Der diesjährige Fußball-EM-Sommer soll, wenn es nach den DFB-Strategen geht, wieder wie im Märchen werden – schöne Bilder auf allen Ebenen inklusive. Darin kennen sich die Funktionäre und ihre Werbeprofis aus. So haben sie gleich mal begonnen, mit dem fetzigen Slogan „Wir für Euch“ dem Nationalteam („Die Mannschaft“) als Leitfaden ein buntes Rahmenprogramm für die Sportler zu basteln, die sich auf die Europameisterschaft vorbereiten und dazu, klar, auch Trainingslager und Lehrgänge absolvieren. Und weil sie schon mal da sind, wie im thüringischen Blankenhain nahe Weimar, wird in der Rubrik „PR-Aktion“ eine soziale Einrichtung, eine Tafel besucht. Ja, schön sind die Bilder, lässig der Müller von Mir san mir FC Bayern. Für einen Tag gibt es dazu sogar mehr für die Bedürftigen bei dieser Tafel als sonst – und ganz gratis viel Mitgefühl und Charity der reichen Kicker. Ein Kommentar von Frank Blenz.

Man lässt sich nicht lumpen: eine ganze Palette für einen Extra-Tag des Glücks bei der Tafel

Was ist das für ein schöner Tag gewesen im thüringischen Blankenhain, einer kleinen Stadt bei Weimar, idyllisch, beschaulich und doch mit den gleichen Problemen belastet wie überall im Land: Viele, zu viele Menschen sind auf Lebensmittel von der Tafel angewiesen. Doch dann geht die Sonne auf, zwei breit grinsende, hilfsbereite, sympathische Fußballer tauchen bei der Tafel, bei den Bedürftigen auf. Nicht einfach so: Die Medien erscheinen zahlreich, sie spielen das Spiel „Wow, das ist doch unser Thomas, der Müller“ mit, und der weniger berühmte Chris Führich (Stuttgart) spielt auch mit. Die fleißigen Tafelleute spielen mit, sie scheinen zumindest dankbar zu sein, die Kunden stellen sich brav an – der PR-Termin „Schaut her, unsere Fußballjungs haben das Herz auf dem richtigen Fleck“ ist einfach richtig was für Emotionen und eines der ersten Kapitel für das neue Sommermärchen. Eine ganze Palette haben Müller und Führich dabei, sie ziehen die schwere Ladung auf das Tafel-Gelände. Sie stellen sich bei der Ausgabe hin und verteilen Kaffee, Süßes, Nudeln, Eistee, mmmh. Für ein paar Stunden ist der graue Alltag vergessen – auf Seiten der Bedürftigen. Nicht überliefert ist, ob Müller und Führich die Waren selbst beschafft, selbst ausgewählt haben, ob sie selbst bezahlt haben. Nicht überliefert ist, ob Müller und Führich und die DFB-Delegation wissen, wie viele Tafeln es im Sommermärchen-Deutschland gibt und warum das so ist.

Immer weniger für immer mehr Bedürftige und viel Arbeit für die Tafelleute

Beeindruckend wirkte die volle Palette mit allerlei Leckereien und Lebensmitteln allemal und löste vielleicht auch etwas Bedauern bei den Ehrenamtlern der Tafel aus. Warum? Müller und Führich werden es nicht wissen, dass die Beschaffung von Waren, die die Tafel dann an ihre „Kunden“, Menschen mit wenig Geld in wirtschaftlicher und sozialer Not, weitergeben, eine ganz eigene, zunehmend schwierige Kunst ist. Man stelle sich vor: Tafel-Mitarbeiter fahren geduldig und regelmäßig Supermärkte, Bäckereien und weitere Lebensmittelanbieter an, auch private Spender, Institutionen. Sie erhalten dort solche Waren, die nicht mehr verkauft werden, verkauft werden dürfen, übrig geblieben sind und/oder extra für den Zweck der Verwendung für die Tafel bereitgestellt werden.

Klingt alles gut, wenn es da nicht einige Probleme gäbe. Erstens nimmt die Menge der „übrig gebliebenen“ Lebensmittel in den Märkten und bei den weiteren hilfsbereiten Anbietern kontinuierlich ab – aus verschiedenen Gründen, wie zum Beispiel die knallhart gewinnorientierte Markt-Bestückung mit Waren (keine Verluste werden per Algorithmus berechnet).

Zweitens nimmt die Zahl der Bedürftigen zu, die bei der Tafel vorbeikommen – und das im besten Deutschland … Ironie aus. Die Tafel-Organisatoren kämpfen und bitten um jede Obstkiste, um Gemüse, Tetrapack-Getränke-Paletten, um jede Position abgepackter Wurst, um Konserven, Pasta usw.

Nicht nur das, im Gegensatz zu den perfekten Waren auf der perfekten Palette, die Müller und Führich perfekt mit einem Hubwagen auf das Tafel-Gelände zogen, müssen die Tafelmitarbeiter im Alltag die Waren nicht selten sortieren, aussortieren, für eine Ausgabe vorbereiten: portionsweise, gerecht für alle – ein täglicher Kraftakt.

Der DFB ist derweil zufrieden, die Fans sind zufrieden, ist damit alles gut?

Tafelbesucher sind auch Fans, ja, vor allem die jugendlichen Fans, es sollen 150 gewesen sein, feierten in Blankenhain vollkommen berechtigt und offen die Fußballstars, die sich, so wurde von der PR-Abteilung für die Medien formuliert betont, sehr „fannah“ und „gut gelaunt“ „gaben“. Soso.

Nicht zu erfahren war, ob die Tafelbesucher in Blankenhain neben den Autogrammen ein paar Eintrittskarten zugesteckt bekamen. Zum Sommermärchen 2024 würde das gut passen. Man muss ja auch darauf hinweisen, dass Tafel-Kunden sich an und für sich keine der sündhaft teuren Tickets für das große Spektakel im eigenen Land leisten können.

Verstehen kann man die saftigen Preise schon, es sind ziemliche Kosten damit verbunden, der DFB, die UEFA, die Spieler – sie verdienen das viele Geld, das sie verdienen.

Nach der Tafel geht’s zum SEK, wow

Das Rahmenprogramm der EM-Vorbereitung, die Öffentlichkeitsarbeit hat es diesen Märchensommer in sich. Nach dem Tafelbesuch geht es für die Kicker zu einem besonderen Termin: Die Profifußballer schauen bei einem Polizei-Sondereinsatzkommando (SEK) Thüringens vorbei. Besonders Bundestrainer Julian Nagelsmann schwärmt über die Institution SEK, die

eine Mannschaft bilde, die absolut perfekt funktionieren muss, die in allen Situationen Lösungen haben muss und beim Thema Kommunikation ganz weit vorne ist.“

Perfekt zu kommunizieren, sich gegenseitig schützen, füreinander da sein auch in brenzligen Situationen, wenn es mal nicht so läuft, immer kühlen Kopf bewahren, Lösungen finden.“ Er sei „sehr gespannt“, was seine Stars von dem Termin berichten werden, „da gibt es viele Parallelen, die man übertragen kann“ in den Fußball. Vorgeschlagen hatte die Aktion der langjährige Team-Psychologe Hans-Dieter Hermann. „Eine gute Idee“, meinte Nagelsmann, aus der seine Spieler „viel rausziehen können“.

(Quellen: Rheinische Post, Ran)

Der Fußball wird nun auch salonfähig – für das Thema Rüstung

Die Zeitenwende läuft auf vollen Touren, auf allen Kanälen, nun endlich und kraftvoll auch im Sport. SEK-Besuche sind eine gute Idee und die Werbung für die Rüstung ebenfalls, wenn auch dezent (also kein Trikot-Sponsoring). Siehe dazu auch diesen Artikel der NachDenkSeiten von Jens Berger.

Ausblick: Wenn das erstarkte, wehrhafte Deutschland dann auch noch Fußball-Europameister wird, wäre der Triumph auf allen Ebenen perfekt, insbesondere auch für die Freunde aus Rüstungskreisen. Es wäre dann so wie im Märchen, aber diesmal mit einem anderen Ende. Der Wolf verspeist am Schluss das Rotkäppchen doch.

Titelbild: Screencap Ran.de



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Von Veritatis

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