Von Kai Rebmann

Wenn rot-grüne Ideologie auf die Realität trifft, dann hat die Wirklichkeit nur sehr selten das Nachsehen. Seit Jahren warnen Kritiker – von der grundsätzlichen Frage der Sinnhaftigkeit mal ganz abgesehen – davor, dass die Transformation weg von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien viel zu schnell geht. Sprich, dass der Ausbau der hierfür benötigten Infrastruktur mit der angedachten Geschwindigkeit des Umstiegs nicht Schritt halten kann.

Was bisher als böse Unkerei Ewiggestriger abgetan wurde, hat sich zuletzt schon in Baden-Württemberg angedeutet und jetzt in Oranienburg (Brandenburg) erstmals bewahrheitet. Die dortigen Stadtwerke informierten die Bundesnetzagentur und die Bevölkerung vor wenigen Tagen über einen „Kapazitätsengpass im Stromnetz“.

Dass es sich dabei nicht nur um eine kurzfristige Versorgungslücke handelt, erfährt die Öffentlichkeit schon in den ersten Sätzen der Mitteilung: „Anmeldungen von Hausanschlüssen können vorübergehend nicht mehr genehmigt werden. Der Betreiber des vorgelagerten Hochspannungsnetzes kann keine zusätzliche Leistung zur Verfügung stellen.“

Darüber hinaus genehmigen die Stadtwerke Oranienburg ab sofort und bis auf weiteres auch keine Leistungserhöhungen von bestehenden Hausanschlüssen: „Dies betrifft beispielsweise den Anschluss von Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur.“ Letzteres dürfte sich in erster Linie auf Tankstellen für E-Autos beziehen. Ersteres, sprich die Wärmepumpen, sind der Mitteilung zufolge ein nicht unwesentlicher Faktor, der in den vergangenen Monaten sukzessive zum Ist-Zustand beigetragen hat:

„Zum erhöhten Strombedarf hat unter anderem das starke wirtschaftliche Wachstum, der Zuzug von Neubürgern nach Oranienburg sowie der verstärkte Einbau von Wärmepumpen geführt. Die Stadtwerke Oranienburg treiben seit 2023 den Neubau eines eigenen Umspannwerks voran, das voraussichtlich Ende 2026 den Betrieb aufnehmen wird.“

Mit Wirtschaftswachstum ist es in der Stadt im Oberhavelkreis vorerst also vorbei, denn: „Auch neue Gewerbe- und Industrieflächen können derzeit nicht an das Netz angeschlossen und mit Strom beliefert werden. Bestehende Verträge sind von den Maßnahmen nicht betroffen.“

Der parteilose Bürgermeister Alexander Laesicke kommentiert die Situation so: „Der Strombedarf unserer wachsenden Stadt hat sich enorm entwickelt, schneller als es in der Vergangenheit vorausgesehen wurde. Hier zeigt sich die Herausforderung, die Infrastruktur genauso schnell auszubauen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Stadtentwicklung nicht komplett auszubremsen, sondern ausreichend Leistung zur Verfügung zu stellen, für unsere großen Industrieunternehmen, genau wie für private Häuslebauer.“

Und genau dieser Punkt kann den Verantwortlichen in den Stadtwerken mit etwas Wohlwollen zur Ehrenrettung ausgelegt werden. Das quasi über Nacht beschlossene Heizgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat vielerorts zu regelrechten Ausverkäufen von Wärmepumpen geführt, in Oranienburg offenbar noch mehr als anderswo.

Das vorgelagerte Hochspannungsnetz wird von der Eon-Tochter E.DIS betrieben, bei der die Stadtwerke eigenen Angaben zufolge „schon seit über einem Jahr zusätzliche Kapazitäten“ angefordert haben. Dort ist man aber offensichtlich nicht in der Lage, die erhöhte Nachfrage zu bedienen, weshalb alle Beteiligten fieberhaft nach einer „Zwischenlösung“ suchen: „Für die Kernstadt von Oranienburg und Sachsenhausen würde es sonst bedeuten, dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren nicht mehr bauen können.“ Und das auch nur, falls der Neubau des stadteigenen Umspannwerks im Zeitplan bleiben sollte.

Damit dies möglichst gelingt, wurden für das Projekt in der jüngsten Stadtratsitzung bereits für das laufende Jahr Mittel in Höhe von 13,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Mit konkreten Aussagen darüber, wie die angestrebte „Zwischenlösung“ aussehen könnte, halten sich die Beteiligten aber auffällig zurück.

So beließ es etwa ein E.DIS-Sprecher bei der Absichtserklärung, dass man „die Stadtwerke sowohl mit der Bereitstellung zusätzlicher Leistung über das Hochspannungsnetz als auch beim Bau des Umspannwerks mit Know-How unterstützen“ wolle. Das Branchenportal „energate-messenger“ erbat bei der Bundesnetzagentur eine Stellungnahme zum Versorgungsengpass in Oranienburg, musste sich jedoch mit einem schlichten Verweis auf einen „laufenden Informationsaustausch“ zwischen allen Beteiligten begnügen.

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