Fans des schwarzen Humors und des Kaiserreichs aufgehorcht: Die neue Folge des “Freie Presse”-Podcasts “Nachtfresser” hält einen Serien-Tipp bereit, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

Fernsehen.

Historische Dramedyserien sind wie ein Sofakissen. Behaglich, verlässlich, gern ein bisschen weichgespült. Dafür lieben sie Fans. Selbst wenn aufregend anders geht und vieles erwartbar ist. “Haus Kummerveldt” verlässt diese Regeln der Behaglichkeit. Das sollte allen schon beim Vorspann klar sein, wenn die Macher den Titel in Neonschrift auf die Mattscheibe hauen und dazu Popmusik knallen. Dabei spielt die Serie doch zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs irgendwann Ende des 19. Jahrhunderts. Wie geht das zusammen? So viel sei gesagt: Dagegen ist der Netflix-Hit “Bridgerton” so was von kalter Kaffee im Regen.

Mal “in des Vaterlands Fresse” spucken

Den Reiz der Mini-Serie leuchtet die neue Folge des “Freie Presse”-Serienpodcasts “Nachtfresser” aus. Hier schon mal ein Vorgeschmack: “In des Vaterlands Fresse will ich schreien und spucken!” Das denkt sich Hauptfigur Luise von Kummerveldt während ihres Heiratsantrags, mit all ihrer Wut geradezu köstlich gespielt von Milena Straube, die wohl das sanfte Serienpflaster von “In aller Freundschaft” mit dieser Rolle hinter sich lassen kann. Dieses “Frauenzimmer” schreit nach Emanzipation in einer Zeit, in der Frauen besser keinen unerlaubten Mucks sagten und schon gar nicht Romane schrieben, wie es die junge Luise sich für ihr Leben vorstellt. Allenfalls dann für andere sogenannte Backfische. “Haus Kummerveldt” gibt dieser jungen, wütenden, weiblichen Generation eine Stimme und macht sie zur Coming-of-Age-Serie einer verlorenen Zeit. Tragisch, melancholisch, rebellisch und in Anlehnung an Biografien wie der von Annette von Droste-Hülshoff oder Else Lasker-Schüler. Es ist ein Werk voll gespickt mit Zitaten, dass es für Rätselfreunde eine Wonne ist.

Kein Platz für Kitsch

Das Seriendebüt von Produzentin Lotte Ruf und Regisseur Mark Lorei feierte 2021 auf Festivals Premiere und räumte einige Nachwuchspreise ab. Das ist umso erfreulicher, weil es eine deutsche Produktion mit schmalem Budget ist, die mehr als einen Achtungserfolg abliefert. Vor allem steckt die Idee dahinter, große Geschichte lokal zu erzählen und dabei den Bogen des Genres mal gehörig zu überspannen, längst überholte Regeln einzustampfen und historischem Stoff mit viel schwarzem Humor auf der Höhe der Zeit zu begegnen. Das lässt keinen Platz für Kitsch.

Nun ist die Serie bei den deutschen Fernsehsendern angekommen, weil an diesem frechen Aufschrei nicht vorbeizukommen ist. Die kleine regionale Produktion aus dem Münsterland, hauptsächlich gedreht auf der Wasserburg in Ochtrup, ist über die Mediathek des deutsch-französischen Fernsehsenders Arte seit Kurzem kostenlos abrufbar und jetzt auch über die ZDF-Mediathek zu finden. Die erste Staffel umfasst sechs Folgen. Leider läuft jede nur etwa 20 Minuten. Leider, weil es dieser Happen wirklich in sich hat. Ein lange vermisster Leckerbissen. Frech, witzig, rasant erzählt. Die gute Nachricht: Voriges Jahr drehten die Serienmacher die zweite Staffel. Ein Ausstrahlungstermin ist noch nicht bekannt.

Die Podcastfolge zur Serie “Haus Kummerveldt” und weitere Folgen vom Serienpodcast “Nachtfresser” gibt es überall da zu hören, wo es Podcasts gibt:  » www.freiepresse.de/podcasts



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Von Veritatis

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