Mein erstes Fehlinvestment verdanke ich einer Frau. Genauer gesagt meiner Neigung, der bodenständig wirkenden Finanzberaterin bei der einen Bank mehr zu vertrauen als dem glatt auftretenden männlichen Anzugträger bei der anderen. Bei ihm war ich weggelaufen, weil er so gar nicht meine Sprache sprach, von wegen „Renditeziel“ und „Welcher Anlagetyp sind Sie?“. Von ihr ließ ich mir eine Rürup-Rente aufschwatzen. Wenn ich die Frau richtig verstanden habe, hatte sie sich über das Rürup-Modell selbst gerade erst schlaugemacht, was aber mein Vertrauen in ihre Beratung keineswegs schmälerte. Im Gegenteil, die hilflose Art, mit der sie mir das Modell zu erklären versuchte, irgendwas mit Steuervorteilen jetzt und Rendite später, war mir so sympathisch, dass ich zur Unterschrift bereit war, obwohl ich nichts wirklich verstanden hatte. Das Versprechen von „sicherer Anlage“ und „Rentenlücke schließen“ reichte mir.

Die Fonds sollte ich selbst aussuchen, weil man mich nicht übertölpeln wollte

Was sollte auch schiefgehen: Ich zahle was ein und kriege später was raus. Es dauerte lang, bis mir klar wurde, dass eine Rürup-Rente vielleicht für manche von Vorteil ist, aber nicht für mich. In den Genuss der Steuervorteile bin ich jedenfalls nie gekommen, und die 96 Euro im Monat, die ich dereinst aus dem Vertrag kriegen werde, schließen keine Rentenlücke. Welche Verzinsung es gibt, welche Kosten der Versicherer für sich abrechnet und wie alt ich eigentlich werden muss, um je meinen angesparten Betrag ausbezahlt zu bekommen – solche Fragen habe ich nicht gestellt, weil ich gar nicht wusste, dass sie wichtig waren.

Trotz dieser ersten Enttäuschung nahm ich auch bei meinem zweiten Anlauf, meine finanzielle Lage im Alter zu verbessern, ein explizites Frauenangebot wahr. Diesmal wollte ich die Banken umgehen und wandte mich an eine „Frauenfinanzberatung“. Es kam mir alles sehr viel kompetenter vor; die Frauen schienen genau zu wissen, was mir fehlt: eine auf Fonds basierende Riesterrente (nun ja, das war vor zehn Jahren) und ein eigenes Depot mit noch mehr Fonds. Weil man mich nicht übertölpeln wollte, sollte ich mir Letztere selbst aussuchen. Dazu wurden mir ein kleiner Ordner mit vielen Diagrammen zu einzelnen Fonds und das Geldberaterbuch einer Brigitte-Autorin in die Hand gedrückt. Mit Ersterem war ich vollkommen überfordert, weshalb mich Letzteres umso besser „abholte“. Im Brigitte-Ton wurde da erklärt, was Aktien sind und dass man vor dem Handeln an der Börse keine Angst haben sollte. Die hatte ich aber trotzdem.

Bloß nicht blöd dastehen!

Um vor den kompetenten Frauen nicht ganz doof dazustehen, kreuzte ich schließlich ein paar der vorgeschlagenen Fonds an, die angeblich auch meinem wohl typisch weiblichen Begehren nach Nachhaltigkeit, Ökologie und wenig Risiko entsprechen sollten. Richtig schlau kam ich mir vor, als ich fragte, ob die für mich kostenlose Beratung dadurch bezahlt würde, dass sie für meine Käufe Provision bekämen. Sie nickten. Ich war einverstanden. Was ich nicht wusste und was ich auch im Brigitte-Buch nicht deutlich erklärt fand, war die Tatsache, dass sie nicht nur einmalig, sondern fortan ständig ein bisschen an meinen Fonds mitverdienten. Bestandsprovision, es ist nicht viel, aber es läppert sich. Nur leider nicht auf meiner Seite.

Weshalb war ich überhaupt so viel empfänglicher für den Rat von Frauen? War das nicht eine fehlgerichtete Hoffnung auf Verständnis, wo Eingestehen von Unkenntnis wichtiger gewesen wäre? Und überhaupt: Hat mir etwas an der auf mich als Frau zugeschnittenen Beratung eigentlich speziell geholfen? In besagtem Brigitte-Buch oder auch in Bestsellern wie Girls Just Wanna Have Funds werden Finanzen mit dem gleichen Frauenzeitschriften-Pragmatismus angegangen, mit dem man seinen Kleiderschrank optimiert: Man soll Introspektion betreiben, herausfinden, was zu einem passt, und dann eine To-do-Liste erstellen. Aufkommende Zweifel über Langzeitrisiken oder verborgene Kosten werden mit aktivistischer „Du schaffst das“-Attitüde weggebügelt. Hauptsache, „frau tut was“ für ihre eigenen Finanzen. Was am Ende vielleicht wirklich das Wichtigste ist.



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Von Veritatis

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