„Mein Platz ist in Bayern“, erklärte Markus Söder im Wahlkampf 2021 mantraartig. Da wussten alle schon, dass er Kanzler werden wollte – nur er übte sich noch in seltener, aufgesetzter Bescheidenheit. Er wolle sich „rufen lassen“, hieß es aus CSU-Kreisen.

Am Ende rief man ihn nicht. Und Söders Ego war gekränkt – dass die Parteilogik innerhalb der Union ihn im Rennen mit dem deutlich unpopuläreren Laschet ausstach, verkraftete der CSU-Chef bis zum Wahltag nicht. Was folgte, waren tägliche Sticheleien, Sabotagen und Angriffe, die Laschet gezielt beschädigten. Das permanente Störfeuer aus München wird im Rückblick von vielen als ein Grund dafür gesehen, dass die Union am Ende die entscheidenden Prozente nicht holte und die Wahl gegen Scholz und seine SPD verlor.

Diese Zeiten will man nun beidseitig hinter sich gelassen haben – Merz und Söder versichern sich fast schon ritualisiert ihrer gegenseitigen Wertschätzung und des Vertrauens zwischen CDU und CSU. Söder beteuert, dass das Verhältnis zwischen Merz und ihm gut sei. Und es ist auch zweifellos besser als das desaströse Söder/Laschet-Verhältnis. Aber der CSU-Chef ist für seine politische Ruchlosigkeit bekannt – nicht nur Horst Seehofer und Armin Laschet werden einiges über seine „Schmutzeleien“ erzählen können.

Söder ist ein politisches Raubtier und nicht nur inhaltlich, sondern auch im persönlichen Umgang flexibel. Dass das gute Verhältnis zu Merz nicht bombenfest ist, zeigt so mancher Stich, den Söder jetzt schon setzt. Sein kleiner Privatkrieg mit CDU-Ministerpräsident Daniel Günther ist da nur ein Nebenschauplatz von Söders Hauptschlacht – er kämpft lautstark gegen Schwarz-Grün.

Söder ist unruhig – und er hat auch allen Grund dazu. Denn während Friedrich Merz noch immer in seiner seltsamen, halben Offenheit zu den Grünen herumirrt, ist „Nein zu Schwarz-Grün“ in München so etwas wie die ständige Tageslosung der CSU. Söder hat verstanden, dass eine Koalition mit den Grünen Gift für die Basis ist und politisch wenig Erfolg verspricht. Welche relevante Unions-Programmatik soll man mit den Grünen auch umsetzen?

Dazu kommt: Die Union scheint ihr reales Potenzial ausgereizt und eine gläserne Decke in den Umfragen erreicht zu haben. Dass CDU/CSU trotz denkbar guter Ausgangslage als erste Oppositionskraft gegen die historisch unbeliebte Ampel-Regierung nur bei knapp über 30 Prozent stehen, kann niemanden in der Partei zufriedenstellen. Da ist noch Luft nach oben, meinen viele. Und die Schuld liegt natürlich bei Merz – es ist sein Wahlkampf, er ist der Spitzenkandidat.

Und der Trend zeigt leicht nach unten – gleichzeitig steigen die Zahlen der AfD kontinuierlich. Merz wird wohl Wahlsieger werden: Dafür spricht noch immer alles. Aber wie gut – oder wie schlecht – wird sein Ergebnis werden? Am Ende könnte er als Pyrrhussieger vom Platz gehen. Und Söder könnte Blut riechen.

Denn schneidet der CDU-Chef als Kanzlerkandidat vergleichsweise schlecht ab, etwa zwischen 26 und 28 Prozent statt aktuell zwischen 30 und 31 Prozent, brennt es im Konrad-Adenauer-Haus. Dass in diesem Szenario vor allem die AfD die Union gar noch überholen könnte, ist eher unwahrscheinlich, aber sicher nicht unmöglich. Der Trend würde aktuell zumindest nicht dagegen sprechen. Und selbst eine Aufholjagd der SPD darf man nicht ausschließen. Ist der Abstand zur SPD am Ende empfindlich geschrumpft und hat die AfD mit der Union annähernd gleichgezogen, wird die CDU trotz nominellem Wahlsieg als Verlierer des Wahlabends vom Platz gehen.

Gemessen an der Ausgangslage der Union sind die aktuell prognostizierten 31 Prozent schon mau – Merkel holte selbst in ihrem letzten, müden Wahlkampf noch deutlich mehr. In dieser Hinsicht wird man alles unter 30 Prozent eigentlich als Watsche für die Union auffassen müssen – denn wer bei dieser Konkurrenz am Ende so mau abschneidet, hat sich das nur selbst zuzuschreiben. Die bisher völlig fehlende Dynamik im Unions-Wahlkampf verspricht in der Hinsicht keine Besserung.

Nach der knappen Laschet-Niederlage brach die CDU 2021 vorübergehend völlig in sich zusammen, war kopf-, orientierungs- und führungslos. Schon damals kochte ein Gerücht hoch – greift Söder jetzt doch noch zu? Am Ende tat er es nicht, auch wenn insbesondere manch konservative Kräfte ihn dazu drängten. Seine persönlichen Kanzler-Ambitionen werden seitdem nicht kleiner geworden sein.

Die Lage wäre jetzt anders – oder doch nicht? Eigentlich ist Friedrich Merz immer Darling der Konservativen in der CDU gewesen. Inzwischen aber hat er es sich zum Sport gemacht, ebenjene immer und immer wieder zu irritieren. Verhaut er den Wahlkampf noch, dann wird das Sägen an seinem Stuhl in Rekordzeit beginnen. Merz hat sich bereits völlig auf eine Koalition mit Grünen oder SPD festgelegt. Sollte am Wahltag insbesondere Schwarz-Rot keine Mehrheit finden, wäre Merz in einer Zwickmühle – Söder hat schließlich versprochen, kein Schwarz-Grün zuzulassen. Wenn Merz als angeschlagener emotionaler Wahlverlierer versucht ein schwarz-rot-grünes Bündnis zu bauen, hätte Söder die Gelegenheit für den perfekten Dolchstoß. 





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Von Veritatis

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