Er will Kanzler werden – und wird es wahrscheinlich auch. Friedrich Merz ist fast 70, zweimal gescheiterter Kandidat und eigentlich ein Politiker von gestern. Das meinen zumindest viele seiner Gegner: Friedrich Merz, der alte weiße Mann aus den 90ern. Und irgendwo stimmt das ja auch: Wenn man ihm zuhört, hört man die Bonner Republik. Das alte Konservative, das man bei der Union schon fast verloren geglaubt hatte, scheint bei Merz durch. Bei seiner boomer-bürgerlichen Empörung, die ihn so oft zu packen scheint. Bei seinen Reden, bei eigentlich allem, was er sagt.

Reicht das, um Kanzler zu werden? Viele meinen: Ja. Die CDU/CSU zumindest steht mit ihm als Spitzenkandidat unangefochten an der Spitze. Und die 90er, in die Merz angeblich zurückwill, sind im Angesicht der Gegenwart vielleicht keine so schlechte Aussicht. Das Land will Wechsel, hat vom sogenannten „Fortschritt“ der „Progressiven“ längst genug. Damit profitiert Merz vor allem von seiner Rolle als Oppositionsführer.

Für die CDU trat er als konservativer Erneuerer an. Mehrmals verhinderte ihn das Merkel-Lager und setzte erst Annegret Kramp-Karrenbauer, dann Armin Laschet gegen ihn durch. Schließlich, als 2022 einmal nicht die Delegierten und Funktionäre, sondern die Mitglieder an der Parteibasis die Entscheidung fällten, gewann er deutlich. Zu Tränen gerührt nahm Merz das Wahlergebnis damals an, zeigte sich mit stockender Stimme „tief bewegt“. Was er für die CDU war, will er jetzt auch für Deutschland sein – der konservative Erneuerer.

Merz 2022 auf dem Landesparteitag der CDU Berlin

„Ich schmeiß‘ hin“

Seine Emotionen – die sind echt. Und gleichzeitig ein großes Hindernis, wenn man so manchen Geschichten glauben darf, die medial über ihn erzählt werden. Merz, so heißt es, habe gerne mal einen Ausbruch. Oft scheint er in Trotzreaktionen zu verfallen oder er wird wütend, ergeht sich in seinem herausbrechenden Frust. Der Ausspruch „Ich schmeiß’ hin“ soll schon öfter vom CDU-Parteichef gefallen sein, wenn es innerparteilichen Gegenwind gab.

Der Spiegel beschreibt in einem Porträt aus dem Frühjahr eine Situation: Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Merz‘ linker Konkurrent innerhalb der CDU, schrieb einen Gastbeitrag in der FAZ, der nicht weniger ein offener Angriff auf den Parteichef war. „Das Herz der CDU schlägt in der Mitte“, lautet die Überschrift des Textes, der Merkels Politik von „Modernität“ und „Mitte“ lobt und, kaum verhohlen an Merz gerichtet, erklärt: „Wer nur die billigen Punkte macht und den Populisten hinterherrennt, der legt die Axt an die eigenen Wurzeln und stürzt sich selbst ins Chaos“.

Klare Spitze – die Merz nicht verträgt. Der Text habe den CDU-Chef wutentbrannt ins emotionale Chaos gestürzt. „Ich schmeiß hin“, so wird er von seinem Umfeld zitiert. „Ich sag gleich im Bundesvorstand, dass der Wüst das machen soll. Soll der doch auch morgen die Rede halten. Ich hab’ die Schnauze voll. Das ist eine Schweinerei“.

Ehrlich und nahbar – aber reicht das?

Erst Wolfgang Schäuble, sein enger Vertrauter, soll es damals geschafft haben, Merz über Stunden zu beruhigen. An der Bundesvorstandssitzung am Abend nahm er trotzdem nicht mehr teil, stattdessen fuhr er nach Spiegel-Informationen nach Hause, um runterzukommen. Für einen Parteivorsitzenden schlecht – und für einen Kanzler erst recht. Merz zeigt sich von der politischen Gemeinheit empfindlich berührt. Das ist menschlich echt, aber es spricht nicht für ihn. Vertraute Schäubles erzählen dem Spiegel, dass dieser bis zuletzt gezweifelt habe, ob Merz das Zeug zum Kanzlerkandidaten und Kanzler habe. Ob er etwa die nötige Härte und Entschlossenheit mitbringe – dahinter setzte Schäuble ein Fragezeichen.

Schäuble selbst berichtete wenige Wochen vor seinem Tod noch von einem Gespräch, in dem er „Friedrich“ genau diesen Gedankengang nahelegte – „du musst nicht mehr Kanzler werden. Wenn du es schaffst, dass die CDU wieder den Kanzler stellt, dann hast du deinen Auftrag erfüllt. Du musst es nicht selbst machen“. Merz habe geantwortet, er sehe das auch so. Doch Ratgeber Schäuble ist inzwischen verstorben, und bei Merz scheint diese Einsicht auch nicht von Dauer gewesen zu sein.

Konservative Politik? „Ich will das nicht“

Man merkt Merz an – er ist ein Mensch mit Überzeugungen. Wenn er nach dem Messer-Anschlag von Solingen wütend „Es reicht!“ ruft, nimmt man ihm diese Wut auch ab. Er ist ein Mann, der sicher oft das Richtige glaubt, es aber offenbar nicht umsetzen kann. Dazu scheint er zu schwach. Seine vollmundigen Ansagen nach Solingen haben sich inzwischen in Rauch aufgelöst – statt vor den Folgen unkontrollierter Masseneinwanderung warnte er nach dem Kollaps der Regierung vor „Zufallsmehrheiten“ mit der AfD und gab so völlig offen jeden Anspruch auf, Unions-Politik tatsächlich umzusetzen.

„Ich will das nicht“, sagte er zu der in naher Zukunft wahrscheinlich einmaligen Chance, mit offenen Mehrheiten im besten Sinne der parlamentarischen Demokratie Dinge zu schaffen. Das war ein schwerer Schaden für seine Glaubwürdigkeit – erst poltert er lautstark gegen unhaltbare Zustände, die er zu verändern sich doch nicht traut?

Das scheint vor allem an Merz‘ fundamentaler Ablehnung der AfD zu liegen. Süddeutsche-Journalistin Mariam Lau ist überzeugt: Merz findet die von der AfD „richtig widerlich“. Er grüßt sie nicht mal im Aufzug – das berichtet auch Alice Weidel. Gleichzeitig verachten viele in der AfD auch Merz, äußern sich abschätzig über den Herrn aus der „Bonner Republik“ und rechnen mit seiner Schwäche, die der AfD den Weg bis ganz nach oben ebnen soll. Viele in der AfD wollen mit der Union nicht koalieren, sondern sie ersetzen. Kurzum: Das Verhältnis zwischen der Merz-CDU und der AfD ist, gelinde gesagt, schlecht. So wird aber auch klar, dass Merz viele seiner Standpunkte nicht umsetzen können und aufgeben wird.

Manche Beobachter meinen, dass er genau das tun müsse und tun werde – Standpunkte aufgeben, wieder eine formlose „Mitte“-Politik machen. Dass Merz aus der CDU eine klar konservative und wirtschaftsfreundliche Partei mache, das sei „so ein bisschen die Erwartung seiner Fans“, meint Daniel Goffart, Chefkorrespondent der Wirtschaftswoche. „Aber Friedrich Merz ist schon klug genug – das hat er festgestellt bei seiner Rückkehr – dass er mit so einer klaren Profilierung auf rechts und wirtschaftsfreundlich die CDU als Volkspartei nicht ausreichend darstellt. Und wahrscheinlich auch keine Chance hätte, irgendeine Wahl zu gewinnen.“ Das sagte er 2022.

Seitdem hat sich einiges geändert, der Wähler ist weiter nach rechts gerückt. Die Floskel, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden, hat viel Wahrheitsgehalt verloren in einer Zeit, in der die Mehrheit der Menschen auf Veränderung weg von Links hoffen. Seine Warnung vor „Zufallsmehrheiten“ legt nahe, dass ihm nicht klar ist, was die Stunde geschlagen hat. Die klare Profilierung auf rechts und wirtschaftsfreundlich wäre das, was die CDU jetzt braucht. Und zwar nicht nur im Programm, sondern in der Tat.

In ganz Europa ist die Christdemokratie als politische Strömung tot oder liegt zumindest im Sterben, getötet von der eigenen Schwäche und von genuin rechten Parteien. In Frankreich sind die konservativen Republikaner, die vor 20 Jahren noch jenseits der 30 Prozent standen, eine Randerscheinung geworden. In Italien spielen die Christdemokraten im Bündnis um Georgia Meloni bestenfalls noch zweite Geige. In Österreich lähmte sich die ÖVP in einem Bündnis mit den Grünen und ließ sich so schlussendlich bei den Nationalratswahlen 2024 den Rang von der FPÖ ablaufen. Die VVD in den Niederlanden blieb zuletzt ebenfalls deutlich hinter der rechten PVV von Geerd Wilders zurück. Das deutsche Parteiensystem ist in dieser Hinsicht noch eine europäische Anomalie – aber was in Europa schon passiert ist, droht in Deutschland auch für die Union.

Dazu kommt auch noch das demografische Problem: Die Union profitiert in erheblichem Maße von den Gewöhnungs-Wählern der älteren Generationen. Die Rentner, die „schon immer CDU gewählt“ haben und oft glauben, sie wählten damit im Grunde noch Adenauer. Die Vermutung, dass der häufigste Austrittsgrund von CDU-Parteimitgliedern der Tod ist, ist wahrscheinlich nicht sonderlich weit hergeholt. Bei jungen Menschen hingegen sieht es für die Union dauerhaft düster aus. Nicht, weil die jungen Menschen links sind – sondern weil die Union zu verstaubt und unglaubwürdig ist.

Daher hat Merz ab 2025 genau eine Chance, den politischen Tod der Christdemokratie in Deutschland noch abzuwenden oder wenigstens zu verzögern. Dazu müsste er aber umsetzen, was seine Partei verspricht. Stattdessen bereitet er sich scheinbar jetzt schon auf irgendeine Spielart von Schwarz-Links vor und erklärt öffentlich, konservative Politik nicht parlamentarisch umsetzen zu wollen. Dass er etwa 2022 im Fernsehen für die CDU freimütig bekannte: „Wir sind nicht die deutschen Konservativen“, wirkt dazu noch wie eine Bewerbung als Totengräber.

Diese anachronistische, innere CDU-Logik der „Volkspartei“ mit ihrem „konservativen, liberalen und christlich-sozialen Flügel“ gewinnt aber keine Wahlen mehr. Menschen wollen klare Politik und keine irgendwie-alles-Partei. Es bleibt fraglich, ob Merz das wirklich begriffen hat oder in der Umsetzung richtiger Forderungen am Ende defizitär bleibt.

Kein deutscher Trump – und schon gar nicht Milei und Musk

Dieses Umsetzungsdefizit belastet Merz am schwersten. Immer weniger Menschen glauben ihm, was er sagt – weil er sich eben nicht traut, es umzusetzen, selbst wenn er könnte. Und dann dieses Umfallen: Er fordert etwas, es gibt Kritik, er rudert zurück. Immer wenn man denkt, er mache gerade vieles richtig, enttäuscht er den konservativen Wähler. Er haut einen Spruch raus, wo jeder Stammtisch „Jawoll“ sagt – dann hält er das Echo nicht aus. Er glaubt wohl oft das Richtige, er sagt es sogar, aber er macht es nicht.

Feindselige Medien, etwa das notorisch linke WDR-Magazin Monitor, charakterisieren Merz gerne als „deutschen Trump“. Aber er ist eben genau das nicht – denn ihm fehlt, so scheint es, der Mumm und die Abgebrühtheit. Ein Trump bricht mit Konventionen, in denen Merz verhaftet bleibt. Ein Trump stellt sich gegen eine feindliche Presse, während Merz vor ihr kuscht.

Die linksmediale Diskursmacht über Trump war zerbrochen, als er sie „Fake News“ nannte und damit klarmachte: eure Kampagnen prallen an mir ab. Merz hingegen lässt sich oft als Prügelknabe der Medien durch die Manege treiben – die Hauptstadtpresse konnte ihn schon oft genug zu einem Rückzieher oder in ein entschuldigendes Zurückrudern treiben, wo Standfestigkeit ihm gutgetan hätte.

Aber will Merz überhaupt fundamentale Veränderungen in Deutschland? Wenn Christian Lindner vorsichtig davon spricht, „ein bisschen mehr Milei oder Musk“ wagen zu wollen, ist Friedrich Merz völlig empört und „entsetzt“. Er behauptet wahrheitswidrig, Milei ruiniere das Land, um in einem Nebensatz einzuräumen, dass er „ja nun auch nicht jeden Tag“ verfolge, was in Argentinien passiert. Erst spricht der CDU-Chef wie ein Editorial im Spiegel, dann räumt er auch noch ein, eigentlich gar keine Ahnung zu haben, wovon er redet. Fatal.

Dass Milei ein erfolgreiches Modell für weniger Staat, Bürokratie-, Kosten- und Regulierungsabbau etabliert, geht offenbar völlig am Oppositionsführer vorbei, es interessiert ihn auch nicht wirklich. Merz will nicht mal „ein bisschen Milei“, also nicht mal ein bisschen Aufbruch, ein bisschen Disruption und ein bisschen weniger Staat – bei solchen Gedanken ist er „völlig entsetzt“, bekannte er bei Maischberger. Woher man sich ausgerechnet im strukturell vermoderten, überbürokratischen Deutschland diese Arroganz nimmt, bleibt offen.

Gegen „Zufallsmehrheiten“: Friedrich Merz betritt Schloss Bellevue, um sich mit Rot-Grün zu treffen.

Der seltsame Zug zu den Grünen

Beim gleichen Auftritt kriegt er es dann nicht mal hin, Robert Habeck als seinen Wirtschaftsminister vernünftig auszuschließen – noch fataler. Andere Köpfe in seiner Partei wie Generalsekretär Linnemann müssen die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben bei solchen Aussagen. Will der Mann überhaupt Kanzler werden?

Oft sind es solche Einzelauftritte, die Wahlen mindestens mitentscheiden. Und Merz vermittelt in zu vielen Einzelauftritten mittlerweile konsequent den Eindruck: richtige Veränderung will er nicht. Seine Partei gibt sich zwar ein Wahlprogramm, das vor Steuerentlastungen, Bürokratieabbau, harter Kante bei Migration und vielen richtigen Forderungen nur so strotzt – sie wird es so nach der Wahl aber nicht umsetzen. Und vor der Wahl, wo es wirklich mal ginge, schon gar nicht – „Zufallsmehrheiten“, Sie wissen schon.

Der Wahlkampf läuft langsam heiß, aber von Merz merkt man nichts. Selbst Parteimitglieder fragen sich inzwischen, wo denn ihr Wahlkampf, ihre Kampagne sei. Akzente setzen Markus Söder und Carsten Linnemann – nicht der Kanzlerkandiat Man meint, Merz will gar nicht. Und eine seltsame, halbe Offenheit zu den Grünen schadet ihm auch jeden Tag mehr.

Dass er eine Koalition mit den Grünen nicht ausschließt – das sei an dieser Stelle sogar geschenkt. Aber warum dieses Labern, diese Unklarheit? Dann soll er zumindest so ehrlich sein und den Wählern glasklar erklären: Wir schließen auch diese Koalitionsoption nicht aus. Aber Wiesel-Formulierungen wie „mit diesen Grünen nicht“ werden von vielen als das wahrgenommen, was sie auch sind – als Dummverkaufen von Wählern. Am Ende wird man im Zweifel nämlich so tun, als wären Habeck und die Grünen über Nacht geläutert und völlig neue Politiker, mit denen man jetzt doch zusammenarbeiten kann. Machtperspektive macht neue Perspektive. Und was schert da schon das berühmte Geschwätz von gestern?

Es geht aber nicht darum, ob Robert Habeck zwischen Weihnachten und Neuwahl vielleicht einen Sinneswandel durchlebt und anschließend nur noch zu 80 Prozent an grüne Kommandowirtschaft glaubt – es geht um Grundsätzliches. Im Bundestag, bei der Debatte zur Vertrauensfrage, hatte Merz Habeck und die radikal-linken Wirtschafts- und Steuervorstellungen der Grünen politisch ordentlich eingesargt. „Gute Reise“, wünschte er Habeck mit diesen Ideen und erklärte: „Dann suchen Sie sich mal einen Koalitionspartner, der das mitmacht. Wir werden es nicht sein!“

Würde Merz immer so sprechen, gar so handeln, dann stünde die Union eher bei 40 als bei 30 Prozent. Aber dann verstolpert er wieder, rammt sich ohne Not einen Stock in die Speichen, setzt sich völlig von sich aus in die Nesseln und zwischen Rot-Grün. Er ist sich selbst der schwerste Gegner. Das hat Folgen: In den Umfragen scheint die Union aktuell eine gläserne Decke erreicht zu haben. Wirklich solide über 30 Prozent kommt man bisher nicht, die Partei stagniert laut ARD-Deutschlandtrend in einer leichten Negativtendenz. Die Dynamik, das Wachstum, was etwa zuletzt die SPD oder die AfD in Umfragen aufweisen konnten, fehlt der Union.

Schlafwagen ins Kanzleramt

Selbst die SPD schafft es trotz drei Jahren Chaos-Koalition und schlechter Scholz-Bilanz, so etwas wie Dynamik im Wahlkampf zu erzeugen. Die AfD treibt die anderen auf ihrem Umfrage-Erfolgskurs vor sich her, schließt den Abstand zur Union. Dieser Tage ist die Ex-Ampel-Partei FDP glaubhafter in ihren Ansagen als die Merz-CDU, und das liegt am Chef. Bei Lindner scheinen immer mehr zumindest glauben zu wollen, dass die Erkenntnis gereift ist, dass es mit Rot-Grün nicht vernünftig geht. Merz hingegen strahlt genau das nicht aus. Schafft es die FDP in den Bundestag, wird sie es vor allem diesem Gegensatz zu verdanken haben.

Inzwischen strahlt Merz eigentlich gar nichts mehr aus. „Schlafwagen ins Kanzleramt“ – damit machte die CSU 2021 Armin Laschet nieder. Jetzt ist der Satz wieder da, und Friedrich Merz scheint sich im Abteil hingelegt zu haben. „Wir müssen im Wahlkampf den Turbo zünden“, fordern CSU-Vertreter schon offen in der Bild-Zeitung. Die NZZ fragt: „Weiß Friedrich Merz, dass in knapp zwei Monaten eine Wahl stattfindet?“

Dabei war er fast das ganze letzte Jahr über kämpferisch. Er setzte die bundespolitischen Akzente. Nach dem Messer-Anschlag in Solingen stand er laut an der Spitze derer, die „es Reicht“ sagten und Maßahmen forderten. Nach dem Anschlag in Magdeburg trat Merz ganz bewusst in den Hintergrund, was man ihm positiv als staatsmännische Zurückhaltung auslegen kann.

Nur scheint er aus dieser Zurückhaltung nicht mehr herausgekommen zu sein. Glaubt er, dass der Wahlkampf schon gelaufen ist? Dass ihn Grüne oder die SPD ohnehin ins Kanzleramt tragen werden? Dass er schon Kanzler ist, weil man sich dieses Ergebnisses medial-öffentlich schon sicher ist?

Friedrich Merz ist ein Kandidat für die Basis und die Seele der CDU, ein Ibuprofen gegen den Merkel-Kater. Aber darüber hinaus scheint er nicht sonderlich begeisternd zu sein. Und er schafft es nicht, wirklich ein Gesicht für Veränderungen zu werden. Ein Schlafwagen-Wahlkampf hilft da nicht. Habeck proklamiert zum neuen Jahr einen klaren Machtwillen, Alice Weidel gibt sich kämpferisch – von Merz hört man nichts. Er scheint die Macht fast schon gewohnt und satt zu sein, bevor er sie hat. Die CDU und ihr bisher nicht-existenter Wahlkampf sind vor allem voller Lethargie. Nur zu hoffen, dass Scholz mit seinem schlechten Ruf schon schlechter performen wird, reicht aber nicht.

Denn es geht um viel – und für die CDU um alles. Da würde man etwas mehr Einsatz erwarten. Und für den ersten wirklichen postmerkel’schen Wahlkampf wären mehr Biss und mehr Klarheit sicher nicht schlecht. Dass Merz zwischen Habeck und Scholz bei Joko und Klaas im Fernsehen für fairen Wahlkampf auftrat, legten ihm manche missgünstig aus. Das wahre Problem ist aber, dass er mit Positionierungen inzwischen öfter mal zwischen Habeck und Scholz landet. Veränderung kann der Merz, der vor „Zufallsmehrheiten“ warnte und sich das Bett mit Rot-Grün schon gemacht zu haben scheint, nicht verkörpern. Und die Wechselstimmung, von der die Union ins Kanzleramt hätte getragen werden können, weicht mehr und mehr einer unbestimmten Lethargie.

Er wird mit der Union wahrscheinlich nicht schlecht abschneiden – aber eben auch längst nicht so gut, wie er könnte. Und es scheint ihm zunehmend auch egal zu sein, ob am Ende 35, 30 oder 26 Prozent rauskommen. Dass andere Parteien, wie etwa die SPD, immer noch in einem unerwarteten, finalen Sprint aufholen könnten, hat die CDU 2021 gelernt – und scheinbar schon wieder vergessen.





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Von Veritatis

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