Die Geschichte der Sklaverei ist so alt wie die Geschichte der Menschheit – und wo Menschen herrschten, gab es auch Sklaven. Dennoch hat sich heute die exklusiv-verengende Sicht auf die Sklaverei der Europäer und ihrer Nachfahren in Amerika als alles dominierender Blickwinkel durchgesetzt. Viele Menschen können die Geschichte der Sklaverei in den USA herunterbeten und lang und breit über ihre Folgen für schwarze Amerikaner, über „systemischen Rassismus“ und ominöse Mechanismen „weißer Vorherrschaft“ referieren.
Die radikale Linke in den USA will etwa die Polizei abschaffen, weil sie angeblich aus „Sklaven-Patrouillen“ hervorgegangen und deshalb an sich rassistisch sei. Solche Konzepte, die unter der Parole „Defund the Police“, in etwa „nehmt der Polizei das Geld weg“, nach dem Tode des Afroamerikaners George Floyd im linken Mainstream der USA mehrheitsfähig wurden, haben sich längst auch in Deutschland breitgemacht. Man kann sich diese amerikanischen Narrative heute 1:1 an deutschen Universitäten anhören und dann mit dem Gefühl, endlich „woke“ für den Kampf gegen „systemischen Rassismus“ zu sein, nach Hause gehen.
Die renommierte New York Times startete etwa 2019 das sogenannte „1619 Project“, eine Initiative, die die Geschichte der USA von Grund auf umschreiben und neu erzählen wollte. Die Geschichte der Vereinigten Staaten begann nicht mit der legendären „Mayflower“, nicht mit dem Kontinentalkongress – sondern mit der Ankunft des ersten Sklavenschiffs. „Kein Aspekt des Landes, das hier geformt werden würde, ist von diesen Jahren der Sklaverei, die folgten, unberührt geblieben.“ Die Sklaverei, und mit ihr der Rassismus, hätten Amerika quasi von der Wurzel her geprägt – umgekehrt hatte der Rassismus Sklaverei erst möglich gemacht.
Zum islamischen Sklaven-System oder der schwarzafrikanischen Praxis der Sklaverei können Leser des „1619 Projects“ oder viele Studenten, die Kurse für „postkoloniale Perspektiven“ und Anti-Eurozentrismus-Seminare belegt haben, wahrscheinlich sehr wenig sagen. Auch, dass das deutsche Wort „Sklave“ wie auch „Slave“ im Englischen seinen Ursprung wohl in der Versklavung vieler osteuropäischer, slawischer Stämme im neunten Jahrhundert nach Christus hatte, wird sie überraschen. Die Sklaverei ist eben keine Erfindung rassistischer Weißer, sondern so alt wie die Menschheit: Schon die Ägypter errichteten ihr monumentales Reich auf dem Rücken von Sklaven, das Karthagerreich verdiente ein Vermögen mit dem Sklavenhandel im Mittelmeer und darüber hinaus, und im Römischen Reich wie im antiken Griechenland war die Sklaverei etablierte Praxis.
Das Alte Testament der Bibel kennt, genauso wie der Islam, zahlreiche Regeln zum Umgang mit Sklaven. Das legendäre Königreich Mali war ein Sklavenkönigreich wie auch die präkolonialen Reiche der Dahomey und Ashanti im heutigen Benin oder Ghana. Die Europäer handelten in der Neuzeit millionenfach mit Sklaven und bauten eine rassistisch legitimierte Kolonialwirtschaft auf ihrem Rücken auf; islamische Herrscher wurden reich mit der Sklaverei, christliche Kinder des Balkans kämpften zu Tausenden in osmanischen Sklavenheeren.
Der transatlantische Sklavenhandel: Leid und Tod auf dem Atlantik
Die europäischen Kolonialisten bauten ihre Reiche auf dem Rücken von Sklaven auf: Die Spanier und Portugiesen versklavten zunächst die amerikanischen Ureinwohner, bevor deren zunehmendes Massensterben und der immer größere Bedarf an Arbeitskräften den Import von Sklaven aus Afrika profitabel machte. So entstand der transatlantische Sklavenhandel, das größte globale System von Sklaverei mit den nachhaltigsten Effekten: Die europäische Sklaverei hatte vielleicht den global größten und langfristigsten Einfluss.
Circa 10,7 Millionen Afrikaner kamen als Sklaven in Amerika an; rund 1,8 Millionen starben, im Bauch der Schiffe eingepfercht, schon auf den langen Fahrten über den Atlantik. Die fortwährenden Entwicklungen und auch nach dem Ende der Sklaverei bestehenden Missverhältnisse haben den Kontinent und seine Gesellschaften geprägt. Insbesondere in den Vereinigten Staaten spielt die Auseinandersetzung mit der Sklaverei und ihrem Vermächtnis eine große, wachsende und kontroverse Rolle im nationalen Geschichtsbewusstsein.
Die Europäer rechtfertigten die Sklaverei, gerade mit dem Fortschreiten der Aufklärung, immer mehr mit Rassismus. Es waren die gesellschaftsrevolutionären Demokraten der Jackson-Ära, die in den Vereinigten Staaten der Sklaverei ihren rassistischen Charakter gaben. Für die Konföderation des Südens und damit für die Sklaverei starben im amerikanischen Bürgerkrieg noch Tausende Menschen – im 19. Jahrhundert. Konföderierten-Vizepräsident Alexander H. Stephens etwa verkündete noch 1861 die „große Wahrheit, dass der Neger dem weißen Mann nicht ebenbürtig sei“, als „Eckpfeiler“ der neuen, konföderierten Nation.
Wie Sklaven Europa reich machten
Die Sklaven waren das Rückgrat der Plantagenwirtschaft, ob auf spanischen und portugiesischen Zuckerplantagen oder auf englisch-amerikanischen Baumwollplantagen. Sie schufteten sich auch in Minen zu Tode und vergoldeten so die iberischen Reiche ganz im wörtlichen Sinne – spanische Galeonen voller Gold sind bis heute legendär. Auch die Franzosen, Engländer und Niederländer profitierten immens vom Sklavenhandel und nahmen eifrig daran teil.
Sogar Deutsche profitierten vom Handel mit Sklaven aus Afrika: Brandenburg-Preußen stieg im späten 17. Jahrhundert gar staatlicherseits in den Sklavenhandel ein. Am März 1682 verfügte der „große Kurfürst“ Friedrich Wilhelm, Urgroßvater Friedrich des Großen, über die Gründung der Handelscompagnie auf denen Küsten von Guinea, aus der später die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie wurde. Dazu wurde auch der koloniale Handelsposten Groß Friedrichsburg im heutigen Ghana gebaut. Diese brandenburgisch-preußische Handelskompanie handelte mit allerlei Kolonialware und auch mit Sklaven. 23.538 Menschen wurden Opfer von Sklavenhandel unter brandenburgischer Flagge – eine vergleichsweise geringe Zahl im Zeitalter des transatlantischen Sklavenhandels.
Wer aber die Institution der Sklaverei als eine rein weiße oder bloßes Instrument von Rassismus begreift, begreift es schief – Sklaverei war die Norm der Menschheit und sicher nicht auf ein Volk, einen Kontinent oder eine Hautfarbe beschränkt. Der Sklavenhandel wurde auch nicht auf dem Reißbrett in London, Madrid oder Lissabon entworfen: „Tatsächlich waren die Europäer oft die Juniorpartner der afrikanischen Herrscher“, meint die amerikanische Historikerin Zayde Antrim. „Als die Europäer Mitte des 15. Jahrhunderts erstmals Handelsbeziehungen mit den Westafrikanern aufnahmen, trafen sie auf gut etablierte und hoch entwickelte politische Organisationen und wettbewerbsfähige regionale Handelsnetze.“
Die Europäer waren von den afrikanischen Königreichen und den Handelsnetzen der Sklavenwirtschaft abhängig: Es wäre ihnen auch kaum möglich gewesen, die Sklaven selbst aus dem tieferen Afrika zu entführen. Tropenkrankheiten wie Malaria und die Unangepasstheit zum Beispiel der Portugiesen an die Verhältnisse raffte viele Expeditionsmannschaften dahin. Historiker schätzen, dass 90 Prozent aller Afrikaner, die Opfer des transatlantischen Sklavenhandels wurden, von Afrikanern versklavt und dann an die Europäer verkauft wurden.
Sklaverei in der islamischen Welt
Während die Perspektive in den historischen und populärhistorischen Debatten über Sklaverei stets auf dem transatlantischen Sklavenhandel liegt, wird oft völlig verkannt: Millionen Afrikaner wurden über die Küsten des Indischen Ozeans deportiert. Der arabische Sklavenhandel prägte Afrika mehr, als es der europäische tat: Er hielt ganze 13 Jahrhunderte an, begann im siebten Jahrhundert und setzte sich letztendlich bis in die 1960er-Jahre fort. Im arabisch-afrikanischen Mauretanien wurde Sklaverei erst im August 2007 verboten.
Nicht nur über den Indischen Ozean, sondern auch auf schrecklichen Treks durch die Sahara mussten Millionen Schwarzafrikaner ihre Heimat in Ketten verlassen. Die Todesrate auf diesen Sahara-Märschen war wenig überraschend sehr hoch. Der deutsche Entdecker Gustav Nachtigal schrieb über sie: „Die armen Kinder der schwarzen Länder scheinen hier, auf der letzten Etappe einer langen, hoffnungslosen und schmerzhaften Reise, dem Tod zu begegnen.“
Und weiter: „Die Erinnerung an ihre auf dem Weg verschwundene Heimat, die Angst vor einer unbekannten Zukunft, die endlose Reise unter den Schlägen, der Hunger, der Durst und die tödliche Erschöpfung haben ihre letzten Widerstandsfähigkeiten gelähmt. Wenn den armen Geschöpfen die Kraft fehlt, wieder aufzustehen und zu gehen, werden sie einfach aufgegeben, und ihr Geist verblasst langsam unter der zerstörerischen Wirkung der Sonnenstrahlen, des Hungers und des Durstes.“ Nachtigal dokumentierte noch 1872 eine Reise mit muslimischen „Sklavenjägern“ im Tschad: „Sie hatten nicht das geringste Bedauern, diese ‚verfluchten Heiden‘ wie Perlhühner zu erlegen“, notierte er.
Wie Großbritannien die Sklaverei abschaffte
Großbritannien profitierte ebenfalls immens vom Sklavenhandel. Auch hier war Sklaverei, wie eigentlich allerorts, stets ein Teil der Gesellschaft gewesen, schon mit den Römern und vor ihnen. 1086 waren 10 Prozent der Engländer Sklaven. Mit ihrem wachsenden Kolonialreich bauten die Engländer auch ihren Sklavenhandel aus – die Amerikaner erbten die Sklaverei im Süden immerhin von den Briten.
Großbritannien war jedoch auch das Land, das die Sklaverei abschaffte – und zwar in einer Vehemenz, die in der Geschichte ihresgleichen suchte. In der individualistischen, liberalen Gesellschaft des Vereinigten Königreichs wuchs Widerstand gegen die Sklaverei. In einem historischen Urteil, dem sogenannten „Sumerset Case“ erkannte ein britischer Richter namens Lord Mansfield, dass ein Sklave namens Jakob Sumerset nicht nach Jamaika verschifft, sondern freigelassen werden müsse. Sumerset war vorher aus Afrika nach England gebracht worden. Der Fall verankerte damit in der Rechtsordnung, dass die Sklaverei in England keine rechtliche Basis hatte.
Dieses Urteil galt zunächst für England – 1807 wurde der Handel mit Sklaven dann durch den Slave Trade Act im gesamten Empire verboten, 1811 wurden die Strafen dafür verschärft. Die britische Flotte setzte dieses Verbot auch auf den Weltmeeren durch: Zwischen 1807 und 1860 kaperte und beschlagnahmte das West Africa Squadron der Royal Navy rund 1600 Sklavenschiffe und befreite über 150.000 versklavte Afrikaner. 1833 beendete der Slavery Abolition Act schließlich die Sklaverei im gesamten Empire.
Es bleibt eines der historisch größten Verdienste Großbritanniens, so viel wie keine zweite Macht für das Ende der weltweiten Sklaverei getan zu haben – und das sollte auch in den im Vereinigten Königreich gegenwärtigen postkolonialen Diskursen, die Großbritannien eine tiefe rassistische Erbsünde anlasten, nicht vergessen werden. Es waren am Ende die Briten, die Matrosen und Soldaten opferten, um gegen die Sklaverei anzukämpfen und diese barbarische Praxis von einer quasi universalen menschlichen Norm zu einem Verbrechen zu machen. Am Ende des Zeitalters der Sklaverei waren es weiße, britische Truppen, die das Ende der Sklaverei auch mit Waffengewalt gegenüber den Schwarzafrikanern durchsetzten – zwischen der Sahara und dem Tafelberg und zwischen Atlantik und Indik betrieben die afrikanischen Königreiche ihre jahrtausendealte Praxis nämlich munter weiter.
Es sei an dieser Stelle auch nicht Amerika vergessen. Ungefähr 258.000 Amerikaner starben unter konföderierter Flagge – aber über 365.000 starben unter US-Flagge auch für den Kampf gegen die Sklaverei. Dass die USA die barbarische Institution der Sklaverei schließlich abschütteln konnten, wurzelt in den amerikanischen Werten von Freiheit und Individualismus: Schon viele Gründerväter der Vereinigten Staaten erkannten zähneknirschend an, dass die Sklaverei die Prinzipien der amerikanischen Revolution eigentlich im Kern verletzte – aber ökonomische Interessen insbesondere im Süden und auch der Rassismus der Zeit halfen ihnen, über diesen Widerspruch hinwegzusehen. Es sollte die Nation und die Amerikaner – insbesondere die Afroamerikaner – viel kosten.
Zum Abschluss sei gesagt: Die Sklaverei ist auch kein Phänomen der Vergangenheit. Werden heute auch keine Menschen in Kolonnen mit Ketten um den Hals hintereinander hergetrieben und auf Schiffe verladen, so sind moderne Formen von Sklaverei global gesehen doch alles andere als eine Randerscheinung. Die Golfstaaten, etwa Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, stehen seit Jahren für ihren Umgang mit sogenannten Gastarbeitern in der Kritik.
Diesen Menschen, die oft vom indischen Subkontinent (also aus Ländern wie Indien, Pakistan, Nepal oder Bangladesch) stammen, befinden sich oft in Gefangenschaft – ihnen wird der Pass abgenommen, sie müssen lange für wenig oder gar kein Geld unter schrecklichen Bedingungen arbeiten. Beim Bau der Stadien für die Weltmeisterschaft in Katar 2022 sollen etwa viele dieser modernen Sklaven eingesetzt worden sein. Die britische Zeitung The Guardian schätzt, dass zwischen 2010 und 2020 rund 6.500 ausländische Gastarbeiter in Katar gestorben sind.
Ironischerweise hat Katar diese Vorwürfe immer mit dem Argument zurückgewiesen, sie seien rassistisch – ein Vorwurf, den eifrige Studenten von „kritischer Weißheit“ und „Postkoloniale Perspektiven“-Seminaren sicher amplifizieren werden.
Die Grundlage vernünftiger Politik ist ein realistisches Verständnis der Geschichte. Apollo Chronik erscheint jeden Samstag – und bietet statt post-kolonialer Mythen die Fakten zur Geschichte des Westens.
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