Wenn Freund*innen meine Speisekammer betreten und ihr Blick zufällig auf den in einem Fünfliterglas lebenden quallenartigen Pfropf fällt, kommt es nicht selten zu entgleisten Gesichtszügen. Um den Verdacht, ich würde meinen eigenen Alien züchten, aus dem Weg zu räumen, stelle ich dann klar, dass es sich hierbei um meine Kombucha-Produktionsstätte handelt und dass der in der Luft wabernde sauer-süßliche Duft ein Indiz für die emsige Fermentationsarbeit ist, die Hefen und Bakterien genau in diesem Moment leisten. Und das nur, indem man den als „Tee-Pilz“ bekannten Kombucha mit gezuckertem grünen oder schwarzen Tee füttert!

Die eigene Herstellung zu Hause hat einen wichtigen Vorteil: Man spart sich die Verpackung und den Transportweg – beides Faktoren, die bei industriell gefertigten Getränken Emissionstreiber sind. In deutschen Supermärkten findet man Getränke in einem Potpourri aus Verpackungen, die einfach oder mehrfach verwendet werden. Glas, Aluminium, Karton-Plastik-Gemisch oder PET: Sie alle ummanteln unsere liebsten Flüssigkeiten. Wie klimaschädlich die einzelnen Optionen sind, hängt vom Energieaufwand bei der Produktion, dem Material und dessen Recyclingfähigkeit, der Transportstrecke und dem Gewicht ab. Die harmlos anmutenden Getränkekartons sind dabei übrigens nicht die beste Wahl, da sie neben Papier noch aus mehreren Schichten Kunststoff und Aluminium bestehen. Allein der Marktführer Tetra Pak bringt jedes Jahr 721.000 Tonnen Plastik in Umlauf und der Materialmix erschwert das Recycling.

Auch Einweg-PET-Flaschen bestehen trotz sehr hoher Rücklaufquote durch Pfand im Schnitt nur zu 45 Prozent aus recyceltem Material. Selbst ihre im Vergleich ökobilanziell gut abschneidenden Mehrweg-Schwestern können es nicht mit dem selbst gemachten Drink aus der eigenen Speisekammer aufnehmen, denn sie müssen ja trotzdem hergestellt, transportiert und gereinigt werden. Wie immer gilt: Am besten ist der Müll, der gar nicht erst entsteht. Und deswegen steht auf meinem Kühlschrank ein Kombucha, aus dem ich in den eigenen vier Wänden mein eigenes Erfrischungsgetränk herstelle. Dazu braucht es nicht viel. Nur ein wenig Zeit, Muße und die richtigen Zutaten.

Der Kombucha sollte mit acht Gramm Tee und 100 Gramm Zucker „gefüttert“ werden

Die optimale Dosis, um den Kombucha zu füttern: acht Gramm Tee und 100 Gramm Zucker auf einen Liter Wasser. Die im Pilz enthaltenen Hefen spalten dann den Zucker in CO₂ und Alkohol, welcher wiederum von den Bakterien in organische Säuren umgewandelt wird. Nach ein bis zwei Wochen ist durch Fermentation ein sprudelndes Getränk voller Vitamine, Mineralstoffe und lebender Mikroorganismen entstanden, dessen Geschmack irgendwo zwischen Naturwein, Essig und Eistee liegt und dem man zahlreiche positive Effekte auf die Darmgesundheit zuschreibt.

Wer Kombucha brauen möchte, braucht neben Tee, Zucker und einem Glasgefäß natürlich noch das Wichtigste: einen Scoby. So nennt man die Kultur aus Bakterien und Hefe, aus welcher der Pilz besteht. Die Abkürzung steht für „symbiotic culture of bacteria and yeasts“. Die Beschaffung eines Scobys ist ganz einfach: Auf Kleinanzeigen reiht sich ein Angebot ans nächste. Das hängt vermutlich mit dem unerschöpflichen Vermehrungsdrang des Scobys zusammen. Dieser produziert nämlich Babys in Form von dünnen Zelluloseschichten, mit welchen man in kürzester Zeit den gesamten Freundeskreis ausstatten kann.

Für diejenigen, die sich nicht mit dem sauren Geschmack des Kombuchas anfreunden können, lockt der Teepilz mit anderen Verwendungsmöglichkeiten. So wird er, wenn man ihn trocknet, sehr robust und ist seit ein paar Jahren in der nachhaltigen Modewelt als vegane Lederalternative bekannt. Nur an der Feuchtigkeitsresistenz wird noch gefeilt, denn wenn man nicht aufpasst, wird das Gewebe im Regen zersetzt und man steht in einer verformten Glibberschicht und nicht mehr im schicken Kombuchamantel da.

Vielversprechender ist hingegen der Ansatz der polnischen Firma „Make Grow Lab“, die aus Scobys und anderer Bakterienzellulose kompostierbare Verpackungen für Lebensmittel und weitere Alltagsprodukte herstellt. Gerade befindet sich die Produktion noch in der Testphase. Aber wenn es gelingen sollte, könnte ich bald eine Kreislaufwirtschaft in der Speisekammer haben: Dann kann ich aus meinem Kombucha eine Verpackung für Zucker und Tee machen, womit ich den Pilz wiederum füttere. Wie toll!



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Von Veritatis

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