der Frage aufwirft, welche Unternehmen als “Familienunternehmen” zählen.

“[…] ein Familienunternehmen ist dann gegeben […], wenn mindestens 50 Prozent des stimmberechtigten Unternehmenskapitals in den Händen von maximal drei natürlichen Personen oder Familien liegt. Bei mehr als drei natürlichen Personen wird angenommen, dass es sich um eine Familie handelt, wenn mindestens zwei dieser Personen den gleichen Nachnamen führen. Für einige Unternehmen wurden die verwandtschaftlichen Verhältnisse anhand von Einzelfallrecherchen abgeklärt.”

Das ist in der Tat eine sehr weite Definition, wie man anhand der Liste der 10 größten deutschen “Familienunternehmen”, die sich auf Basis dieser Definition ergibt, sehen kann:

  • Volkswagen AG
  • Schwarz-Gruppe [Lidl, Kaufland]
  • ALDI [Nord und Süd]
  • Robert Bosch
  • Heraeus GmbH
  • Phoenix Pharma
  • Henkel AG
  • Boehringer Ingelheim Pharma
  • Merck AG
  • Bertelsmann AG

Ein illustrer und diverser Haufen, dessen jeweilige Geschäftsleitung vermutlich unterschiedliche Ansprüche an den Standort Deutschland stellen wird, schon weil ein Pharmaunternehmen mit großen Produktionsstandorten wie Boehringer Ingelheim in Mannheim ganz andere Ansprüche hat als ALDI Nord oder Süd. Der Länderindex ebnet diese Unterschiede in einem Ranking ein, nicht nur national, sondern international, schließlich werden Ländervergleiche durchgeführt, und zwar auf Grundlage folgender Kriterien bzw. Variablen/Indikatoren:

Was Sie hier sehen, sind die jeweils fünf Einzelindikatoren, die zu einem Subindex zusammengefasst werden, z.B. die Indikatoren “Strompreise, Gas- und Kraftstoffpreise, Stromversorgungssicherheit, Energieimportrisiko und Klimaziele” zum Subindex “Energie”. Die Zahlen dahinter geben das Gewicht an, das der jeweilige Indikator im Subindex hat. So machen Klimaziele ein Fünftel des Subindex “Energie” aus, während die “Besteurung nationaler Geschäftstätigkeit”, also letztlich die Steuerlast eines Unternehmens die halbe Miete für den Subindex “Steuern” darstellt.

Indices wie der Länderindex “Familienunternehmen” sind in aller Regel der Fälle eine sehr subjektive Angelegenheit [Warum geht Rechtssicherheit mit einem Gewicht von 17% in die Berechnung von “Infrastruktur und Institutionen” ein und nicht mit 34% oder mit 90%?] und in allen Fällen ein ausuferndes Rechenwerk, schon weil man am Ende den einen Wert für ein Land präsentieren will, der zur Grundlage des Vergleichs mit anderen Ländern werden soll. Was die Frage aufwirft, wie dieser Länderwert berechnet wird.

So:

Die Subindices resultieren in einer bestimmten Punktzahl, die nun ihrerseits gewichtet und zum Gesamtindex verrechnet wird. Wie man sieht, ist die Steuerlast das wichtigste Kriterium des gesamten Index, die Höhe nationaler Steuern macht 10% des Gesamtindex aus, Klimaziele, also deren Einhaltung, schlagen mit immerhin 3% zu Buche. Die Gewichte werden auf Basis von Umfrageergebnissen bestimmt, d.h. Unternehmer wurden gebeten, die Wichtigkeit bestimmter Kriterien für ihre Standortwahl oder ihre Zufriedenheit mit einem Standort anzugeben. Die Ergebnisse, in der Regel prozentuale Verteilungen, werden zur Grundlage der Gewichtung gemacht, die zudem durch ein weiteres “subjektives Element” aufgepeppt wird:

“Die Gewichte für das ebenfalls nachträglich ab dem Länderindex 2012 aufgenommene Themengebiet „Energie“ geben der Bepreisung der Energiequellen die gleiche Bedeutung wie der Zuverlässigkeit. Die darunter liegende relative Gewichtung von Strom-, Gas- und Kraftstoffpreisen folgt der näherungsweisen Abschätzung zur relativen Bedeutung dieser Energiequellen als Inputs für große Familienunternehmen in ihrer Gesamtheit. Im Rahmen der Zuverlässigkeit erfährt die Sicherheit der Stromversorgung gegenüber dem Energieimportrisiko eine erhöhte Gewichtung aufgrund vielfältiger Rückmeldungen von Unternehmen, dass auch kurzfristige Störungen der Stromversorgung für größere betriebswirtschaftliche Schäden sorgen können. Die mit den Klimazielen abgedeckte Zukunftsperspektive des Energiestandorts wird im Verhältnis zur gegenwärtigen Lage mit 1:4 gewichtet.”

Warum auch nicht.

Zumindest kann man zum Ende der ganzen Rechenorgie sagen, dass das resultierende Länderranking eine mehr oder weniger verzerrte Relation der Länder zueinander abbildet, wie sich diese Relation in der Wirklichkeit niederschlägt, ist indes eine offene Frage. Übungen wie das Länderranking “Familienunternehmen” aus Mannheim sind letztlich kosmetische Veranstaltungen, die dem Ziel dienen, ein Ergebnis zu präsentieren, das über Zeit Veränderung zu zeigen vermag, so dass man sagen kann, etwas sei schlechter oder besser geworden. Was das dann in der Realität bedeutet, das weiß niemand so wirklich zu sagen – oder besteht die Gefahr, dass das Familienunternehmen “Volkswagen AG” oder die Familienunternehmen aus dem Norden oder Süden von ALDI abwandern? Eher nicht. Entsprechend absurd sind Meldungen, die das behaupten.

Verlässt man die Ebene des Gesamtrankings und geht auf die Ebene der Indikatoren, die zu Subindices verwurstet werden, dann zeigt sich schnell, dass man nicht wirklich etwas anfangen kann, mit Rankings wie diesem, Rankings, die eine Form symbolischer Kommunikation anleiten sollen: Wir erregen uns über einen Rückgang im Ranking, von dem wir nicht wissen, was er bedeutet, aber ein Rückgang ist schlecht, Zugewinn ist besser. Die Schlagzeilen, siehe oben, sind sicher.

Ein paar Beispiele fragwürdiger bis nutzloser Indikatoren:

Das “schlechte” Abschneiden Deutschlands bei “Bildungsniveau der Erwerbsfähigen Bevölkerung” basiert auf dem Anteil derjenigen, die einen tertiären Bildungsabschluss erreichen, also ein Hochschulstudium erfolgreich absolvieren. Ob man aus der Menge hochschulgebildeter Gender Studierter oder Medienwissenschaftler oder Lehramtsabsolventen tatsächlich auf die Arbeitsproduktivität der Erwerbstätigen eines Landes schließen kann, wie es hier geschieht, denn der Indikator wird genutzt, um den Subindex “Arbeit” zu errechnen, in den zudem Produktivität, Arbeitskosten, Bildungsausgaben und PISA-Ergebnisse eingehen, darüber kann man trefflich streiten. Es sind zumindest Zweifel daran angebracht.

Ein weiteres Ergebnis: Deutschland schneidet bei Kriminalität und politischer Stabilität mittelmäßig ab. Kein Wunder bei all den Chaoten in Berlin denken Sie? Falsch gedacht.

Das dargestellte Ergebnis ist seinerseits aus einer Reihe von von anderen veröffentlichten Ergebnissen zusammengebastelt. Spielen wir es in diesem Fall einfach einmal durch:

Der Indikator „Kriminalität und politische Stabilität“ basiert auf

  • dem Index “Political Stability and Absence of Violence”, den die Weltbank im Rahmen der Worldwide Governance Indicators veröffentlicht;
    Der Weltbankindex schätzt die “Wahrscheinlichkeit einer politischen Destabilisierung durch gewalttätige oder nicht verfassungsmäßige Aktionen einschließlich Terrorakten” ein;
  • dem „Gallup Law and Order Index“ des gleichnamigen Meinungsforschungsinstituts;
    (1) Haben Sie in der Stadt oder der Gegend, in der Sie leben, Vertrauen in die örtliche Polizei?
    (2) Fühlen Sie sich sicher, wenn Sie nachts allein in der Stadt oder in der Gegend, in der Sie wohnen, spazieren gehen?
    (3) Wurde Ihnen oder einem anderen Haushaltsmitglied innerhalb der letzten zwölf Monate Geld oder Eigentum gestohlen?
    (4) Wurden Sie innerhalb der letzten zwölf Monate überfallen oder ausgeraubt?
    120.000 Leute befragt Gallup in 115 Ländern, also knapp 1.000 pro Land. Die Differenz zwischen Zustimmung und Ablehnung geht in den “Teilindikator Kriminalität und politische Stabilität ein.
  • Einer Expertenbefragung des World Economic Forum dazu, ob man als Unternehmer darauf vertrauen kann, durch die Polizei vor Kriminellen geschützt zu werden;

Wie für Befragungen üblich, hinken die Ergebnisse ihrer Zeit hinterher, so dass der Länderindex “Familienunternehmen” 2022 auf Daten aus dem Jahr 2020 für Gallup; Weltbank und WEF zurückgreifen muss.

Was diese Ergebnisse aussagen, ist nicht wirklich klar. Klar ist bestenfalls, dass der Länderindex “Familienunternehmen” politisch korrekter Vorgabe folgt:

Den schlechtesten Wert erreicht Deutschland bei den Klimazielen, was letztlich darauf zurückzuführen ist, dass Deutschland um 22,4% nach Berechnung des ZEW hinter den Klimazielen zurückgeblieben ist, die in Paris vereinbart wurden. Der Rückstand der deutschen Klimarealität hinter der Klima-Ideologie trägt 20% zum Subindex “Energie” und 3% zum Gesamtranking bei.

Falls Sie sich nun noch für das Gesamtranking interessieren, das haben wir natürlich auch für sie:

Quelle: ZEW

Deutschland war 14 (2020) und ist nun 18 (2022).
Das Vereinigte Königreich war 8 (2020) und ist nun 7 (2022).

Heureka!

Was es bedeutet?
Keine Ahnung.
Aber des Vereinigte Königreich liegt vorne… hinter Dänemark und Irland,

hinter Irland und Dänemark und Kanada, Trudeaus Kanada?
Bullshit!


Stiftung Familienunternehmen (2023). Länderindex Familienunternehmen.


Was bleibt?

Ein Verlust an Attraktivität des Standorts Deutschland, der indes mit einem Länderindex, wie dem vorliegenden, nicht belegt werden kann.

Vielleicht eine Anwendung des Thomas-Theorem, das besagt, dass das, was Menschen für richtig halten [egal, ob es das ist oder nicht] in seinen Folgen real wird. Möglicherweise gibt es Unternehmen aus dem Ausland, die ihre Standortentscheidung an Indices, wie dem Länderindex “Familienunternehmen” ausrichten und dann quasi durch ihr Handeln das wahr machen, was zur Zeitpunkt der Drucklegung vermutlich nicht wahr war.


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Von Veritatis

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