Der Chef von Deutschlands größter Reederei Hapag-Lloyd liebäugelt zum Erreichen der Klimaziele seines Unternehmens auch mit Kernkraft.
„Atomreaktoren haben gewisses Potenzial, weil sie zur Dekarbonisierung einen wichtigen Beitrag leisten können“, sagte Rolf Habben Jansen dem „Spiegel“. „Wahrscheinlich ist es von den Kosten auch akzeptabel und wir wären wieder in der Lage, etwas schneller zu fahren.“
Studien nötig
„Ich bin der Meinung, dass man das nicht ausschließen sollte, ehe man es nicht gründlich untersucht hat“, sagte der 57-Jährige, dessen Vertrag erst kürzlich bis März 2029 verlängert wurde. „Moderne nukleare Flüssigsalzreaktoren sind nicht vergleichbar mit so großen Anlagen wie denen auf militärischen Flugzeugträgern“, sagte Habben Jansen.
Bei den Überlegungen seines Unternehmens will er auch die in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern stärker ausgeprägte Angst vor Atomkraft ernst nehmen, vor Nuklearschiffen vor dem Hamburger Nobelstadtteil Blankenese.
„Diesen Faktor muss man sicherlich berücksichtigen und man muss sich auch anschauen, wie gefährlich das ist. Also um welche Reaktoren geht es genau und welche Risiken gehen tatsächlich von ihnen aus“, sagte er.
Einen Atomfrachter gab es schon einmal
Bis man wisse, ob ein Atomantrieb tatsächlich eine realistische Option sei, könne es aber noch lange dauern. „Vielleicht wissen wir es auch erst nächstes Jahrzehnt“, sagte Habben Jansen. Es fänden derzeit allerhand Studien über neue Antriebstechnik statt – auch mit Nuklearenergie.
Sollte sich Hapag-Lloyd irgendwann für den Einsatz von Atomfrachtern entscheiden, wäre es ein Comeback. In den Siebzigerjahren hatte das Unternehmen mit der „Otto Hahn“ eine Zeit lang bereits Deutschlands erstes und einziges Nuklearfrachtschiff bereedert.
Russland verfügt über eine große Flotte von Atomeisbrechern, die für Operationen in der Arktis konzipiert sind. Der erste Atomeisbrecher „Lenin“ wurde 1959 in Dienst gestellt. Aktuell sind mehrere moderne Atomeisbrecher der „Arktika“-Klasse (Projekt 22220) im Einsatz, darunter die „Arktika“ (2020), „Sibir“ (2022) und „Ural“ (2022).
Im zivilen Bereich selten
Frachtschiffe mit Atomantrieb gibt es, aber sie sind selten, vor allem im zivilen Bereich. In der Vergangenheit wurden einige zivile Schiffe mit Atomantrieb gebaut, wie die deutsche „Otto Hahn“ (1968), die amerikanische „NS Savannah“ (1962) und die japanische „Mutsu“ (1970).
Diese Schiffe wurden jedoch nach einigen Jahren wegen wirtschaftlicher Ineffizienz und Sicherheitsbedenken außer Dienst gestellt, auch weil die Häfen ihnen wegen der vermeintlichen Risiken ihrer Leichtwasser- und Druckwasserreaktoren die Einfahrt verweigerten.
Gegenwärtig gibt es ein erneutes Interesse an Nuklearantrieben für zivile Schiffe. So hat beispielsweise das norwegische Schiffbauunternehmen Ulstein ein Konzept für ein Mehrzweckschiff vorgeschlagen, das mit einem Thoriumschmelzsalzreaktor (MSR) angetrieben wird und das ihrer Ansicht nach zu einer emissionsfreien Schifffahrt führen und als schwimmendes Kraftwerk für andere batteriebetriebene Schiffe dienen könnte.
In ähnlicher Weise plant China den Bau des KUN-24AP, eines riesigen Containerschiffs, das von einem Schmelzsalzreaktor der vierten Generation angetrieben wird, der mehr Sicherheit und keine Emissionen verspricht. (dts/red)