“Mein Schatz aus Strelitz” nannte König George III. seine Gemahlin, Königin Charlotte. Was von historischen Figuren in einer schillernden Netflix-Serie übrig bleibt.

Einfach lächeln und winken. Den Tipp gibt Queen Charlotte in der gleichnamigen, viel beworbenen und heiß erwarteten Netflix-Serie ihrem Mann, King George III. Als junger König muss er auf einem offiziellen Anlass vor geladenen Adligen und Rivalen bestehen. Lächeln und winken. Das raunte schon Prinz William seinem Sohn zu, als er mal mit ihm an der Presse vorbei musste – ebenfalls ein George. Good Boy. Braver Junge. Und das gilt wohl auch für die bevorstehende Krönung des aktuellen britischen Königs Charles III. am Wochenende: Lächeln, winken. Die Meute wird es goutieren, gar jubeln. Das klingt nach einem verlässlichen Rezept aus dem leichte und gut verdauliche Serien-Kost entsteht. Wohlig weichgespült mit einer Portion Glitzer. Zum Gähnen?

Zeit, in die Katakomben des britischen Palasts hinab zu steigen. Zu den unerzählten Geschichten bei Hofe im 18. Jahrhundert. Zu den Schauergeschichten in Zeiten der Aufklärung. Von Vergewaltigung in der Ehe, verkauften Frauen, unterdrückter Lust, unzähligen Fehlgeburten, alltäglichem Rassismus und Standesdünkel, verheimlichter Homosexualität, von Folter, Quacksalbern und Scharlatanen. Von einer Geisteskrankheit des Königs, die keine sein durfte und dem wahren Sein hinter dem Schein der funkelnden Geschmeide an den Hälsen der Damen.

Vielleicht doch einschalten? Die nächste Folge des “Freie Presse”-Podcasts “Nachtfresser” nimmt die Mini-Serie unters Brennglas. Mit dem von Fans herbeigesehnten Streaming-Start der nächsten Story aus dem “Bridgerton”-Kosmos am 4. Mai, reiht Netflix schon die dritte Geschichte um Palastgeflüster, Koitus und Kostümpomp auf. Die US-amerikanische Drehbuch-Queen Shonda Rhimes (Grey’s Anatomy) ist dafür bekannt, ihre Zuschauer gern an der Nase herumzuführen und immer für einen Twist im Plot gut, der selbst über Leichen geht. Alles ist erlaubt, wenn es der Story dient. “Bridgerton” gehört neben “Squid Games” zu den erfolgreichsten Serien des Internetbezahlsenders. Wobei die Zahl derer, die sich über den Erfolg wundern, mindestens genauso groß ist wie die der Binge-Watcher. Diesmal tischt die Produktion den Zuschauenden jedoch mehr auf als sich zügig entblätternde Herzöge und seufzende Ladys in schillernden Roben. Mit dem Verlassen der Romanreihe von Julia Quinn streift die sechsteilige Prequel-Miniserie auch viel Oberflächlichkeit ab. Plötzlich scheinen Dialoge möglich, die hinter Etikette und Repräsentanz leuchten, Diskurse der Macht in ihrer Vielzahl aufblättern wie Unterröcke unter Seidenkleidern.

Wer waren dieser “Farmer George”, Bauer Georg und sein “Schatz aus Strelitz”, Sophie Charlotte zu Mecklenburg-Strelitz, die im Zeichen ihrer Zeit eine glückliche Ehe geführt haben sollen? 1761 wurde das Königspaar vermählt, ohne sich zu kennen. Das Bridgerton-Prequel gibt ihnen mit India Amarteifio als junger Königin und Corey Mylchreest als König George Gesichter. Wie dunkel darf eine britische Königin des 18. Jahrhunderts dargestellt werden? Auch diese Frage geistert vorm Start der Serie in gewohnter Tradition durch Debattenbeiträge. Dabei lenkt sie von so viel Wesentlichem ab. Vieles bleibt im Dunkeln. Unausgeleuchtet. Letztlich erscheint “Queen Charlotte” ein Auszug aus dem Netflix-Märchenland. Jetzt einfach lächeln und winken.

Den Podcast “Nachtfresser” finden Sie überall, wo es Podcasts gibt … oder direkt HIER!

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Von Veritatis

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