Marcel Fratzscher, der Mann der Bundesregierung an der Spitze des DIW, einst ein Forschungsinstitut, heute ein ideologischer Legitimationsbeschaffer, macht sich Sorgen. Deutsche Hochschulen sind ihm nicht divers genug. Und so nimmt der die Abschaffung von Affirmative Action in den USA, also der Vergabe von Studienplätzen nicht nach Leistung, sondern nach Quote, zum Anlass, um für Affirmative Action an deutschen Hochschulen zu werben, und zwar, wie er schreibt, deshalb:
“Die Befürworter von Affirmative Action betonen vier Argumente:
- Es schafft mehr und nicht weniger Chancengleichheit und hilft, die Diskriminierung von Minderheiten zu reduzieren,
- mehr Diversität verbessert die Ausbildung und Qualifizierung für alle
- und in der Forschung ist eine Vielfalt von Perspektiven, Erfahrungen und Ideen essenziell, um Fortschritt und Innovation zu fördern und damit allen Menschen zu dienen;
- das vielleicht wichtigste Argument ist ein empirisches: Affirmative Action hat sich in der Praxis als Erfolg in Bezug auf Chancengleichheit und Vielfalt erwiesen.”
Die Behauptungen, die ohne jeden Beleg vorgetragen werden, sind natürlich zirkulär.

Dass Affirmative Action Diskriminierung reduziere, ist eine Behauptung, die nur bestätigt sehen kann, wer z.B. die Gleichverteilung von Studenten nach einem bestimmten Merkmal per Affirmative Action als Beleg für deren Erfolg ansieht. Eine mehr als naive Vorstellung. Dass daraus mehr Chancengleichheit resultieren soll, hat die selbe zirkuläre Argumentation zur Grundlage, die postuliert, dass Gleichverteilung mit Chancengleichheit identisch sei. Eine Behauptung, die nur aufstellen kann, wer sich von der Gerechtigkeits-Komponente, die in Chancengleichheit beinhaltet ist: “Ohne Ansehen der Person”, verabschiedet hat.
Warum die Qualität der Ausbildung von der Hautfarbe oder dem Geschlecht oder der Herkunft von Auszubildenden abhängen soll, ist eine Frage, die Herr Fratzscher sicher ungerne beantworten wird, weil man sie nicht beantworten kann. Das ist Unfug, ebenso wie die Behauptung, mit Diversität im Fratzscherschen Sinne, also sozialer Herkunft, Geschlecht, Migrationshintergrund, Hautfarbe, sei mehr Fortschritt und Innovation verbunden, Unfug ist. Das kann nur behaupten, wer denkt, Fortschritt und Innovation sei an eben diese Merkmale gekoppelt, also ein essentialistisches Weltbild hat, in dem nicht Leistung und Fähigkeiten, die unabhängig von den Fratzscherschen Merkmalen bestehen, sondern Hautfarbe und Geschlecht und Herkunft die Ursache von Innvoation und Fortschritt sind. Wer hätte je davon gehört?
Auch das wichtigste Argument von Fratzscher, das den Praxiserfolg feiert, ist Humbug, wie sich im weiteren Verlauf zeigt, in dem er die Frauenquote in ausgerechnet Vorständen von Unternehmen als Beleg für den Erfolg von “Affirmative Action” anführt, d.h. der gesetzliche Zwang eine Quote einzuhalten, hat dazu geführt, dass eine Quote eingehalten wird. Welch’ Erfolg.
Man fragt sich, ob Leute wie Fratzscher es tatsächlich schaffen, sich selbst so lange den Unfug vorzudenken, den sie schreiben, bis sie ihn glauben.
Dessen ungeachtet wollen wir mit diesem Beitrag die Prämisse von Fratzscher, dass ein Hochschulstudium etwas Wünschenswertes sei, in Frage stellen. Ein Hochschulstudium mag früher etwas Wünschenswertes gewesen sein. Seit Hochschulen missbraucht werden, um ideologische Kader heranzuziehen, die den Katechismus der Diversität als einzige Leistung nach jahrelangem Aufenthalt vorbeten können, sind Hochschulen für die gesellschaftliche Entwicklung entbehrlich, wenn nicht gar schädlich geworden. Wer, außer einer Organisation, deren Zweck darin besteht, an staatlichen Fördergeldern zu schnorren, um ideologische Leistungen zu erbringen, die keinerlei gesellschaftlichen Mehrwert erbringen, wollte etwa einen Absolventen der Gender Studies einstellen? Wer, der nicht plant, Statuen zu zerstören, Straßennamen zu ändern und Ehrenbürgern eine Vergangenheit im Sklavenhandel oder im Nationalsozialismus anzuhängen, hätte Interesse an einem Absolventen der cultural studies?
Hochschulen verlieren zusehens an Relevanz. Je mehr sie von Regierungen zu ihren Forschungsbütteln und Legitimationsbeschaffern degradiert werden, desto mehr findet Forschung, Innovation und Entwicklung außerhalb von Hochschulen statt.
Überhaupt sind Hochschulen längst zu Transmissionsriemen für Akademikerhaushalte geworden, die dazu dienen, den sozialen Status, den die Elterngeneration erworben hat, aufrecht zu erhalten. Die neuesten Daten aus der 22. Sozialerhebung des Studentenwerks, die gerade veröffentlicht wurden, machen dies mehr als deutlich:
Seit 1991 hat sich die Herkunft von Studenten radikal verändert. Es dominieren Kinder von Eltern, von denen mindestens ein Elternteil selbst eine Hochschulreife erworben hat. Der Anteil von Kindern, mit mindestens einem Elternteil, das einen Realschul- oder Hauptschulabschluss erworben hat, ist von 58% auf 30% zurückgegangen [Das eine Prozent Eltern ohne Schulabschluss schenken wir uns]. Gefragt wurde hier nach dem Elternteil mit dem höchsten Bildungsabschluss!
Was hier zu sehen ist, ist ein Schließungsprozess, der in der folgenden Abbildung noch deutlicher dokumentiert ist:
13% der Studenten kommen aus dem, was man noch als “Arbeiterhaushalt” bezeichnen kann, der Rest kommt aus der akademisierten Mittelschicht. Die Schließung der Hochschulen, die zu einer Anstalt der Mittelschicht für die Mittelschicht geworden sind, etwa in der Weise, in der das Roth für die Mittelschichtsorganisation “Schule” beschrieben hat, ist offenkundig.
Und während Fratzscher sich die Gleichverteilung von Studienplätzen nach Geschlecht, sozialer und ethnischer Herkunft und vermutlich nach sexueller Identität wünscht, schließen sich Hochschulen immer stärker gegenüber Kindern aus nicht-Akademiker-Haushalten ab. Fratzscher scheint eine Traumwelt zu bewohnen.
Übrigens spielen – entgegen allem, was man von Aktivisten aus Hochschulen heraus hört, die Trans- und sonstigen Orientierungen sexueller Art bei Studenten überhaupt keine Rolle:
0,9% von 179.908 Studenten, das sind 1.619 Leutchen, eine Miniaturminderheit selbst an Hochschulen. Einmal mehr muss man staunen, ob des Erfolgs, den die Lobbyisten der sexuellen Orientierung mit ihrem was die Mengenverhältnisse angeht, randständigen Anliegen haben.
Übrigens gibt es ein weiteres Hindernis für die Fratzschersche Utopie eines gleichverteilten Zugangs zu Hochschulen: Die notwendige Hochschulreife.
Wollte man Studenten mit Migrationshintergrund entsprechend des Erwerbs einer Studienberechtigung an Hochschulen berücksichtigen, um Chancengleichheit zu wahren, dann müssten Studenten mit Migrationshintergrund entfernt werden.
17,3% der Studenten wiesen im Jahr der Sozialerhebung 2021 einen Migrationshintergrund auf. Im selben Jahr hatten aber nur 3,9% derjenigen, die eine Hochschulreife erworben haben, einen Migrationshintergrund [Dagegen stellen Schüler mit Migrationshintergrund 25% derjenigen, die ohne einen Abschluss die Schule verlassen].
Traumtänzer wie Fratzscher, die die Diversitätserzählung gefressen, aber nicht verdaut haben, wissen von solchen Zahlen offenkundig nichts und vor allem wissen sie nichts von dem, was für Studenten aus nicht-Akademikerhaushalten vor allem mit einem Studium verbunden ist: Das Problem der Finanzierung. Gefragt danach, warum sie einer Arbeit neben dem Studium nachgehen, ergibt sich u.a. das folgende Bild.
Die Abbildung verwässert das Finanzierungsproblem, das sich für Kinder aus Nicht-Akademikerhaushalten mit einem Studium verbindet, weil die Frage, was für den eigenen “Lebensunterhalt unbedingt notwendig ist”, natürlich eine Frage ist, deren Antwort an den jeweiligen Lebensstandard gebunden ist, will heißen, die Lebensnotwendigkeit für Nicht-Akademikerkinder mag darin bestehen, überhaupt ein Studium aufnehmen zu können, für Akademikerkinder darin, die gewohnten Annehmlichkeiten eines pampert Life nicht missen zu müssen. Deshalb muss man, um die durch finanzielle Ausstattung verursachte Ungleichheit unter Studenten sichtbar zu machen, nach einem anderen Indikator suchen. In der 22. Sozialerhebung wird man jedoch nicht fündig, bestenfalls über den Umweg des Auslandsstudiums, für dessen Finanzierung die Eltern eine wichtige Rolle spielen, so dass fehlende Ressourcen oder Verschuldungswilligkeit bzw. -möglichkeit erklärt, dass Studenten aus Akademikerhaushalten häufiger Auslandsaufenthalte antreten als Studenten aus “nicht-Akademikerhaushalten”.
Das alles sind Probleme, die voraussetzen, dass die Aufnahme eines Studiums wünschenswert ist, weil die Kosten, die für ein Studium entstehen, nach Ergreifung eines Berufs durch ein im Verleich zu Nicht-Studenten höheres Gehalt mehr als kompensiert werden.
Indes, die sogenannte Bildungsrendite für ein Studium sinkt seit Jahren. Studium lohnt sich immer weniger. Schon im Jahr 2002 hat Dr. habil. Heike Diefenbach in einer Expertise im Rahmen des damaligen Elften Kinder – und Jugendberichts gezeigt, dass es sich für Jugendliche mit Migrationshintergrund finanziell lohnt, nach einer kurzen Schulausbildung unmittelbar in einen Beruf einzusteigen und entsprechend kein Studium aufzunehmen. Ein Ergebnis, das Studienenthusiasten wie Marcel Fratzscher, die sich nicht vorstellen können, dass ein Studium nicht die erste Wahl ist, im Magen liegen muss, verweist es doch darauf, dass ein Studium immer mehr von der Möglichkeit, in den Worten von Pierre Bourdieu, die Voraussetzung zum Zugang zu ökonomischem Kapital zu erwerben, zur Notwendigkeit “symbolisches Kapital” zu erwerben, verkommen ist.
Man hat studiert, war früher die Overture zu einem Leben in finanzieller Sorglosigkeit, heute ist es die Versicherung, wegen dieses Studiums denselben sozialen Status reklamieren zu können, den bereits die Eltern reklamiert haben, ein Irrtum, der in den vielen Versuchen von Polit-Darstellern, sich einen Bildungstitel zu erschleichen, dokumentiert ist: Das Studium ist von der Möglichkeit, per Wissenserwerb Zugang zu ökonomischen Ressourcen zu gewinnen, auf die Notwendigkeit, eine Statusinkongruenz zu vermeiden, reduziert worden, eine Notwendigkeit, die für viele mit der weiteren Notwendigkeit, sich für die Regierung, auf deren Fördergelder man angewiesen ist, zu prostituieren, einhergeht.
Ein Leben als pseudo-intellektueller Sklave, das nur auf besonders Bedürftige einen Anreiz auszüben im Stande ist.
Literatur:
Diefenbach, Heike (2002): Bildungsbeteiligung und Berufseinmündung von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien. Eine Fortschreibung der Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP), S. 9-70 in: Sachverständigenkommission Elfter Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.): Migration und die europäische Integration. Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe. München: Verlag Deutsches Jugendinstitut.
Kroher, Martina et al. (2023). Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021.
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