Banken in Deutschland kündigen immer häufiger ohne Begründung Konten von regierungskritischen Publizisten und Medienunternehmen – etwa 40 Mal seit 2020. Leitmedien und staatlich finanzierte Akteure befeuern diese Politisierung der Kontoführung, setzen Banken unter Druck. Eine brisante Recherche zu Ausmaß und Hintergründen eines Phänomens, das an die Wurzel der Pressefreiheit geht.

von Hakon von Holst

Wer recherchiert und journalistisch arbeitet, für den ist ein Konto finanzielle Arbeitsgrundlage. Andernfalls kann die Pressefreiheit nur in der Freizeit genutzt werden. Doch seit einiger Zeit ist auf ein Konto kein Verlass mehr. Banken kündigen immer öfter regierungskritischen Medienunternehmen und Journalisten. Für das Phänomen gibt es bereits einen Begriff: De-Banking.

Jüngste Fälle sind das Online-Magazin Manova und das Internet-Portal Apolut. Manova wird von gut 100.000 Besuchern im Monat gelesen. Die Autoren thematisieren Armut und Ungerechtigkeit, üben Kritik an Waffenlieferungen, am Vorgehen Israels im Gazastreifen oder an der Corona-Politik. Nicht zufällig unterhielt das Magazin sein Spendenkonto bei der GLS-Bank, einem Geldinstitut, das keine Kredite für Rüstungsgüter vergibt, weil Waffen ihrer Aussage nach zur „Eskalation von Konflikten“ beitragen.

Auch Apolut, im politischen Spektrum ähnlich angesiedelt wie Manova, war einst bei jener Bank. Damals hieß das Portal noch KenFM. Die Kündigung kam im Frühjahr 2021 nicht ganz überraschend. Die Bank hatte im Dezember 2020 Kritik am Informationsangebot des Mediums geübt: Sie sprach von einer Onlineplattform, „die regelmäßig hinter Nachrichten Verschwörungen vermutet“. Weil das Konto bei Spendenaufrufen angegeben wurde, sei fälschlich „der Eindruck entstanden“, dass man KenFM unterstütze. Laut Apolut-Geschäftsführerin Lena Lampe verlor das Portal mit dem Konto bei der GLS-Bank „circa 50 Prozent der Daueraufträge“ von Spendern.

Im Frühjahr 2024 flatterte die nächste Kündigung ins Haus. Betroffen war das neue Apolut-Konto bei einer kleinen Volksbank im sächsischen Pirna. Dort hatte es keine weltanschaulichen Differenzen gegeben. Die Bank ist bekannt für eine liberale Geschäftspolitik und beheimatet „Dissidenten“ aus einem weiten politischen Spektrum. Hier kam der russische Nachrichtensender Russia Today unter, nachdem die Commerzbank 2021 die Geschäftsbeziehung beendete. Das Bündnis Sahra Wagenknecht richtete ein Konto in Pirna ein, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands und eine Reihe oppositioneller Medien ebenfalls. Apolut-Gründer Kayvan Soufi-Siavash erinnert sich, „mit offenen Armen“ aufgenommen worden zu sein.

Nun aber die Kündigung – ohne jede Begründung. Ein besonderer Anlass ist nicht ersichtlich: keine verdächtig hohen Bareinzahlungen, kein überzogenes Konto, keine geschäftliche Nutzung eines Privatkontos oder eine wesentliche Änderung im Informationsangebot oder in der Tätigkeit von Apolut. Was geschah in Pirna? Wie aus der Bank unter der Hand verlautet, sei der Druck „einfach zu groß geworden“.

Politisierung der Kontoführung

Rückblick: Im Spätsommer 2000 berichtete die Presse über die damals noch staatliche Postbank. Der Gegenstand: Geschäftsverbindungen zu „rechtsextremen“ Parteien. In der Folge beschloss der Bankvorstand, Konten bestimmter Parteien und Organisationen zu kündigen, um einen „wichtigen Beitrag zur politischen Hygiene“ zu leisten. Es traf unter anderem die Partei „Die Republikaner“ und, am 5. Januar 2001, die Wochenzeitung „Junge Freiheit“.

Kritik kam damals vom Journalisten-Verband Berlin (JVB). Der Vorsitzende Alexander Kulpok, beruflich Chef für Videotext bei der ARD, sprach von einem „Angriff auf die Pressefreiheit“. Eine Bank könne „kein Medienunternehmen in den Ruin treiben, nur weil ihr dessen politische Richtung nicht passt“. Seine Worte waren in der Taz zu lesen, ohne jeden Seitenhieb auf die „Junge Freiheit“, trotz deren gegensätzlicher politischer Ausrichtung. Nach einem Protest-Appell der betroffenen Zeitung mit „über 500 Unterstützungsunterschriften“ zog die Postbank die Kündigung zurück.

Mehr als ein Jahrzehnt später, am 12. Dezember 2013, erhielt eine Münchnerin einen merkwürdigen Anruf. Ein Mitarbeiter der Commerzbank teilte mit, dass die Kontovollmacht für ihren Sohn nicht aufrechterhalten werden könne. Über die Person lägen nicht näher erläuterte Erkenntnisse vor. Die Rede war von Kerem Schamberger, 27 Jahre jung, Bankenkritiker und zu jener Zeit in der Deutschen Kommunistischen Partei aktiv. Mit der Organisation beschäftigte sich der Verfassungsschutz. Die Mutter schrieb eine E-Mail an die Bank: Was war das für ein Anruf? Die Commerzbank antwortete mit der Kündigung des Kontos und beendete damit eine 45 Jahre lange Geschäftsbeziehung – ohne Begründung. Der Fall ging durch die Medien. „Ist das der Startschuss zur politischen Kontoführung?“, fragte die Süddeutsche Zeitung.

Wie die Taz berichtete, kündigte die Commerzbank bereits 2009 die Privatkonten von Stefan Engel, Chef der Marxistisch-Leninistischen Partei, und seiner Lebensgefährtin. Bankmitarbeiter würden laut Focus regelmäßig die Verfassungsschutzberichte durchforsten, „um mutmaßliche Verfassungsfeinde unter ihren Kunden zu identifizieren“. Die Commerzbank befindet sich teilweise in Staatsbesitz.

Konflikt um Palästina und Israel

Auch jüdische Vereine sind betroffen. Nach einem Bericht der Deutschen Welle folgte auf die Kündigung im Jahr 2016 „die erste Schließung“ eines Kontos „einer jüdischen Organisation in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg“. Hintergrund war die Unterstützung der pro-palästinensischen BDS-Kampagne durch den Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. Nach öffentlichem Protest bekam die Organisation allerdings erneut ein Konto bei der Bank für Sozialwirtschaft gewährt – bis die Geschäftsbeziehung 2019 endgültig beendet wurde. Das Kreditinstitut erklärte, „nicht die richtige Plattform für die Debatte um die BDS-Kampagne“ zu sein. „Wegen der Kontoverbindung zur Jüdischen Stimme“ sei man „jedoch immer mehr dazu gemacht“ worden.

Auch der jüdische Publizist Abraham Melzer verlor 2016 ein Konto bei der Commerzbank. Die Kündigungen erfolgten laut Taz „stets nach dem gleichen Muster“: „Nachdem die Betroffenen davon erfuhren, meldete sich bei ihnen der Journalist Benjamin Weinthal von der rechten israelischen Zeitung Jerusalem Post, der sich über diese Vorgänge stets bestens im Bilde zeigte. Im Fall der Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden war Weinthal sogar die treibende Kraft, weil er die Bank erst zur Kündigung bewog.“

Zum neuen Hafen der Jüdischen Stimme wurde die Sparkasse Berlin. Doch am 25. März 2024 sperrte die Bank das Konto. Die Sparkasse soll mit Frist zum 5. April unter anderem eine Liste aller Mitglieder mit Anschriften angefordert haben. Dem kam der Verein nicht nach, weil es „keine Bank“ etwas angehe. Laut Iris Hefets kündigte das Kreditinstitut daraufhin das Konto und teilte durch seine Anwälte mit, dass die Jüdische Stimme gegen die Ethik der Bank verstoße.

Der Verein stellte das Konto zuvor für den Palästina-Kongress in Berlin zur Verfügung. Darin vermutet die Organisation den Anlass der Sperrung. Am 12. April beendete die Polizei die Veranstaltung kurz nach Beginn. Zu den geladenen Referenten gehörte der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis. Er übte das Amt 2015 parteilos für die „Koalition der Radikalen Linken“ (Syriza) aus. Varoufakis war im Zeitraum der Veranstaltung zur Fahndung ausgeschrieben, da ihm die Einreise verboten wurde. Auch der Arzt Ghassan Abu-Sittah konnte deshalb nicht teilnehmen. Das Verwaltungsgericht Potsdam erklärte das Einreiseverbot für den britisch-palästinensischen Arzt im Nachhinein für rechtswidrig.

Corona-Krise als Katalysator

Ab 2021 nahmen Kontokündigungen auch bei oppositionellen Publizisten und Medienunternehmen rasch zu. Bei Maßnahmenkritikern in anderen Berufen zeigte sich die Entwicklung bereits früher: So traf es den HNO-Arzt Bodo Schiffmann bei der Deutschen Bank (2020), den Anwalt Markus Haintz bei der Commerzbank-Tochter Comdirect (Oktober 2020) und bei der Deutschen Kreditbank (Januar 2021), einem Unternehmen der Bayerischen Landesbank. Der Verein „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ mit Finanzwissenschaftler Stefan Homburg und Mediziner Sucharit Bhakdi im Vorstand musste sich ab Februar 2021 nach einer Alternative umsehen. Das Konto bei der Apotheker- und Ärztebank war „sechsstellig im Plus“ gewesen. Die neue Bankverbindung bei der GLS-Bank hielt nur wenige Tage. Der Verein stand zeitweise ohne Konto da.

Der 50 Mitarbeiter starken Filmproduktionsfirma Ovalmedia kündigte die Volksbank Beckum-Lippstadt im April 2021. Im Vormonat waren zwei Artikel im Tagesspiegel erschienen. Die Firma verbreite „Verschwörungslügen“ und unterstütze „Impfgegner und Corona-Verharmloser“, schrieb die Zeitung aus Berlin in der Titelzeile. Ovalmedia filmte damals auch die Sitzungen des Corona-Ausschusses. Viele maßnahmenkritische Wissenschaftler traten dort als Interviewgäste auf. Die Video-Aufzeichnungen gewannen dank Ovalmedia eine große Reichweite. Auf das betroffene Unternehmenskonto sollen vielfach Spenden erbeten worden sein. Die Firma befürchtete daher einen ernsthaften finanziellen Verlust. Durch Nachfragen bei der Bank sei ans Licht gekommen, „dass sich ein anderer Kunde über die Medienarbeit des Unternehmens beschwert habe“.

Der Philosoph Gunnar Kaiser (1976–2023) war ebenfalls für Kritik an den Corona-Maßnahmen bekannt. Seine Gespräche erreichten auf Youtube 250.000 Abonnenten. Zunächst bat Kaiser um Spenden auf ein Konto bei einem großen deutschen Kreditinstitut. Später gab er die Fidor-Bank an. Im August 2022 veröffentlichte Kaiser ein Kündigungsschreiben der Onlinebank und merkte an, nie „im Minus“ gewesen zu sein. Neue Heimat wurde ein Kreditinstitut in Litauen.

Im Januar 2021 gab der russische Staatssender RT bekannt, in Deutschland 200 neue Mitarbeiter einzustellen. Einen Monat später kündigte die Commerzbank. Das Medium bemühte sich bei rund 20 Banken erfolglos um einen Konto – trotz eines ansehnlichen Jahresbudgets von 30 Millionen Euro. Ein deutscher Staatsbürger aus der Finanzbranche nahm für RT die Verhandlungen auf. Ihm sollen mehrere Bankmanager mitgeteilt haben, dass bei Aufnahme der Geschäftsbeziehungen Probleme mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ins Haus stünden. Die Bafin dementierte.

Anselm Lenz war Maßnahmenkritiker erster Stunde. Schon im März 2020 organisierte er Protestaktionen auf den Straßen Berlins. Gleichzeitig verlor er seine Rolle als Autor der Tageszeitung Taz. Ab April 2020 gab Lenz gemeinsam mit Hendrik Sodenkamp den „Demokratischen Widerstand“ heraus. Die Wochenzeitung landete in vielen Briefkästen, wurde wie eine Flugschrift verbreitet. Zunächst war ein Verein organisatorische Basis, später gründeten die Herausgeber ein Verlagshaus als GmbH. Wie Lenz auf Anfrage mitteilte, wurden zwischen 2020 und 2023 insgesamt 13 Girokonten im Zusammenhang mit der Wochenzeitung auf Betreiben der Banken geschlossen, darunter eine Sparkasse.

Boris Reitschuster leitete 16 Jahre lang das Moskauer Büro des Focus. Später machte er sich selbstständig. In der Bundespressekonferenz brachte er Regierungssprecher Steffen Seibert regelmäßig in Verlegenheit. Reitschuster wurde zu einem der prominentesten Kritiker der Corona-Politik. Im Mai 2021 soll seine Internetseite 17,5 Millionen Aufrufe erreicht haben. Er machte auch größeren Tageszeitungen Konkurrenz. Im selben Monat berichtete Reitschuster über zwei Kündigungen: Er verliere nach mehr als 20 Jahren ein rein privat genutztes Girokonto bei der ING-Bank und sein öffentliches Spendenkonto bei der N26.

Im September 2022 berichtete Reitschuster, innerhalb eines Jahres habe die vierte Bank die Geschäftsbeziehung mit ihm beendet. Das „als konservativ bekannte“ Bankhaus Bauer habe ihn ein Jahr zuvor in Kenntnis seiner journalistischen Tätigkeit als Kunden aufgenommen. Nun sei das Kreditinstitut entweder „unter Druck gesetzt“ worden, handle „in vorauseilendem Gehorsam“ oder in „freiwilliger Unterwerfung unter den Zeitgeist“. Es habe damit begonnen, dass man den Namen der Bank nicht mehr auf der Seite sehen wollte, am Schluss sei es aber auch nicht möglich gewesen, das Spendenkonto fortzuführen, wenn die IBAN ganz von der Webseite entfernt worden wäre. Reitschuster gingen dadurch viele Spenden-Daueraufträge verloren.

Die Rolle der Leitmedien

Die Taz ist Kreditnehmer bei der GLS-Bank und unterhält dort Girokonten. Am 17. Mai 2018 berichtete die Tageszeitung über Protestbriefe von GLS-Kunden. Sie nahmen Anstoß an der Tatsache, dass die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung ebenfalls ein Bankkonto bei der Bochumer Bank besitzt. Die GLS-Bank kündigte noch am selben Tag.

„Auch zum Coronaleugner sozial“, titelte die Taz im September 2020. Die GLS-Bank bewerbe sich „als besonders ethisch“, biete „aber dem Verschwörungsideologen Ken Jebsen ein Konto“. Zwei Wochen später erschien auf dem GLS-Bankblog eine Kritik, die sich offenbar auf den KenFM-Gründer bezog: „Seit Corona“ würden „Online-Medien immer mehr Zulauf“ erhalten, „die sich auf Verschwörungen spezialisiert haben und damit die Angst vor Manipulation bedienen“. Drei Monate später thematisierte die Bank ihre Bauchschmerzen ein zweites Mal und nannte KenFM beim Namen.

Im Januar 2021 löschte Google Jebsens Youtube-Kanal mit 500.000 Abonnenten. Bald darauf kündigte die GLS-Bank. Auf der Internetseite hieß es: „In seltenen Fällen kündigt die GLS-Bank Konten, wenn ersichtlich ist, dass die Geschäftspolitik von Kund*innen nicht mit den Werten und Kriterien der GLS-Bank übereinstimmen.“ In der Folgezeit wandte sich KenFM vergeblich an rund 40 Banken. Als sich abzeichnete, dass der Sender kein Konto bekommen würde, folgte die Gründung der Apolut GmbH. Die Marke KenFM gehörte der Vergangenheit an.

Im Februar 2023 berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass der Sender Russia Today und die ebenfalls staatliche russische Videoagentur Ruptly Konten bei der Volksbank Pirna unterhalten. Dann wurde der Ton schärfer: Im November schrieb der „Tagesspiegel“ über Sahra „Wagenknecht und eine ungewöhnliche Bank“. Dort habe der Verein zur Gründung ihrer Partei ein Spendenkonto eingerichtet. Bankchef Hauke Haensel, heißt es weiter, betrachte die Aufkündigung der Energiepartnerschaft mit Russland als „sträfliche Dummheit“.

Außerdem habe das Pirnaer Kreditinstitut offenbar Sanktionen gegen russische Medienunternehmen missachtet. Mit Apolut besitze die Bank ferner einen Kunden, auf dessen Plattform „der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verharmlost“ worden sei. Ein Beispiel für eine solche strafrechtlich relevante Handlung nannte der „Tagesspiegel“ allerdings nicht. Apolut gibt mit Beiträgen von Rainer Rupp und Thomas Röper auch der russischen Sicht auf den Konflikt Raum.

Correctiv-Gründer David Schraven verhalf den Tagesspiegel-Recherchen prompt zu größerer Bekanntheit. Unter der Überschrift „Dieser Bank vertrauen Extremisten“ thematisierte er auch die Beziehung zu Apolut und bezeichnete Ken Jebsen als „Verschwörungsideologen“. Als sich zwei Wochen später die Bild-Zeitung einschaltetelieferte Schraven nochmal nach: „Neues von der Volksbank, der die Extremisten trauen“, titelte der Journalist und versuchte, eine Russland-freundliche Haltung der Bank zu belegen. Correctiv erhielt über die Jahre 2,5 Millionen Euro staatliche Förderung. Das Unternehmen betont dennoch, keine staatliche Unterstützung für seine redaktionelle Arbeit zu bekommen. Die Zuschüsse gebe es für „Medienbildung und Strukturförderung“.

Seit dem 3. Februar 2024 besitzt die Pirnaer Bank einen Wikipedia-Eintrag. Im April wurde der Text um die Kritik von „Tagesspiegel“ und „Correctiv“ ergänzt. Am 8. Februar 2024 kündigte das Kreditinstitut der Apolut GmbH. Auf Anfrage wollte sich die Volksbank nicht zu den Vorgängen äußern. Schriftliche und telefonische Nachfragen liefen ins Leere. Apolut gab Ende März ein neues Spendenkonto im Ausland bekannt. Ein Internetnutzer protestierte prompt bei dem litauischen Kreditinstitut, eine Geschäftsbeziehung mit „Russenpropagandisten“ eingegangen zu sein.

Auch in der Schweiz reagieren Banken auf negative Presse. Im Juni 2022 startete mit Kontrafunk ein in eigener Beschreibung „liberal-konservatives, bürgerliches“ Internet-Radio. Gründer Burkhard Müller-Ullrich holte etablierte Journalisten an Bord. Am 10. Juli 2022 berichtete die führende Tageszeitung „Blick“ in der Sonntagsausgabe: „Spuren führen zu leeren Räumen“. Der Sender sitze in Cham im Kanton Zug. Das ist, wie Schweizer wissen, ein als Steuerparadies berüchtigter Landesteil. In dem „heruntergekommenen Bürogebäude“ sei „niemand“, heißt es weiter: „ein langer Gang, leer stehende Zimmer …“ Dazu ein paar Beweisfotos.

Tatsächlich ist Müller-Ullrich – im „Blick“ als deutscher Journalist bezeichnet – Schweizer Staatsbürger. Die Darstellung als Briefkasten-Firma hält er für „pure Verleumdung“. Der Reporter vom „Blick“ sei offenbar nicht weiter ins Gebäude gekommen, „wohl aus Angst, dass da mal jemand vorbeigekommen wäre und gefragt hätte, was er hier zu suchen hat“. Kontrafunk habe dort „sehr wohl seine Geschäftsräume“ unterhalten und sogar einen Sekretär beschäftigt. Trotzdem, stellt Müller-Ullrich fest, kündigten das Bankhaus Linth und ein weiteres Kreditinstitut „unmittelbar nach“ Erscheinen des Artikels im „Blick“.

Organisierter Druck auf Banken

Der Journalist Alexander Wallasch arbeitete einst für große Zeitungen und kurzzeitig für Boris Reitschuster. Inzwischen schreibt er vor allem auf seinem eigenen Internetportal. Als Wallasch im Juli 2022 auf Twitter um Unterstützung auf sein Konto bat, machte ein Nutzer die Solaris-Bank darauf aufmerksam. Das Social-Media-Team antwortete: „Ist bereits an unser Team weitergeleitet.“ Wallasch schreibt: „Etwa 24 Stunden später waren tatsächlich meine Kontonummern gesperrt und bis heute warte ich auf eine Erklärung der Bank.“ Im Herbst 2022 soll auch das Konto seines Webdesigners betroffen gewesen sein – bei derselben Bank. Wallasch war unterdessen zur Holvi-Bank gewechselt. Doch das neue Konto hielt nur kurze Zeit. Seither bittet der Journalist nur noch um Paypal-Spenden.

Der „Heimatkurier“ ist ein Medium aus Österreich. Artikel erscheinen in Rubriken mit Namen wie „Bevölkerungsaustausch“, „Remigration“ oder „Linksextremismus“. Unmittelbar nach den Correctiv-Veröffentlichungen über das Treffen mit Martin Sellner in Potsdam startete die Kampagnenplattform Aufstehn eine bislang einmalige Petition. 9000 Menschen unterzeichneten den Appell „Kein Konto für Rechtsextreme!“ an die N26-Bank. Das Kreditinstitut reagierte und kündigte dem „Heimatkurier“.

Die Nachricht holte eine Gruppe zur Beobachtung der Identitären Bewegung auf den Plan. „Gibt es hier Menschen, die sich Recherche und Veröffentlichung rechtsextremer Konten zur Hauptaufgabe machen würden?“, fragte sie auf Twitter. „Ein wichtiger und effektiver Job.“ Auf ihrer Internetseite listet die Gruppe unzählige Konten von AfD-Kreisverbänden. Weiter oben stehen die Bankdaten von Youtubern wie Niklas Lotz (Neverforgetniki), Naomi Seibt und Peter Weber (Hallo Meinung). Auch die Medien MitteldeutschlandTV, Auf1, Info direkt und Freilich-Magazin sind vertreten.

Neben nahezu jeder Kontonummer findet sich eine E-Mail-Adresse. Ein Musterbrief in drei Sprachen wird gleich mitgeliefert: „Rechte Kreise versuchen das demokratische Miteinander in Deutschland zu zerstören, indem sie menschenfeindliche Propaganda sowie Vertreibungs- und Umsturzfantasien verbreiten.“ Am Ende des Schreibens lesen Banker: „Andere Banken und Zahlungsdienstleister sind Ihnen mit gutem Beispiel vorausgegangen.“ Es folgt ein Appell, das Konto zu schließen.

Staatlicher Einfluss

Gegen den Blogger Hadmut Danisch ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Beleidigung einer Person des politischen Lebens. Das Verfahren wurde eingestellt. Danisch unterhielt ein Spendenkonto bei der Deutschen Bank. Dort forderte das Landeskriminalamt Berlin eine Excel-Tabelle an mit allen Kontobewegungen von zwei Jahren. Das Schreiben vom 28. März 2023 endete mit dem Satz: „Diese Anfrage darf nicht als Grundlage einer Kündigung der Geschäftsbeziehung verwendet werden.“ Am 5. April 2023 kündigte die Deutsche Bank ohne Begründung, am 21. April beantwortete sie das Auskunftsersuchen.

Solche Fälle könnten sich in Zukunft häufen. Denn geht es nach Innenministerin Nancy Faeser, werden Bankauskünfte durch Verfassungsschutz-Behörden „entbürokratisiert“. Bisher beschränke sich die „Befugnis für Finanzermittlungen auf volksverhetzende und gewaltorientierte Bestrebungen“. Stattdessen soll es nun auf das Gefährdungspotenzial mutmaßlicher Extremisten ankommen. Dafür könne der Faktor „gesellschaftliche Einflussnahme“ relevant sein. Es betrifft also die Medien.

Als Extremismus definiert das Innenministerium „Bestrebungen, die den demokratischen Verfassungsstaat und seine fundamentalen Werte, seine Normen und Regeln ablehnen“. Die Einzelheiten stehen in Paragraf 4 Bundesverfassungsschutzgesetz. Die Nachrichtendienst-Behörde unterstellt beispielsweise der Tageszeitung „Junge Welt“ kollektiv, sie strebe „die Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung“ an und sei „das bedeutendste und auflagenstärkste Medium im Linksextremismus“. Ein paar Sätze später heißt es aber wieder einschränkend: „Einzelne Redaktionsmitglieder und einige der Stamm- und Gastautoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen.“

Zwar ist das Ansinnen von Nancy Faeser Teil eines 13-Punkte-Plans gegen Rechtsextremismus. Doch die Ministerin bestätigte bereits bei der Vorstellung am 13. Februar 2024, dass die neue Befugnis in gleicher Weise bei anderen Formen von Extremismus greifen soll. Schon heute steht der Verfassungsschutz wegen umfassender Kompetenzen in der Kritik. „Er verfolgt Menschen, bevor sie eine Straftat begangen haben, das macht kein anderer Inlandsgeheimdienst in westlichen Demokratien“, sagte der ehemalige Bildungs- und Finanzminister Mecklenburg-Vorpommerns Mathias Brodkorb (SPD). Der Verfassungsschutz arbeite daran mit, Meinungen aus dem Diskurs auszuschließen.

Mehr Rechte für den Nachrichtendienst will offenbar der Bayerische Rundfunk. Im Frühherbst 2023 machten BR-Reporter die Kreditwirtschaft auf 109 Bankkonten und 38 Paypal-Accounts aufmerksam und verwiesen zum Teil auf Verfassungsschutzberichte über die Kontoinhaber. Das Ergebnis sendete der BR um 7:00 Uhr morgens in den Nachrichten: „München: Mit Hilfe von BR-Recherche ist es gelungen, Geldkonten von Rechtsextremen still zu legen.“ Die Meldung endete mit einer klaren Forderung: „Ein Forscher des CeMAS kritisierte: Wenn einfache Presseanfragen ausreichten, damit Konten dichtgemacht würden, könne das auch der Staat tun.“

Was steckt dahinter?

Banken trennen sich immer öfter von kritischen Geistern. Das Diagramm unten berücksichtigt Kündigungen gegenüber Publizisten und Medienhäusern, soweit die Redaktion das Jahresdatum recherchieren konnte. Enthalten sind die Schicksale von 24 Personen mit jeweils ein bis vier Kündigungsfällen. Oft wurden jahrelange Geschäftsbeziehungen beendet – immer ohne Begründung.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) schreibt der Redaktion, Kreditinstitute dürften „Kündigungen ohne Angabe von Grund tätigen“. Hierbei handele es sich „um geschäftspolitische Entscheidungen, die die Bafin nicht kommentiert“.

Eine These besagt, dass der Verfassungsschutz auf Banken einwirkt, Konten zu schließen. Doch dafür fehlt es laut Bayerischem Rundfunk „an einer Rechtsgrundlage“. Paragraf 8a Bundesverfassungsschutzgesetz erlaubt lediglich das Einholen von Auskünften – und das nur dann, wenn „schwerwiegende Gefahren“ bestehen. Sollte hier aber tatsächlich „entbürokratisiert“ werden, könnten sich Banken bald zwei Mal überlegen, ob sie sich mit regelmäßigen Behördenanfragen konfrontiert sehen wollen.

Ende 2022 wurde die Verharmlosung von Krieg potenziell strafbar. Wäre es denkbar, dass eine Bank wegen Beihilfe verurteilt wird, weil sie für ein Medium ein Konto führte, auf dem Spenden für den Betrieb einer Plattform eintrafen, auf der regelmäßig Krieg „verharmlost“ worden ist? Hier käme es darauf an, ob Banker wussten, wofür die Geldeingänge dienen. Und ob sie das Ziel für unterstützenswert ansahen. Würde gegen das Portal Apolut tatsächlich ermittelt werden, könnte sich die Volksbank Pirna schlecht herausreden, von allem nichts gewusst zu haben. Schließlich hatte ja schon der „Tagesspiegel“ darüber berichtet – und nebenbei Bankchef Hauke Haensel in die Nähe von Russland gerückt.

Die Bankenaufsicht Bafin ist in dieser Frage jedoch unzuständig, wie aus einer Antwort auf eine Anfrage hervorgeht. Sie interessiert sich stattdessen dafür, ob der Geldeingang möglicherweise mit einer Straftat im Zusammenhang steht, „die eine Vortat der Geldwäsche darstellen könnte“. In diesem Fall müsste die Bank eine Verdachtsmeldung übermitteln.

Der Global Disinformation Index und ISD Germany lobbyieren bereits für eine stärkere Bafin. Beide erhielten in der jüngsten Vergangenheit Fördergelder von der Bundesregierung. 2021 veröffentlichten die Organisationen eine Studie über die Onlinefinanzierung von „Hassgruppen“ in Deutschland, ihre Forderung: Die „potenzielle Finanzierung illegaler Aktivitäten“ muss „Teil der Sorgfaltspflichten einer Bank und der aufsichtsrechtlichen Anforderungen“ werden.

Bei der Bafin gilt der Grundsatz: „Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim.“ Es gibt den Fall, dass ein Bankkunde Steuern hinterzogen hat und Banker durch Überweisung von Geldern ins Ausland daran mitwirkten. Ihnen war die Absicht unbekannt. Sie handelten legal. Doch die Bafin prüft, ob dieses Handeln „Auswirkungen auf die persönliche Zuverlässigkeit der Geschäftsleiter“ hat. Dann gerät der Bankvorstand unter Druck.

Auch wenn eine Verurteilung wegen Beihilfe zur Verharmlosung von Krieg weit hergeholt erscheinen mag – Mutmaßungen in der Presse und Medienberichte über Ermittlungen wären ohnehin der eigentliche Schaden. Die Angst um die eigene Reputation treibt Banken um.

Einblicke in ein Londoner Bankhaus

Im Juli 2023 war Brexit-Fürsprecher Nigel Farage wieder in den Medien. Die Bank beendete die Geschäftsbeziehung mit dem Politiker. Bei neun weiteren Geldhäusern hätte Farage kein neues Konto bekommen. Zunächst schien alles ganz simpel zu sein. So hieß es in der Süddeutschen: Wer beim Bankhaus Coutts „Kunde sein will, muss mindestens eine Million Pfund bei der Bank investiert haben – oder mindestens drei Millionen Pfund an Ersparnissen vorweisen.“ Und Farage war gerade einen Tick zu arm.

Doch dann kam ein internes Dossier ans Licht. Auf stolzen 40 Seiten befasste sich die Bank mit dem Politiker und einem Reputationsrisiko. Das Kreditinstitut problematisiert, dass Farage seine Beziehung zur Coutts-Bank öffentlich gemacht habe. (Spenden-finanzierte Medien kommen kaum daran vorbei.) In der Presse sei „viel Negatives über ihn berichtet“ worden. Weiter heißt es, dass ein Ausschuss eine Fortführung der Bankgeschäfte mit Farage angesichts „seiner öffentlich geäußerten Ansichten“ für unvereinbar mit der Position der Bank erachtet. Mit seinen Aussagen will man nicht „assoziiert werden“. Es gibt Meinungsverschiedenheiten in der Klima- oder Gender-Frage (LSBTIQ).

Das Dossier listet Belege für politisch inkorrektes Verhalten auf. Farage habe dem amerikanischen Medienmacher Alex Jones – ein Unterstützer von Donald Trump im Wahlkampf 2016 – ein Interview gegeben. Er sehe in der Nato-Osterweiterung eine Ursache des Ukraine-Krieges. Die Enthüllung schlug hohe Wellen. Auch weil die Muttergesellschaft der Coutts-Bank zu einem guten Drittel dem britischen Staat gehört. Premierminister Sunak kommentierte, es sei nicht richtig, ein Konto zu kündigen, weil eine Person „ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnimmt“. Nun plant die Regierung ein Gesetz: Für die Kündigung soll in Zukunft eine Frist von drei Monaten gelten und sie muss hinreichend begründet werden.

Illiberales Meinungsklima

Die Redaktion hat bei mehreren Banken recherchiert. Das zunehmend illiberale Meinungsklima ist demnach wesentlicher Faktor bei den Kündigungen – oder andersherum gesehen: eine zunehmend mutlose Gesellschaft. In einer Allensbach-Umfrage gaben 2014 noch 69 Prozent der Befragten an, frei über ihre politische Meinung reden zu können – 2023 waren es nur mehr 40 Prozent. Es geht, so viel wird deutlich, um eine zerfallende politische Mitte, die noch bereit ist, Stimmen verschiedener Seiten anzuhören und zu tolerieren.

Mittendrin stehen die Banken. Ein Spendenkonto für ein prominentes kritisches Medium führen? Erfordert „unheimliches Standvermögen“ auf Leitungsebene. Die Angst vor Schmähkritik in den Tageszeitungen sorgt für kalte Füße. Der Vorstand steht zwischen den Fronten. Kollegen, Bankkunden, Journalisten, Aktivisten und Bürger: Die oberste Etage muss sich erklären. Zunächst gegenüber Verwaltungs- oder Aufsichtsrat. Der Verband von Volksbanken oder Sparkassen kann Kreditinstitute zwar nicht bevormunden, mit wem sie Geschäfte machen. Aber auch ein Anruf in Sorge um die Reputation der gemeinsamen Marke macht Druck.

Das wirft ein neues Licht auf den Fall eines Unternehmens, das anonym bleiben will. Das Medium geriet zunehmend in die Kritik, verlor mehrere Konten, allerdings nur jene, die öffentlich sichtbar als Spendenkonto geführt wurden. Wie aus Bankkreisen verlautet, ist es wirtschaftlicher, 50 Kritikern zu kündigen, als 5000 Kunden zu verlieren, darunter größere Unternehmen, weil der Bank ein negatives Image anlastet.

Die Kreditinstitute haben wenig Interesse daran, sich gegenüber den Kontrollinstanzen zu exponieren. Die Bafin besitzt viele Möglichkeiten. Sie ordnet zum Beispiel „Kapitalzuschläge“ an, verpflichtet also Kreditinstitute, mehr Eigenkapital zu halten, um die Bankeinlagen ihrer Kunden besser zu decken. Die Behörde kann davon Gebrauch machen, wie sie auf Anfrage schreibt, „soweit ein Institut vorhandene Reputationsrisiken nicht berücksichtigt, die die Aufsicht als wesentlich bewertet“. Doch kam so etwas überhaupt schon einmal vor? Eine Statistik dazu habe er leider nicht, antwortet ein Bafin-Mitarbeiter. Bei der Bewertung von Reputationsrisiken ist für die Aufsicht jedenfalls relevant, ob eine Tatsache in den Medien Beachtung finden dürfte. „Soziale Netzwerke“ sind ebenfalls einzubeziehen.

Der Bankvorstand muss über einen ausreichend guten Ruf verfügen. Die Eignung der Führungspersonen ist gemäß Leitlinien der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) neu zu überprüfen „im Falle einer wesentlichen Auswirkung auf den Leumund eines Mitglieds des Leitungsorgans“. Verstöße gegen Vorschriften, Straftaten oder laufende Verfahren geben dazu den Anlass. Doch auch „sonstige negative Berichte mit relevanten, glaubhaften und zuverlässigen Informationen“, also lediglich Verdächtigungen, spielen eine Rolle. Ob es von Belang ist, wenn große Zeitungen einer Führungsperson enge Kontakte zu Extremisten nachsagen, wollte die Bafin nicht beantworten. Man äußere sich nicht zu „hypothetischen Fallgestaltungen“. Die Zuverlässigkeit eines Geschäftsleiters entscheide sich „in jedem Einzelfall anhand des konkreten Kandidaten“.

Existenzielle Folgen für Medien

„Wir haben damals circa 50 Prozent der Daueraufträge verloren“, erinnert sich Apolut-Geschäftsführerin Lena Lampe an das Ende von KenFM. Von einem ähnlichen Szenario geht sie auch jetzt aus – nach der Kündigung durch die Volksbank Pirna. Aufwändig produzierte Formate wie „Positionen“ oder „Zur Sache“ erreichten oft Hunderttausende Zuschauer. Diese Sendungen sind, so Lena Lampe, seit 2021 nicht mehr finanzierbar, ebenso wenig wie „TreeTV“ oder „Die Macher“.

Unabhängig von diesem Fall berichtet ein Medienunternehmen mit mehreren Mitarbeitern Ähnliches. Die Firma arbeitet seit etlichen Jahren und wurde um 2018 kurze Zeit Gegenstand negativer Presseberichte. Erst ab 2022 dann verlor das Medium nacheinander drei Konten. Eine leitende Person des Unternehmens schreibt auf Anfrage: „In allen Fällen haben wir natürlich die Unterstützer angeschrieben mit der Bitte, einen neuen Dauerauftrag einzurichten. In etwa die Hälfte tut dies, die andere Hälfte verliert man.“ Wenn man alle verlorenen Spendeneinnahmen zusammenrechne, kosteten die Kündigungen das Medium bislang einen „hohen vierstelligen Betrag, wahrscheinlich sogar noch etwas mehr“. Hinzukämen jedes Mal drei bis vier Tage Arbeit, um Unterstützer über das neue Konto zu informieren.

Journalistenverbände schweigen

Die führenden Pressegewerkschaften äußern bislang keine öffentliche Kritik. Der Journalistenverband Berlin sah 2001, wie eingangs erwähnt, noch einen „Angriff auf die Pressefreiheit“. Damals erwischte es die „Junge Freiheit“. Die Redaktion sprach die Organisation auf die einstige Kritik und den aktuellen Fall der Berliner Firma Apolut an – ohne Reaktion. DJV-Sprecher Hendrik Zörner erklärte sich in der Frage für unzuständig.

In den jährlichen Pressefreiheits-Berichten von „Reporter ohne Grenzen“ wird De-Banking nicht problematisiert. Obwohl es sich offenkundig um ein wachsendes Problem für die Pressefreiheit handelt, steigt Deutschland in der Rangliste der vorbildlichen Länder.

Auswege

Die gesellschaftlichen Probleme „erfordern eine intensive, unzensierte Diskussion, wenn wir jemals gute Lösungen für sie finden wollen“, sagt der Chefredakteur des britischen Magazins UnHerd. Eine „freie und ehrliche Diskussion“ sei der einzige Weg, die Menschen zusammenzubringen. Auch oppositionelle Stimmen sollten sich auf finanzielle Basisdienstleistungen verlassen dürfen. Ohne ein Konto geht es nicht.

Gegen eine Kündigung kann man sich mit einer einstweiligen Verfügung wehren, schreibt die Fachanwältin für Bankrecht Kerstin Bontschev auf Anfrage. Gewöhnliche Banken haben zwar das Recht, grundlos zu kündigen, jedoch „nicht zur Unzeit“. Das ist etwa dann der Fall, wenn das Medium bei keiner anderen Bank ein Konto erhält. Die öffentlich-rechtlichen Sparkassen haben zudem das in Artikel 3 Grundgesetz verankerte Recht auf Gleichbehandlung zu beachten. Nach Urteil des Bundesgerichtshof verlangt deshalb jede Kündigung einen sachgerechten Grund.

Der Sparkassen- und Giroverband schreibt: „Als öffentlich-rechtliche Kreditinstitute müssen Sparkassen allen gesellschaftlichen Gruppen, Personen oder Unternehmen, unabhängig von deren politischen Zielen, Zugang zu kreditwirtschaftlichen Leistungen ermöglichen.“ Dennoch entscheiden Sparkassen im konkreten Einzelfall anders. KenFM und Apolut scheiterten mehrfach daran, ein Konto bei einer Sparkasse zu eröffnen.

Der gesetzliche Anspruch auf ein Basiskonto dürfte für Publizisten kein Ausweg sein. Denn das Privileg gilt nur für Verbraucher, nicht für Geschäftstätige. Ab einem gewissen Spendenaufkommen kann man kaum noch von einer privaten Kontonutzung sprechen. Die Sparkassengesetze einiger Bundesländer wie in NRWBayern oder Brandenburg sehen einen Kontoanspruch für natürliche Personen im eigenen Geschäftsgebiet vor, also für Menschen, nicht für Unternehmen oder Vereine. Dabei spielt es nach Ansicht des Sparkassen- und Giroverbands keine Rolle, ob eine private oder geschäftliche Nutzung beabsichtigt ist. Eine Generalklausel im Gesetz ermöglicht den Sparkassen jedoch, die Eröffnung oder Fortführung eines Kontos bei Unzumutbarkeit zu versagen.

Bundesregierung: „Uns ist das Phänomen nicht bekannt“

Die Pressestelle von Medienstaatssekretärin Claudia Roth teilte der Redaktion mit: „Uns ist das … skizzierte Phänomen von Kontokündigungen bei Spenden-finanzierten Medien nicht bekannt.“ Generell sei „die Frage, ob und zu welchen Konditionen ein Konto bei einer Bank eröffnet oder gekündigt werden kann, vorrangig eine privatrechtliche“ und liege außerhalb der eigenen Zuständigkeit. Auf Nachfrage, ob die Staatssekretärin eine gesetzliche Klarstellung befürworten würde, „dass Sparkassen, die Medienschaffenden ein Konto gewähren, auch jedem anderen Medienschaffenden auf Wunsch ein Konto einrichten müssen“, verwies die Medienstelle schlicht auf ihre vorangegangene Antwort.

Die der Bafin übergeordnete Behörde von Christian Lindner (FDP) schreibt: „Dem Bundesministerium der Finanzen sind derzeit keine Fälle von Unternehmen bekannt, die Probleme mit der Eröffnung von Girokonten bei deutschen Kreditinstituten haben. Im Übrigen weisen wir darauf hin, dass es sich bei der Eröffnung eines Girokontos um eine geschäftspolitische Entscheidung handelt, die grundsätzlich im freien Ermessen des betroffenen Kreditinstituts liegt. Unternehmen in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf ein Girokonto zu verschaffen, ist aktuell nicht geplant. Gleiches gilt für die Ausweitung des gemäß Paragraf 31 Absatz 1 Zahlungskontengesetz bestehenden Verbraucheranspruchs auf ein Basiskonto auf Unternehmen oder juristische Personen.“

Die Anwältin Kerstin Bontschev gibt Contra: Es brauche „Sicherheit, um unternehmerische Freiheit zu garantieren“. Die Berufsfreiheit könne auf null reduziert werden, wenn ein Unternehmer ohne Konto dastehe. Der Staat verlangt Steuern, schließt die Finanzkassen für Barzahler, aber belässt es zugleich dabei, dass Unternehmen kein Anspruch auf ein Konto besitzen.

In demokratischen Gesellschaften mit Pressefreiheit müssen alle Journalisten und Medien – auch die regierungskritischen – recherchieren und publizieren können, ohne dass ihnen von staatlichen oder privaten Akteuren strukturelle Hindernisse in den Weg gestellt werden. Der Staat steht in der Verantwortung, dafür zu garantieren.

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Von Veritatis

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