„Ein trauriger Abend“ – das sei es laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung gewesen. Die Rede ist vom Samstagabend und einem Konzert des schottischen Sängers Rod Stewart. Und das Blatt hat recht, es war tatsächlich ein „trauriger Abend“. Allerdings anders, als es FAZ-Autor Bernhard Spring meint. Traurig war nicht, dass das Publikum Stewart für seine Hetze gegen Putin ausbuhte. Das war stark. Traurig war, dass der Weltstar auf der Bühne vor einem Bild des ukrainischen Präsidenten Selenskyj salutierte. Ja, Sie haben richtig gelesen: salutierte. Das war traurig, verstörend und zeigt einmal mehr: Gratismut ist weit verbreitet. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Es gab eine Zeit, da hat die Musik das dreckige Spiel westlicher Kriegspolitik durchschaut. Musiker und Bands haben Kriege mit wahrlich kritischen Worten angeprangert. Und heute? Salutieren vor dem Krieg. Genauer gesagt: Rod Stewart hat gezeigt, wohin es führt, wenn ein Musiker ein Statement zur Weltpolitik abgeben will, die er intellektuell nicht durchdrungen hat. „Fuck Putin!“ hat Stewart laut Medienberichten bei seinem Auftritt ins Mikro geschrien. Doch damit nicht genug: Auf großer Leinwand hinter dem Sänger ist ein Bild des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sehen. Stewart dreht sich um und salutiert vor dem Präsidenten.

Vermutlich glaubte Stewart, er würde vor einem Präsidenten strammstehen, der doch ein Held sein muss. Schließlich: Ist Selenskyj etwa nicht derjenige, der den großen Mut hat, die schwache Ukraine gegen einen schier übermächtigen Gegner zu verteidigen? Ist Selenskyj etwa nicht der Präsident, der einem brutalen, rücksichtslosen Überfall Russlands auf sein Land die Stirn bietet? Ist er nicht etwa derjenige, der sich mit seinen Landsleuten gegen Russland zur Wehr setzt und damit „uns“ allen einen Schutz vor feindlichen Soldaten bietet? Stünden russische Soldaten nicht morgen schon in Berlin, wenn die Ukrainer sie nicht daran hindern würden?

Ja, so sieht wohl die Wahrnehmung aus, wenn man die Medienrealität aus den Gazetten des Mainstreams als Abbild der realen Realität betrachtet. Tragisch ist das! Sehr tragisch.

Stewart verfügt aufgrund seiner Bekanntheit über die Möglichkeit, ein Statement abzugeben, das dringend benötigt wird. Die Gefahr eines großen Krieges ist Realität. Hier sind insbesondere die großen Künstler gefragt, die die Lügen und Manipulationen der Politik durchschauen. Künstler, die die Bühne nicht zur Pseudokritik nutzen und damit einmal mehr den weitverbreiteten Gratismut bedienen. Künstler sind gefragt, die begreifen, dass von großen Medien verbreitete „Wahrheiten“ oft genug machtelitär und weltanschaulich kontaminiert sind, das heißt auch: dass hinter den scheinbar unumstößlichen Erzählungen handfeste Machtinteressen stehen.

Künstler, die das begreifen, wissen: Die Kriegssituation in der Ukraine ist nicht durch einen Akt Putin’scher Selbstzeugung entstanden – auch wenn Russland die Ukraine überfallen hat. Sie ist im Hinblick auf eine schmutzige Tiefenpolitik und handfeste geostrategische Interessen von allen involvierten Parteien zu verstehen. „Fuck Putin!“ – das lässt sich leicht sagen von der sicheren Bühne, die über 2.000 Kilometer entfernt von der Front steht. „Fuck Putin!“ – das lässt sich auch leicht sagen als Weltstar, der vermutlich auf zig Millionen gebettet ist, während so manch armer Ukrainer, der aufgrund fehlender finanzieller Mittel den Absprung aus dem Land nicht geschafft hat, von Rekrutern auf der Straße gegen seinen Willen eingezogen wird. „Fuck Putin!“ – das hilft den hunderttausenden toten, verstümmelten und traumatisierten Soldaten keinen Millimeter weiter.

Stewart zeigt mit seinem Auftritt, was passiert, wenn die Einverleibung eines Feindbildes abgeschlossen ist. Dann ist die Ursache für ein Übel dieser Feind. Und auf diesen richtet sich die Wut. Für die Komplexität der Realität ist kein Platz mehr. Weite Teile des Leipziger Publikums haben großen Respekt verdient. Videoaufnahmen zeigen: Sie haben sofort begriffen, dass Stewart mit seinem Verhalten zum Propagandisten mutierte. Und schnell hat das Publikum mit Pfiffen und Buh-Rufen reagiert. Aus psychologischer Sicht war das bestimmt nicht einfach. Wer geht zu einem Konzert von Stewart? Es müssen Fans sein. Leute, die viel Sympathie und Liebe für den Musiker und seine Lieder aufbringen. Da kostet es Überwindung, den Künstler, den man eigentlich mag, dem man eben noch applaudiert und den man gefeiert hat, auszubuhen. Das Leipziger Publikum hat viel Rückgrat bewiesen. Respekt! Mit einem „traurigen Abend“ hat das Verhalten des Publikums nichts zu tun. Im Gegenteil. Stewart hingegen hat mit seinem Verhalten einen tatsächlich traurigen Auftritt abgeliefert. Stewart kam als Weltstar. Gelandet ist er als Bettvorleger einer komplexen Machtpolitik, die er nicht durchschaut hat. Tragisch.

Titelbild: Screenshot Bettina Schwarz/YouTube



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Von Veritatis

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