Oskar Lafontaine kritisiert Verteidigungsminister Boris Pistorius. Es mangele ihm an strategischem Denken. Er sei zudem verantwortlich für ein neues Wettrüsten, mit den damit verbundenen Gefahren. Pistorius stehe nicht für die Suche nach einer eigenen europäischen Sicherheitspolitik.
In einem Beitrag für die in der Schweiz erscheinende Weltwoche (barrierefrei hier) kritisiert Oskar Lafontaine Verteidigungsminister Boris Pistorius gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen fehle es ihm an diplomatischem Geschick. Das sei für einen Verteidigungsminister allerdings noch verzeihlich, führt Lafontaine aus. Nicht verzeihlich sei hingegen der Mangel an strategischem Denken.
Pistorius behaupte, Putin könnte eines Tages auch ein NATO-Land angreifen. Er setze damit auf das Erzeugen von Angst in der Bevölkerung. Zudem werde deutlich, „dass der deutsche Verteidigungsminister die sicherheitspolitischen Diskussionen der vergangenen Jahrzehnte nicht kennt. Militärisches Gleichgewicht stabilisiert den Frieden. Das war ein zentrales Argument der verteidigungspolitischen Konzeption des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. (…) Wer wie Pistorius und alle westlichen Rüstungsbefürworter diesen Grundsatz außer Acht lässt, ist mitverantwortlich für das neue Wettrüsten und die daraus folgende wahnwitzige Zunahme der Rüstungsausgaben in der Welt.“
Fahrlässig sei auch, wie Pistorius die Diskussion um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern forciere. In Deutschland wird die Diskussion um eine mögliche Kriegsbeteiligung der BRD so geführt, als gebe es klar gesetzte Grenzen, ab wann die Bundesrepublik Kriegsteilnehmer ist. Auch Pistorius suggeriert, es gebe klare Regeln, ab wann Deutschland in den Krieg eintritt. Bleibe man unterhalb dieser Schwelle, bestehe für die Bundesrepublik keine Gefahr, von Russland als Kriegspartei gesehen zu werden, so die Behauptung der Befürworter von Waffenlieferungen. Das sei eine Illusion, hebt Lafontaine hervor.
„Ohnehin kann man nur darüber staunen, dass den deutschen Waffenlieferungsbefürwortern nicht bewusst ist, dass die Frage, ob Deutschland Kriegspartei ist, letztlich nicht von ihnen oder vom Völkerrecht, sondern nur von Russland beantwortet wird. Ein Politiker, der die strategische Falle, in die er tappen würde, wenn er Taurus-Marschflugkörper lieferte, nicht sieht, sollte kein Verteidigungsminister sein.“
Gleiches gelte für den von den Vereinigten Staaten aufgespannten atomaren Schutzschirm. Ob die USA tatsächlich riskieren würden, dass ein Atomkrieg auch auf Amerika übergreift, und mit ihren Atomwaffen Europa verteidigen, hält Lafontaine für mehr als fragwürdig. Politiker, die sich auf von den USA gemachte Zusagen verließen, ließen Zweifel an ihrer Eignung aufkommen.
„Zweifel daran, ob er für dieses Amt geeignet ist, kommen auch auf, wenn er so redet, als sei Russland keine Atommacht. Damit konfrontiert, verweisen die deutschen Sofastrategen immer auf die atomare Schutzgarantie der USA. Diese war und ist aber eine Illusion. Kein US-Präsident würde nach einem russischen Nuklearschlag auf eine europäische Stadt die Zerstörung seines Landes durch die russischen Interkontinentalraketen riskieren.“
Lafontaine schließt mit der Anmerkung, die Europäer müssten aufwachen und ihr sicherheitspolitisches Schicksal selbst in die Hand nehmen, indem sie zu einer zwischen den Supermächten ausgleichende Friedensmacht werden. Dass er Pistorius für ungeeignet hält, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen, daran lässt der Beitrag Lafontaines keinen Zweifel. Schon allein, weil der Minister bereit ist, ukrainische Männer in einem immer weiter verlängerten Krieg als Kanonenfutter zu verwenden.
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