Die städtische Grünanlage an der Amsterdamer Straße im Kölner Bezirk Nippes war lange nicht viel mehr als eine Hundewiese. Doch als daneben auf einem früheren Fabrikgelände ein neues Wohnquartier entstand, pflanzte die Stadt zusätzliche Bäume und legte Verbindungswege an. Am lieblosen Erscheinungsbild des Johannes-Giesberts-Parks, wie er nach einem Kommunalpolitiker getauft wurde, änderte das wenig. Nun aber soll alles anders werden. Und, noch besser: Die Bürger:innen sollen dabei mitreden dürfen. Online wie offline können sie mit den Planer:innen diskutieren, über Wildblumen-Areale, ein „Vogelwäldchen“ oder einen neuen Bewegungsparcours.

Stolz verweist die Kölner Verwaltung darauf, dass man als „er

„erste Millionenstadt in Deutschland“ ein Konzept „systematischer Öffentlichkeitsbeteiligung“ umsetze. Da geht es zum Beispiel um den „Rheinboulevard Porz“, den „Grüngürtel Parkstadt Süd“, die Überarbeitung der städtischen Kleingartenordnung – oder auch die „Erneuerung der Straßenbeleuchtung in der Alteburger Straße in Bayenthal“. Ähnliche Angebote gibt es in Bonn, Darmstadt, Heidelberg, Potsdam, Wiesbaden oder Wolfsburg. Bricht gerade eine Ära der umfassenden Mitsprache an?Wachsende PolitikverdrossenheitBeteiligung ist eine gute Idee – gerade in Zeiten wachsender Politikverdrossenheit. In der „repräsentativen Demokratie“ ist sie aber eigentlich ein Fremdkörper. Volksentscheide sind im bundesdeutschen System mit hohen Hürden bewehrt und auf lokale sowie Landesange­legenheiten beschränkt. Konkrete Politik folgt aus ihnen noch lange nicht – siehe den Berliner Volksentscheid zur Vergesellschaftung von Wohnkonzernen. Apropos: Die oft lobenswerten, teils aber auch skurrilen Mitsprachemöglichkeiten in lokalen Biotopen stehen schon zu dem Umstand in einem Missverhältnis, dass basalere Fragen der Stadtentwicklung mehr und mehr privatwirtschaftlichen Interessen überantwortet sind.Erst recht zeigt sich diese Lücke zwischen „neuer Beteiligungskultur“ und tatsächlicher Mitgestaltung bei den ganz großen Fragen. Bei den Corona-Maßnahmen, den Waffenlieferungen an die Ukraine oder auch beim „Heizungsgesetz“ gab es keine öffentliche Partizipation. Besonders die Pandemie hat mit ihrer Dauerbehauptung eines „faktenbasierten“ – und daher alternativlosen – Regierungshandelns einen Politik- und Kommunikationsstil des „Erklärens“ befördert, der in Großunternehmen längst kopiert wird: Wir entscheiden allein, und dann erläutern wir euch, warum es so und nicht anders gemacht wird! Hinter der soften Erklärbär-Attitüde, die sich besonders bei grünem Spitzenpersonal häuft, steckt ein neoautoritäres Regierungsverständnis: Nichts für ungut, aber wir wissen es einfach besser!Nicht erst seit Stuttgart 21Aber selbst in ihrem lokalen Klein-Klein ist die neue „Beteiligungskultur“ beschränkt. Auf den ersten Blick kommt sie zwar alten Wünschen entgegen. Nicht erst seit Desasterprojekten wie dem Bahnhof Stuttgart 21 mehren sich Forderungen nach konkreter Partizipation auf örtlicher und regionaler Ebene. Schon in den 1970er und 1980er Jahren verlangten Stadtteilgruppen und Bürgerinitiativen mehr Mitsprache, wenn es um ruhigere Straßen, die Schließung von Schwimmbädern und Bibliotheken oder die Erweiterung von Flughäfen ging. Doch wirklich gestoppt wurde nur wenig. Am Ende standen oft Ohnmachtsgefühle. Und heute? Da winkt das Gefühl von Wirksamkeit, das eine Mitsprache über Straßenlaternen bereithält: Scheinbeteiligung, Etikettenschwindel, Ablenkungsmanöver, so lautet daher die Kritik. Von der „Begrenzung der Gegenstände von Auseinandersetzung auf verhandelbare Teilaspekte“ spricht etwas vornehmer Moritz Rinn vom Institut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik der Uni Duisburg-Essen, der zum Thema geforscht hat.„Volkes Stimme“ kann heikel sein. Plebiszite über die Todesstrafe oder, wie einst in der Schweiz, die „Ausschaffung“ von Migrant:innen sind keine gute Idee. Ein drastisches Beispiel ist auch der Brexit, mit dem sich ein ganzes Land ins Abseits katapultierte. In den meisten Kontroversen aber wäre mehr Mitsprache sinnvoll, und das gilt nicht nur für lokale Biotope. Partizipation sollte fast alle Politikfelder umfassen. Gerade auch die wirklich wichtigen.



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Von Veritatis

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