Reportage Spaniens abgedankter König residiert heute auf der Privatinsel „Nurai Island“ vor Abu Dhabi. Unser Reporter schwamm zu seiner Villa, überwand dabei unter anderem eine Hundertschaft schwarzer Seeigel – dabei wäre das gar nicht nötig gewesen
Auf seiner Schwimmroute traf der Reporter auf drei bourbonische Verteidigungsringe und eine in der Slowakei lebende Tschechin
Karte: der Freitag; Material: Apple
Juan Carlos I. ist ein verdienter Mann. Er führte Spanien 1975 bis 1978 zur Demokratie, sein Konterfei wird noch lange auf Euro-Münzen durch Europa wandern. Leider nahm der König dann irgendwann so viele Millionen, dass er 2014 abdanken und 2020 sogar fliehen musste. Er residiert nun – ohne die betrogene Königin Sofia – auf einer Privatinsel vor Abu Dhabi. Und seit ihn die Justiz nicht mehr verfolgt, zieht es ihn immer öfter nach Spanien zurück, meist zu seinen geliebten galizischen Segelregatten. Im Madrider Königspalast ist er aber Persona non grata. Immerhin kamen die Infantinnen Cristina und Elena an den Persischen Golf, als er dort am 5. Januar den 86. Geburtstag feierte und eine mit seinem Königswappen dekorierte Torte säbelte.
. Januar den 86. Geburtstag feierte und eine mit seinem Königswappen dekorierte Torte säbelte. Im Winter mehrten sich Hinweise, „Don Juan Carlos“ wäre nach Genf übergesiedelt, seine Rückkehr aus Galizien Ende April bestätigte aber den emiratischen Wohnsitz.Eine Strandvilla für 26.000 Euro pro Woche„Nurai Island“ ist exklusiv, die Wochenmiete für eine der Strandvillen beträgt 26.000 Euro, für einen Obolus von 180 Euro kam ich jedoch auch so hin. Da diese Speedboat-Tagesausflüge mit Pool-Brunch zum 1. April eingestellt wurden, gilt: Ich war auf der Insel – und Sie kommen vielleicht nie hin.Am Landungssteg steht eine nachts leuchtende Skulptur LOVE, aus massiven Baumstämmen errichtet. Es gibt im Meer stehende Schaukeln, zwei bis drei Luxusrestaurants, fast weiße Sandstrände. Kühlende dschungelartige Vegetation, die nur in der Inselmitte fehlt, im uneinsehbar eingezäunten, aus schmucklosen weißen Containern bestehenden Versorgungscamp. Das indische Personal pendelt aus Abu Dhabi herbei und steht drei Dutzend Luxusvillen sieben Tage in der Woche und 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Die dauerlächelnden Inder bewegen sich in kleinen Elektromobilen, die teils mit zwei Kubikmeter großen Schränken zum Kühlen und Warmhalten von Gerichten ausgestattet sind. Sie liefern bis zur Haustür der Villen und holen das Geschirr wieder ab.Häufig sah ich dort eine anglo-ukrainische Urlauberfamilie herumspazieren, die schon vor dem Ukraine-Krieg emigriert war und den noch in Odessa verbliebenen Großvater in die Emirate eingeladen hatte. Der war immer der Letzte im Gänsemarsch. Er behauptete, das einst rein russischsprachige Odessa sei zu 70 Prozent auf Ukrainisch bzw. den Mischdialekt Surschyk umgestiegen. „Ze charascho“, fügte er in reinstem Surschyk hinzu, „das ist gut so.“Da das Buffet erst um 12.30 Uhr eröffnet wurde, beschloss ich sogleich, zu Juan Carlos hinüberzuschwimmen. Leider hatte ich nicht mit drei bourbonischen Verteidigungsringen gerechnet: Erstens, einer stellenweise unüberwindbaren Strömung, welche die künstliche Insel umspült. Zweitens, dem Glitsch auf dem grauen Gestein des notgedrungen zu überkletternden Wellenbrecherdamms, der mir sieben Wunden, darunter drei blutende Zehen, einbrachte. Drittens, einer in drei Staffeln gegliederten Hundertschaft schwarzer Seeigel. Ich sprang über die Biester hinweg und schwamm am Rande des Hausfriedensbruchs weiter.Elf große rasendachbedeckte, lichtdurchflutete Villen mit großzügigem Strandzugang reihten sich hier aneinander. Einige sahen aus, als wären sie nie fertig ausgestattet oder bewohnt worden, ein Strandgarten war mit hüfthohem Unkraut überwuchert, in einem anderen wuselten ziemlich junge und ziemlich blasse Leute herum. Aus der spanischen und holländischen Boulevardpresse wusste ich, dass der emeritierte spanische König Villa Nr. 9 bewohnt. Die Villen Nr. 7, 8 und 10 waren unschön und unbewohnt, Nr. 11 wirkte nüchtern-technoid und bewohnt.Dann war ich schon da. Die Wege auf Carlos’ herabsinkendem Rasendach waren romantisch verwachsen, seine Palmen von lockerer Hand gesetzt, nicht geometrisch wie die zwei Hungerpalmen einer leeren Nachbarvilla. Es gab ein gelbes Beachvolleyball-Netz und acht Liegestühle. Die den Garten begrenzenden Laubbäume waren so hoch, dass Juan Carlos vermutlich kaum etwas von Abu Dhabis Skyline sieht, die uncharmante, schwarzen Rauch ausstoßende Meeresplattform, die viel Sand für eine weitere, noch weiter draußen im Persischen Golf aufgeschüttete Insel förderte, sieht er bestimmt. Zwei Menschen traten aus dem Gartenschuppen des abgedankten Königs heraus, eine kleine brünette Frau schob einen großen Jungen in die Villa.Ich schien der einzige Schwimmer zu sein, doch nun ging eine weiße Frau in rosa Bikini aus Villa Nr. 11 ins Wasser. Ihr langsam auskostendes Gehen und Schwimmen verrieten, dass sie sich sicher fühlte, aber empfinden mochte: Ich gehöre nicht hierher. Sie lag träge schwimmend im Meer und betrachtete unverwandt Villa Nr. 9. Ich dachte automatisch, sie wäre auch wegen Juan Carlos hier.Das war weit gefehlt: Es handelte sich um eine vollkommen unprätentiöse, seit zwanzig Jahren in der Slowakei lebende Tschechin, Teil einer zwölfköpfigen slowakischen Partie, die ein Reicher aus Bratislava auf eine Woche Nurai-Urlaub eingeladen hatte. Sie rief in der Sprache meiner Frau aus: „Was? Der spanische König? Davon weiß hier keiner was! Unser Vermieter sagt, das Haus gehört einem Australier.“ – „Warum schauen Sie sein Haus dann dauernd an?“, fragte ich. „Na, weil es das schönste ist! Auch von vorn ist es nett, mit so einem rosa Golf-Buggy und die Tür ist auch rosa angemalt.“ – „Hm, genau dieser rosa Buggy war in allen spanischen Zeitungen …“Placeholder image-1Der „Brunch“ erwies sich als dreieinhalbstündige Terrassen-Völlerei für globalisierte anglophone Expats, die allesamt unter sich blieben. Ich probierte fast alles, lobte mir die selbst kreierte Kombination von „Shrimp Pomelo Salad“, „Smoked Salmon Carpaccio“ und Austern, nur von der „Taco Station“ nahm ich nichts. Am Ende war ich so voll, dass ich 20 Minuten lang tumb auf meinen letzten Nachtisch starrte, auf die Pannacotta.Übrigens wäre es nicht notwendig gewesen, mit blutenden Zehen zu Don Juan Carlos zu schwimmen – seine Villa war straßenseitig frei zugänglich. Er hatte nicht einmal einen geschlossenen Gartenzaun, seine Haustür stand offen.Placeholder infobox-1