Schon immer durchziehen Familienkonflikte die literarische Landschaft in reichem, fast ausreichendem Maße. Von daher hat sich am Eindruck, dass die Familie eben doch die „Keimzelle“ von so allerlei ist, wenig geändert. Vor allem wenn es um die Vergangenheit und ihre Aufarbeitung geht.
Nachdem die Kölner Journalistin Sabine Bode – geboren 1947 – mit zahlreichen internationalen Bestsellern über die Vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen (2012), über Kriegsenkel (2013), Nachkriegskinder. Die 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter (2015) und Kriegsspuren. Die deutsche Krankheit German Angst (2016) viel Aufmerksamkeit erregt hat, wechselt sie nun mit ihrem zweiten Roman Geschwister im Gegenlicht zwar das Genre, bl
ihrem zweiten Roman Geschwister im Gegenlicht zwar das Genre, bleibt jedoch ihrem Thema treu. Bode will erzählen, wie der Zweite Weltkrieg Familien in Deutschland nachhaltig geprägt hat, wie daraus resultierende Traumata infolge von Schweigen und Verdrängung der Tätergeneration bis in die zweite und dritte Generation hineinreichen.Die Handlung des Romans ist im Jahr 2004 angesiedelt. Das Datum ist wohl gewählt, weil zu dieser Zeit die Nachkriegsgeneration meist in Pension ging und erneut ins Nachdenken geriet, befragt wurde von den Nachkommen. Die Eltern der Geschwister Sonja und Rolf sind tief verstrickt in die Kriegsvergangenheit, aber keineswegs von Schuldbewusstsein geplagt, Debatten dazu werden abgewehrt. Besonders Rolf und seine Tochter Nina sind jedoch an einer innerfamiliären Aufarbeitung interessiert, während Schwester Sonja, deren Lebensmotto sonst „Familie, nein danke“ lautet, zuerst keine Ambitionen zeigt, sich auf eine Spurensuche zu begeben. Erst die Nichte kann sie überzeugen.Sabine Bodes Roman könnte angesichts der Affäre um Hubert Aiwanger und der Debatte über das geistige Klima in Deutschland gestern und heute aktueller nicht sein – aber leider hat die Autorin in dieser Familie fast alles an- und abgelegt, was es über die Schrecken und Verbrechen in der NS-Zeit anzuklagen gibt: Denunziation eines jüdischen Geschäftsmannes, Mitarbeit beim Einsatz von Zwangsarbeitern, Teilnahme an Euthanasieverbrechen bei der Mutter.Für die Verhältnisse in der Nachkriegszeit werden autoritäre Erziehung, Prügelei, Gefühls- und Gewissensarmut noch obendrauf gepackt. Die Eltern – vor allem die Mutter – erscheinen als Monster. Und der Vater war auch noch ein Pyromane, der mehrfach in Aktion trat und mit dem Spruch: „Man darf sich nicht erwischen lassen“, seine Lebenshaltung beschrieb.Eine wirklich brandgefährliche Familie wird hier präsentiert, die nach außen konventionelle Biederkeit pflegte, das Streben nach Wohlstand hatte Priorität. Auch das wurde schon oft geschildert und erzählt. Die Geschwister Rolf und Sonja wachsen also in einer Welt der Lüge und Verleugnung auf. Das Tagebuch der Anne Frank, das Rolfs Tochter zu lesen beginnt, ein geplanter Besuch in Auschwitz – stehen als Bemühen um den „roten Faden“ in der Geschichte. Am Ende kommen die Geschwister, deren Fremdheit untereinander mit der Familiengeschichte erklärt wird, zu einer Annäherung. Aber es funktioniert alles beim besten Willen nicht.Manches wirkt trivialBode verzettelt sich bei der Aufzählung weiterer Probleme und Traumata, die jedes der Geschwister lähmen oder zum Burn-out führen. Hineingepackt sind zusätzlich noch berufliche Konflikte, Ost-West-Animositäten, ein Problemkind, das durch Gewalttätigkeit auffällt, aber segensreich wirkt, weil es die Erwachsenen beschäftigt. Manche Passagen wirken trivial, wie zum Beispiel die, in der die Mutter in einer letzten Begegnung mit ihrem Sohn die Segnungen der Euthanasie preist. „Ach Junge, du kannst dir ja nicht vorstellen, was für eine schwere Arbeit das war. Aber irgendjemand musste es ja tun. Die armen Würmchen, die Tragik der Eltern. Sieh dir nur an, wie viele Krüppel und Irre es heute gibt. Sogar in Restaurants, am Nebentisch (…).“Es ist ein sehr bemühtes Buch.