Kann man „Glück“ messen? Die herkömmliche Ökonomie sagte: Ja, aber sicher. Glück, oder zumindest die materiellen Voraussetzungen für Glück, sind messbar und berechenbar. Ein Mehr davon liefert ein Mehr an Nutzen, ist damit „besser“. Mit dieser Begründung setzte sich bereits die Denkschule des Utilitarismus, dem auch das ökonomische Denken im Streben nach „Wohlstand“ folgte, „das größte Glück der größten Zahl“ zum Ziel. Diese hedonistische Form von „Glück“ ist das Ergebnis einer Kalkulation: Negativer und positiver Nutzen aus Gütern wird abgewogen und nach einer positiven Nutzenbilanz gestrebt. Aber ist Glück wirklich messbar, und lässt das die Menschen wirklich „glücklicher“ werden?
In der ökonomischen Betrachtung von Glück hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel verändert. Die Kritik, dass ein Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – als Menge der produzierten und getauschten Güter – kein geeigneter Maßstab für Wohlstand und schon gar keiner für Glück sei, findet sich heute bereits in verschiedenen Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre.
Exemplarisch dafür ist die aktuelle (achte) Auflage der Grundzüge der Volkswirtschaftslehre von N. Gregory Mankiw und Mark P. Taylor – das absolute Standardwerk, wenn man an einer konventionellen westlichen Universität Ökonomie studiert. Dort gibt es nun eigens einen Unterabschnitt zu den „Grenzen des BIP als Wohlstandsmaß“, wo auch auf alternative Maße hingewiesen wird, die andere Faktoren berücksichtigen (wie zum Beispiel unbezahlte Hausarbeit oder Umweltverschmutzung). Und es werden andere Skalen und Messarten erwähnt, mit denen Wohlstand und wirtschaftlicher Erfolg gemessen werden können: zum Beispiel das Measure of Domestic Progress (MDP), das Measure of Economic Welfare (MEW), der Index of Sustainable Economic Welfare und der Genuine Progress Indicator. Wer über das Lehrbuch von Mankiw und Taylor hinausschaut, findet zahlreiche weitere Messkonzepte wie The Europe 2020 Scoreboard, den Better Life Index, den Human Development Index oder den Happy Planet Index. Mankiw und Taylor machen ferner darauf aufmerksam, dass die statistischen Ämter (OECD und Eurostat) zusätzlich zum BIP auch Daten über das subjektive und objektive Wohlbefinden veröffentlichen, zum Beispiel Daten zu materiellen Lebensbedingungen, Gesundheit, Bildung und Freizeit.
Messen und maximieren
Tatsächlich schlagen Mankiw und Taylor in ihrem Lehrbuch auch die Brücke zum „Glück“, wenn sie mit der „Ökonomie des Glücks“ auf die Glücksforschung verweisen. Damit unterstreichen sie, dass „Wohlstand“ im Sinne von „Wohlbefinden“ von ganz verschiedenen Faktoren abhängt, die sich nur unzureichend mit dem BIP abbilden lassen. Solche Faktoren können zum Beispiel Entspannung, das Bildungsniveau, Gesundheit, das Einkommen und Erwerbstätigkeit sein. Gleichzeitig erscheint die dort präsentierte Vorstellung von „Glück“ als problematisch: spätestens dann, wenn Mankiw und Taylor auf die Präsentation einer Glücksformel zusteuern.
Die Vorstellung, „Glück“ ließe sich in einzelne objektive und messbare – damit wertfreie – Bestandteile zerlegen und berechnen, verträgt sich offenbar ganz gut mit dem Selbstverständnis einer modernen, empirisch arbeitenden Ökonomik. Damit stehen solche modernen Ökonomen und Ökonominnen aber letztlich geradezu in der traditionellen Vorstellung, wie sie hier eingangs beschrieben wurde. Der Umstand, dass mehrere Faktoren des Wohlbefindens berücksichtigt werden, es sich teils um „weiche“ – qualitativ zu ermittelnde – Faktoren handelt (Einschätzung der Lebenszufriedenheit usw.), mag davon ablenken, dass es am Ende dennoch auf eine Vorstellung messbaren, berechenbaren und maximierbaren „Glücks“ hinausläuft. Auch dort steht ein „Mehr“ an diesen Faktoren für ein „Mehr“ an Wohlbefinden und „Glück“. Doch ist „Glück“ damit angemessen erfasst? Und werden Menschen auf diese Weise wirklich „glücklicher“?
Es existiert aber auch noch eine andere Perspektive auf „Glück“, die in der Debatte um Wohlbefinden (well-being) und Wohlfahrt der hedonistischen Perspektive gegenübersteht: Gemeint ist „Glück“ im Sinne von „Glückseligkeit“ und einem guten Leben. Ein gutes Leben braucht natürlich eine materielle Basis, die überhaupt erst ein Leben ermöglicht. Aber ein gutes und gelingendes Leben stünde dann für die Realisierung eines tugendhaften Lebens, in dem die Menschen nach „dem Guten“ streben. Damit wird deutlich, dass es um moralische Orientierung, ethische Erwägungen, moralisch integres Handeln und das Vermeiden moralischer Verletzungen geht.
Das mag abstrakt klingen. Aber es wird schnell praktisch, wenn man an jene denkt, die in Berufen mit hohem moralischen Anspruch wie etwa in der Pflege oder der Kinderbetreuung arbeiten. Verunmöglichen es die dortigen Arbeitsbedingungen, diesen moralischen Ansprüchen gerecht zu werden, tragen die Beschäftigten moralische Verletzungen davon. Wir müssten also die Frage nach einem „guten Leben“ breiter denken und damit verbinden, wie ein „gutes“ und „gerechtes“ Leben inmitten von Klimakatastrophen, Nationalismus, Autoritarismus, kriegerischen Konflikten und in Konfrontation mit einer „kapitalistischen“ Wettbewerbslogik aussehen kann. Wenn wir sie auf diese Weise stellen, zeigt die Frage nach „Glück“ im Sinne eines guten Lebens aber auf ein tiefer sitzendes Problem. Zwar ist bisweilen der Vorwurf zu vernehmen, bestimmte Themen wie Verteilung oder Umwelt würden in der Öffentlichkeit zu moralisierend diskutiert. Tatsächlich trifft eher das Gegenteil zu: Öffentliche Debatten, die ein angemessenes moralisches, sprich: ethisches Abwägen erkennen lassen, sind – wenn überhaupt – nur selten zu erleben.
Meistens wirken Debatten, die Themen aufgreifen, bei denen es ganz offensichtlich um ethische Fragen geht – also Verteilung, soziale Gerechtigkeit, Mindestlohn usw. –, ohne ethische Substanz; es werden bloß ökonomische Interessen vorgetragen und für Partikularinteressen argumentiert. Die moralischen Debatten, die beklagt werden, scheinen tatsächlich ein Mythos zu sein. Das hat auch damit zu tun, dass die Expertise in Fragen, die eine ethisch reflektierte Antwort verlangen, kaum existent zu sein scheint.
So verhält es sich auch in „der“ Ökonomik. Diese steht in wirtschaftlichen Sachverhalten immer wieder vor normativen, das heißt ethischen Problemstellungen. Das betrifft zum Beispiel – und vor allem – Verteilungsfragen, wie sie sich im Kontext des Klimawandels sowohl regional als auch global stellen. Doch ist die Expertise für normative Fragen in der modernen Ökonomik kaum vorhanden. Der Fokus liegt dort auf der vermeintlich wertfreien Analyse von empirischen Sachverhalten. Ethische Reflexionen und Wirtschaftsethik haben dort keinen Platz. Deshalb ist die Forderung, mehr wirtschaftsethische Fragen im Studium zu berücksichtigen, schon sehr lange ein sehr berechtigtes Anliegen kritischer Studierender, die nun schon seit über 20 Jahren eine Plurale Ökonomik wünschen.
Doch dafür muss das Rad nicht neu erfunden werden: Denn es existieren wirtschaftstheoretische Konzepte wie die Sozialökonomik oder die Wirtschaftsstiltheorie, die ethische Fragen angemessen aufgreifen könnten. Und es existieren sehr wohl auch wirtschaftstheoretische Konzepte, die sich ganz bewusst und transparent an normativen Prinzipien orientieren und eine ethische Reflexion einfordern. Zu denken wäre etwa an das Konzept des Vorsorgenden Wirtschaftens, das die drei Prinzipien „Vorsorge“, „Kooperation“ und „Gutes Leben für alle“ kennt. Der Wirtschaftsstiltheoretiker Alfred Müller-Armack hatte sein Konzept der Sozialen Marktwirtschaft unter die Ägide von „Freiheit“ und „sozialer Gerechtigkeit“ gesetzt. Kern der Sozialen Marktwirtschaft war die Soziale Irenik, die ein pragmatisches Aushandeln ermöglicht, gerade wenn die Akteure aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Interessen daherkommen.
Hier sind die Konzepte
Darüber hinaus finden sich viele wirtschaftsethische Konzepte wie die Republikanische Unternehmensethik von Horst Steinmann und Alber Löhr, die eine Friedenspflicht beinhaltet. Die Integrative Wirtschaftsethik von Peter Ulrich wiederum befasst sich mit der Zumutbarkeit ökonomischer Handlungen und der Mitverantwortung auch für unbeabsichtigte Konsequenzen des eigenen Tuns. Wirtschaftliches Handeln ist dort unter einen ethischen Legitimitätsvorbehalt gestellt. Nicht alles, was machbar ist, sollte auch realisiert werden. Als „ethisch legitim“ erweist sich dann das, was im offenen Diskurs gemeinsam miteinander kraft der „besseren“ Argumente als „legitim“ eingeschätzt wird.
Die Katholische Sozialethik wiederum liefert ebenfalls ein Beispiel für eine ethische Perspektive, die das Reflektieren wirtschaftlicher Belange und Zusammenhänge umfasst. Im Zentrum stehen dabei die Sozialprinzipien (Personalität, Gerechtigkeit, Subsidiarität, Gemeinwohl und soziale Gerechtigkeit) und davon abgeleitet die Nachhaltigkeit, die vorrangige Option für die Armen und der Dialog.
Es verhält sich also überhaupt nicht so, dass es keine Orientierungspunkte für die Beantwortung der Frage nach einem „guten Leben“ im Bereich der Wirtschaftswissenschaften gibt. Auch das Argument, es gäbe keine allgemein akzeptierten Vorstellungen von „Gerechtigkeit“, weshalb die Beantwortung der Frage auf moralische Beliebigkeit hinauslaufen würde, überzeugt nicht. Schließlich zeigen die hier kursorisch genannten Konzepte, dass eine angemessene und wissenschaftlich seriöse Auseinandersetzung mit normativen Fragen durchaus möglich ist.
Mit Blick auf den Zustand „der“ modernen Ökonomik wäre es damit wohl endlich an der Zeit, stärker auf die Forderungen aus der Pluralen Ökonomik einzugehen und sich auch für die personelle Stärkung zum Beispiel „der“ Wirtschaftsethik an den Universitäten einzusetzen. Sofern es sich dabei nicht um eine marktaffine, ökonomistische und auf das Beschreiben reduzierte Wirtschaftsethik handelt, stehen die Chancen ganz gut, dass eine solcherart modernisierte Ökonomik auch einen substanziellen Beitrag zu einem tugendhaften, guten und glücklichen Leben leisten kann..
nbilanz gestrebt. Aber ist Glück wirklich messbar, und lässt das die Menschen wirklich „glücklicher“ werden?In der ökonomischen Betrachtung von Glück hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel verändert. Die Kritik, dass ein Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – als Menge der produzierten und getauschten Güter – kein geeigneter Maßstab für Wohlstand und schon gar keiner für Glück sei, findet sich heute bereits in verschiedenen Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre.Exemplarisch dafür ist die aktuelle (achte) Auflage der Grundzüge der Volkswirtschaftslehre von N. Gregory Mankiw und Mark P. Taylor – das absolute Standardwerk, wenn man an einer konventionellen westlichen Universität Ökonomie studiert. Dort gibt es nun eigens einen Unterabschnitt zu den „Grenzen des BIP als Wohlstandsmaß“, wo auch auf alternative Maße hingewiesen wird, die andere Faktoren berücksichtigen (wie zum Beispiel unbezahlte Hausarbeit oder Umweltverschmutzung). Und es werden andere Skalen und Messarten erwähnt, mit denen Wohlstand und wirtschaftlicher Erfolg gemessen werden können: zum Beispiel das Measure of Domestic Progress (MDP), das Measure of Economic Welfare (MEW), der Index of Sustainable Economic Welfare und der Genuine Progress Indicator. Wer über das Lehrbuch von Mankiw und Taylor hinausschaut, findet zahlreiche weitere Messkonzepte wie The Europe 2020 Scoreboard, den Better Life Index, den Human Development Index oder den Happy Planet Index. Mankiw und Taylor machen ferner darauf aufmerksam, dass die statistischen Ämter (OECD und Eurostat) zusätzlich zum BIP auch Daten über das subjektive und objektive Wohlbefinden veröffentlichen, zum Beispiel Daten zu materiellen Lebensbedingungen, Gesundheit, Bildung und Freizeit.Messen und maximierenTatsächlich schlagen Mankiw und Taylor in ihrem Lehrbuch auch die Brücke zum „Glück“, wenn sie mit der „Ökonomie des Glücks“ auf die Glücksforschung verweisen. Damit unterstreichen sie, dass „Wohlstand“ im Sinne von „Wohlbefinden“ von ganz verschiedenen Faktoren abhängt, die sich nur unzureichend mit dem BIP abbilden lassen. Solche Faktoren können zum Beispiel Entspannung, das Bildungsniveau, Gesundheit, das Einkommen und Erwerbstätigkeit sein. Gleichzeitig erscheint die dort präsentierte Vorstellung von „Glück“ als problematisch: spätestens dann, wenn Mankiw und Taylor auf die Präsentation einer Glücksformel zusteuern.Die Vorstellung, „Glück“ ließe sich in einzelne objektive und messbare – damit wertfreie – Bestandteile zerlegen und berechnen, verträgt sich offenbar ganz gut mit dem Selbstverständnis einer modernen, empirisch arbeitenden Ökonomik. Damit stehen solche modernen Ökonomen und Ökonominnen aber letztlich geradezu in der traditionellen Vorstellung, wie sie hier eingangs beschrieben wurde. Der Umstand, dass mehrere Faktoren des Wohlbefindens berücksichtigt werden, es sich teils um „weiche“ – qualitativ zu ermittelnde – Faktoren handelt (Einschätzung der Lebenszufriedenheit usw.), mag davon ablenken, dass es am Ende dennoch auf eine Vorstellung messbaren, berechenbaren und maximierbaren „Glücks“ hinausläuft. Auch dort steht ein „Mehr“ an diesen Faktoren für ein „Mehr“ an Wohlbefinden und „Glück“. Doch ist „Glück“ damit angemessen erfasst? Und werden Menschen auf diese Weise wirklich „glücklicher“?Es existiert aber auch noch eine andere Perspektive auf „Glück“, die in der Debatte um Wohlbefinden (well-being) und Wohlfahrt der hedonistischen Perspektive gegenübersteht: Gemeint ist „Glück“ im Sinne von „Glückseligkeit“ und einem guten Leben. Ein gutes Leben braucht natürlich eine materielle Basis, die überhaupt erst ein Leben ermöglicht. Aber ein gutes und gelingendes Leben stünde dann für die Realisierung eines tugendhaften Lebens, in dem die Menschen nach „dem Guten“ streben. Damit wird deutlich, dass es um moralische Orientierung, ethische Erwägungen, moralisch integres Handeln und das Vermeiden moralischer Verletzungen geht.Das mag abstrakt klingen. Aber es wird schnell praktisch, wenn man an jene denkt, die in Berufen mit hohem moralischen Anspruch wie etwa in der Pflege oder der Kinderbetreuung arbeiten. Verunmöglichen es die dortigen Arbeitsbedingungen, diesen moralischen Ansprüchen gerecht zu werden, tragen die Beschäftigten moralische Verletzungen davon. Wir müssten also die Frage nach einem „guten Leben“ breiter denken und damit verbinden, wie ein „gutes“ und „gerechtes“ Leben inmitten von Klimakatastrophen, Nationalismus, Autoritarismus, kriegerischen Konflikten und in Konfrontation mit einer „kapitalistischen“ Wettbewerbslogik aussehen kann. Wenn wir sie auf diese Weise stellen, zeigt die Frage nach „Glück“ im Sinne eines guten Lebens aber auf ein tiefer sitzendes Problem. Zwar ist bisweilen der Vorwurf zu vernehmen, bestimmte Themen wie Verteilung oder Umwelt würden in der Öffentlichkeit zu moralisierend diskutiert. Tatsächlich trifft eher das Gegenteil zu: Öffentliche Debatten, die ein angemessenes moralisches, sprich: ethisches Abwägen erkennen lassen, sind – wenn überhaupt – nur selten zu erleben.Meistens wirken Debatten, die Themen aufgreifen, bei denen es ganz offensichtlich um ethische Fragen geht – also Verteilung, soziale Gerechtigkeit, Mindestlohn usw. –, ohne ethische Substanz; es werden bloß ökonomische Interessen vorgetragen und für Partikularinteressen argumentiert. Die moralischen Debatten, die beklagt werden, scheinen tatsächlich ein Mythos zu sein. Das hat auch damit zu tun, dass die Expertise in Fragen, die eine ethisch reflektierte Antwort verlangen, kaum existent zu sein scheint.So verhält es sich auch in „der“ Ökonomik. Diese steht in wirtschaftlichen Sachverhalten immer wieder vor normativen, das heißt ethischen Problemstellungen. Das betrifft zum Beispiel – und vor allem – Verteilungsfragen, wie sie sich im Kontext des Klimawandels sowohl regional als auch global stellen. Doch ist die Expertise für normative Fragen in der modernen Ökonomik kaum vorhanden. Der Fokus liegt dort auf der vermeintlich wertfreien Analyse von empirischen Sachverhalten. Ethische Reflexionen und Wirtschaftsethik haben dort keinen Platz. Deshalb ist die Forderung, mehr wirtschaftsethische Fragen im Studium zu berücksichtigen, schon sehr lange ein sehr berechtigtes Anliegen kritischer Studierender, die nun schon seit über 20 Jahren eine Plurale Ökonomik wünschen.Doch dafür muss das Rad nicht neu erfunden werden: Denn es existieren wirtschaftstheoretische Konzepte wie die Sozialökonomik oder die Wirtschaftsstiltheorie, die ethische Fragen angemessen aufgreifen könnten. Und es existieren sehr wohl auch wirtschaftstheoretische Konzepte, die sich ganz bewusst und transparent an normativen Prinzipien orientieren und eine ethische Reflexion einfordern. Zu denken wäre etwa an das Konzept des Vorsorgenden Wirtschaftens, das die drei Prinzipien „Vorsorge“, „Kooperation“ und „Gutes Leben für alle“ kennt. Der Wirtschaftsstiltheoretiker Alfred Müller-Armack hatte sein Konzept der Sozialen Marktwirtschaft unter die Ägide von „Freiheit“ und „sozialer Gerechtigkeit“ gesetzt. Kern der Sozialen Marktwirtschaft war die Soziale Irenik, die ein pragmatisches Aushandeln ermöglicht, gerade wenn die Akteure aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Interessen daherkommen.Hier sind die KonzepteDarüber hinaus finden sich viele wirtschaftsethische Konzepte wie die Republikanische Unternehmensethik von Horst Steinmann und Alber Löhr, die eine Friedenspflicht beinhaltet. Die Integrative Wirtschaftsethik von Peter Ulrich wiederum befasst sich mit der Zumutbarkeit ökonomischer Handlungen und der Mitverantwortung auch für unbeabsichtigte Konsequenzen des eigenen Tuns. Wirtschaftliches Handeln ist dort unter einen ethischen Legitimitätsvorbehalt gestellt. Nicht alles, was machbar ist, sollte auch realisiert werden. Als „ethisch legitim“ erweist sich dann das, was im offenen Diskurs gemeinsam miteinander kraft der „besseren“ Argumente als „legitim“ eingeschätzt wird.Die Katholische Sozialethik wiederum liefert ebenfalls ein Beispiel für eine ethische Perspektive, die das Reflektieren wirtschaftlicher Belange und Zusammenhänge umfasst. Im Zentrum stehen dabei die Sozialprinzipien (Personalität, Gerechtigkeit, Subsidiarität, Gemeinwohl und soziale Gerechtigkeit) und davon abgeleitet die Nachhaltigkeit, die vorrangige Option für die Armen und der Dialog.Es verhält sich also überhaupt nicht so, dass es keine Orientierungspunkte für die Beantwortung der Frage nach einem „guten Leben“ im Bereich der Wirtschaftswissenschaften gibt. Auch das Argument, es gäbe keine allgemein akzeptierten Vorstellungen von „Gerechtigkeit“, weshalb die Beantwortung der Frage auf moralische Beliebigkeit hinauslaufen würde, überzeugt nicht. Schließlich zeigen die hier kursorisch genannten Konzepte, dass eine angemessene und wissenschaftlich seriöse Auseinandersetzung mit normativen Fragen durchaus möglich ist.Mit Blick auf den Zustand „der“ modernen Ökonomik wäre es damit wohl endlich an der Zeit, stärker auf die Forderungen aus der Pluralen Ökonomik einzugehen und sich auch für die personelle Stärkung zum Beispiel „der“ Wirtschaftsethik an den Universitäten einzusetzen. Sofern es sich dabei nicht um eine marktaffine, ökonomistische und auf das Beschreiben reduzierte Wirtschaftsethik handelt, stehen die Chancen ganz gut, dass eine solcherart modernisierte Ökonomik auch einen substanziellen Beitrag zu einem tugendhaften, guten und glücklichen Leben leisten kann..