Seit 1996 gibt es in Chemnitz das Filmfestival “Schlingel” – nächstes Jahr feiert es seine 30. Ausgabe. Dennoch wird es 2025 kein Partner der Kulturhauptstadt sein. Das ist es dann im Jahr darauf: bei der finnischen Kulturhauptstadt Oulu. Skurril? Was dahinter steckt.

Filmfestival.

Oulu ist eine Großstadt im Norden Finnlands mit rund 200.000 Einwohnern. Es gibt dort das “Oulu Internationale Kinder- und Jugendfilmfestival”, das Michael Harbauer gut kennt. Er selbst leitet in Chemnitz das “Schlingel”, ebenfalls ein internationales Filmfestival für Kinder und junges Publikum. “Mit Oulu kooperieren wir seit langem”, sagt Harbauer. Das Jahr 2026 nun ist für die Finnen in Oulu ein besonderes Jahr: Ihre Stadt ist dann Kulturhauptstadt Europas – und der “Schlingel” einer ihrer Partner, so Harbauer. In ihr Programm haben die Finnen ein gemeinsames Projekt mit dem Chemnitzer Festival integriert. In Chemnitz hingegen, der Heimatstadt des “Schlingels”, ist das nicht der Fall: “Wir sind kein Partner der Kulturhauptstadt, weil wir nicht im Programm des Bidbooks auftauchen”, so Harbauer – das Bidbook war das Bewerbungsbuch von Chemnitz um den Titel. Er wolle nicht jammern, sagt Harbauer, aber aus seiner Enttäuschung macht er keinen Hehl.

Projekt aus finanziellen Gründen abgelehnt

Das “Schlingel” findet seit 1996 jährlich im Herbst statt. Es wuchs über die Jahre beständig, ist mittlerweile im Cine-Star in der Galerie Roter Turm lokalisiert und zeigt neue internationale Kinder- und Jugendfilme. Auch Preisverleihungen finden statt. 2003 war dazu zum ersten Mal eine europäische Kinderjury einberufen worden, in der Kinder verschiedener europäischer Länder sitzen.

Da das “Schlingel” nicht im Bidbook auftauchte, habe er für das Programm der Chemnitzer Kulturhauptstadt noch ein Projekt eingereicht, so Harbauer: Man wollte die Kinderjury vergrößern, sodass Kinder möglichst aus allen europäischen Ländern kommen – scheinbar wie gemacht für eine Kulturhauptstadt, denn die Titel vergebende EU mahnt immer wieder, dass der europäische Gedanke nicht zu kurz kommen dürfe. Doch laut Harbauer wurde das Projekt aus finanziellen Gründen abgelehnt. Nur ein Gespräch mit der Kulturhauptstadt-Organisation habe es gegeben.

Die Kulturhauptstadt-gGmbH bestätigt das. Das “Schlingel”-Filmfestival habe im vergangenen Jahr ein Projekt im Open Call – also dem zusätzlichen öffentlichen Ausschreibungsverfahren – eingereicht. “Ein Fachbeirat hat alle Einreichungen begutachtet und das Projekt vom ‚Schlingel‘-Festival nicht für die Weiterentwicklung empfohlen.” Die beantragte Fördersumme für dieses Einzelprojekt habe das Gesamtbudget, das die Kulturhauptstadt-gGmbH für alle Ausschreibungen insgesamt eingeplant hatte, überstiegen.

Harbauer: “Keine extra Würste möglich”

“Ein Partner der Kulturhauptstadt Chemnitz zu sein, wäre nicht abträglich gewesen”, sagt Harbauer. “Ohne extra Fördergeld seitens der Kulturhauptstadt können wir auch keine extra Würste braten.” Es werde 2025 einen “Schlingel” weitgehend wie jedes Jahr geben, obwohl das Festival ausgerechnet im nächsten Jahr seine 30. Ausgabe feiert.

Aber schon das “wie immer” werde immer schwerer aufgrund der finanziellen Entwicklungen: Inflation, steigende Hotelpreise, Bettensteuer, zählt Harbauer auf. Das ist für ihn deshalb von Bedeutung, da beispielsweise die Kinder der europäischen Jury in der Stadt übernachten. Das koste für geplante 18 Kinder aus neun Ländern in diesem Jahr schon 3000 Euro mehr als im vergangenen Jahr, so Harbauer. In diesem Jahr findet das Festival in Chemnitz vom 25. September bis 3. Oktober statt, 2025 dann vom 27. September bis 4. Oktober.

Das Projekt mit Oulu

Aber immerhin wird auch Chemnitz im Kulturhauptstadtjahr davon profitieren, dass das “Schlingel”-Festival mit Oulu kooperiert. Die beiden Filmfestivals stellen ein gemeinsames Programm aus deutschen und finnischen Kinder- und Jugendfilmen zusammen, das 2026 in Oulu zu sehen sein soll, aber auch bereits 2025 in Chemnitz.

In Oulu bringe man sich außerdem im medienpädagogischen Bereich ein, arbeite mit Fachexperten beispielsweise die Spezifika von Kinder- und Jugendfilmen in den unterschiedlichen Ländern heraus und was man voneinander lernen könne. In Deutschland liege den Filmen oft eine literarische Vorlage zugrunde, die Tschechen seien immer noch in Märchen verliebt, in Skandinavien hingegen gebe es viel mehr Bezug zur Realität und Gegenwart, in der arabischen Welt hingegen seien in Jugendfilmen Küsse zwischen Junge und Mädchen tabu. Das habe beispielsweise Auswirkungen auf verschiedene Altersbegrenzungen in den Kinos. Mit dem Festival in Oulu kooperiere man seit mehr als zehn Jahren, erzählt Harbauer. Er habe dort beispielsweise schon in der Jury gesessen, Filme vom “Schlingel” wurden dort gezeigt und Kontakte etwa zu Schauspielern und Regisseuren geknüpft.

Chemnitz 2025: “Schlingel” trotzdem wichtig

Doch zurück nach Chemnitz: Auch die Kulturhauptstadt-gGmbH beteuert, um die Bedeutung des Festivals zu wissen. “Das ‚Schlingel‘ ist seit vielen Jahren eine feste Größe im Kulturkalender der Stadt mit internationaler Beteiligung und Ausstrahlung. Deshalb ist insbesondere die Festival-Ausgabe 2025 ein wertvoller Beitrag für ein erfolgreiches Kulturhauptstadtjahr in Chemnitz”, heißt es in der Antwort auf “Freie Presse”-Anfrage weiter. Es würden andere Möglichkeiten einer Kooperation ausgelotet. Zwar gehe es dabei nicht um Fördergeld, aber es könnte beispielsweise auf kommunikativer Ebene für das “Schlingel” als Veranstaltung in der Kulturhauptstadt geworben werden. So handhabe man es auch mit etlichen anderen, bereits fest im Kulturkalender der Stadt verankerten Veranstaltungen.

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Von Veritatis

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