Nicht in Rollstühlen, aber auf Stühlen mit Rollen, flitzen drei alte Greise über die Bühne. Junge Pfleger in stylishen Krankenhauskitteln schieben sie an, im Rhythmus elektronischer Musik. Nacheinander ergreifen die Männer das Wort. Ob sie zu einander oder mit sich selbst sprechen? Das Rätsel bleibt ungelöst in dieser trägen Inszenierung.

Das Zwiegespräch am Wiener Akademietheater war mit Spannung erwartet worden. Immerhin legt die 32-jährige Regisseurin Rieke Süßkow ihr Regie-Debüt am renommierten Burgtheater hin. Und sie nähert sich einem Autor einer anderen Generation: Es ist der jüngste Text des österreichischen Literaturnobelpreisträgers Peter Handke, der wenige Tage vor der Premiere 80 Jahre alt gewor

80 Jahre alt geworden war.Die im März erschienene Buchvorlage hatte er zwei kürzlich verstorbenen Weggefährten gewidmet. Otto Sander und Bruno Ganz spielten 1971 famos in Handkes Ritt über den Bodensee, mit dem der Autor seinen Pop-Status festigte. Eine Erinnerung an damals, an „zwei besondere Narren“, könnte das Zwiegespräch also sein. Oder aber eine Reflexion darüber, wie das Leben nicht mehr ist. In ausschweifenden Dialogen umkreist der Text das hohe Alter, das „Großvatertum“.Regisseurin Süßkow, gebürtige Berlinerin, fügt der Vorlage mehrere Rollen hinzu. Drei Männer, gespielt von Hans Dieter Knebel, Martin Schwab und Branko Samarovski, sind hochbetagte Patienten in einem Pflegeheim. Das roboterhafte Pflegepersonal füttert und umschwirrt die Alten, beginnt schließlich in Telefonhörer hinein zu singen. Zu La Paloma spielen die Greise das Spiel „Reise nach Jerusalem“. Wer keinen Stuhl ergattert, wird vom Pfleger durch eine verhängnisvoll wirkende Tür bugsiert.Placeholder image-1Künstliches Licht erleuchtet die Szenen in flirrendem Grün, die Lamellen einer beweglichen Pappwand begrenzen die Bühne nach hinten. Unheimlich wirkt dieses Bühnenbild (Mirjam Stängl). Als würden im Pflegeheim unlautere Experimente gemacht.Im Laufe des Abends mischen sich zwei Krankenschwestern ein, dargestellt von Elisa Plüss und Maresi Riegner. Die jungen Frauen fallen den Alten ins Wort, übernehmen deren Erinnerungen und bauen daraus ihre eigenen Großvater-Geschichten. Krieg und Schützengräben beschreiben die Frauen in monotonem, gar ausdruckslosem Vortrag.Allzu offensichtlich produziert Süßkow einen Generationenkonflikt. Die Figuren kokettieren mit der Kontinuität von Traumata; mit Erlebnissen, deren Schmerz die Enkelinnen vererbt bekamen. Als künstlerisch omnipräsentes Thema kommt das wenig überraschend. Die Inszenierung erinnert etwa an Blutbuch, kürzlich mit dem Deutschen Buchpreis prämiert, dessen Hauptfigur in der Biografie der Großmutter kramt, um das „transgenerationale Trauma“ zu ergründen. Alt gegen Jung, ein Evergreen.Viel eher sind es die humorvollen Zugänge zum Altern, die diesen Abend retten. Martin Schwab kullert am Boden, weint und regrediert zum Kleinkind. Brabbelnd und ein wenig verwirrt stolpern die Männer von einer Erinnerung in die nächste. Dabei wahrt die Regie den notwendigen Respekt.Zum Schluss verliert die Inszenierung an Pfiff. Schwab wird auf einem Tisch aufgebahrt und mit Weintrauben gefüttert. Soll er ein alter Römer sein, oder doch Jesus? In der grotesken Szenerie tröpfeln die Monologe vor sich hin und verblassen als Opa-Geschwätz.Vielleicht auch, weil Souffleuse Berngard Knoll dem betagten Schauspieler den Text permanent zuflüstern muss. Als dramaturgischer Kniff liegt darin zwar eine sehr eigene Komik. Doch so wie die Greise ihren Text, hat auch das Publikum den Abend schnell wieder vergessen.



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Von Veritatis

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