Der Wanderwitz-Antrag für ein AfD-Verbot ist ein Skandal. Die Opposition zu verbieten, ist einer westlichen Demokratie unwürdig. Wie wird der Bundestag abstimmen? Die AfD muß auch Hausaufgaben machen.

von Robert Mühlbauer

Zahlreiche linke Journalisten kriegen derzeit ganz feuchte Hände vor Aufregung. Endlich könnte ein Verbotsverfahren gegen die verhaßte AfD in Gang kommen. Die Süddeutsche Zeitung findet, der vom sächsischen CDU-Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz eingebrachte Antrag sei zwar nicht ohne Risiko, doch sei es grundsätzlich „richtig und notwendig“, ein Parteiverbotsverfahren einzuleiten.

Der Spiegel hat in Leitartikeln schon länger ein AfD-Verbot gefordert. Es sind nur zwei Beispiele für Medien, die an den Grundfesten der Demokratie sägen. Im Ausland reiben sich viele verwundert die Augen.

Denn in einer westlichen Demokratie (außerhalb Deutschlands) ist es eigentlich undenkbar, die zweitwichtigste Oppositionspartei rechts der Mitte einfach zu verbieten, die gegenwärtig bei fast zwanzig Prozent Wählerzustimmung liegt. Das gibt es in England, in Frankreich, Italien oder den Niederlanden nicht. Es wäre ein Armutszeugnis und letztlich eine Kapitulationserklärung der etablierten gegnerischen Parteien in Deutschland.

Merz wollte die AfD halbieren

Hatten denn die Ampelregierungsparteien und die CDU/CSU nicht bis zuletzt getönt, sie wollten die AfD inhaltlich stellen und entlarven, sie würden sie „durch gute Politik“ (Kanzler Olaf Scholz) wieder kleiner kriegen, man würde die AfD gar „halbieren“ (Oppositionsführer Friedrich Merz)?

Marco Wanderwitz, der ehemalige Ostbeauftragte der Merkel-Regierung, zeigt ganz offen seine totalitären Phantasien und Ziele mit dem AfD-Verbotsantrag. „Wir würden dieser Truppe damit grundsätzlich den Stecker ziehen. Die Partei wäre verboten, ihr Vermögen würde eingezogen. Alle Menschen, die für die Partei arbeiten, würden sofort ihren Job verlieren. Alle Mandate, vom ehrenamtlichen Ortschaftsrat bis zum Europaparlamentsmandat, verfallen augenblicklich. Alle Mitarbeiter der Abgeordneten und Fraktionen aller Ebenen würden augenblicklich arbeitslos. Wir würden die Struktur der AfD auf null zurückfahren“, tönt Wanderwitz. Der CDU-Abgeordnete spricht von einer „Atempause für die Demokratie“.

Tatsächlich will er der Demokratie die Luft abschnüren. Millionen von Wählern würden der Wahlmöglichkeit beraubt, sie könnten ihren Unmut über eine grundsätzlich verfehlte Einwanderungs- und Asylpolitik, über eine preistreibende Energie- und Klimapolitik, die zunehmende Deindustrialisierung Deutschlands, Genderpolitik-Irrsinn, Messerkriminalität und andere Fehlentwicklungen nicht mehr an der Wahlurne äußern, indem sie ihr Kreuz bei einer scharf oppositionellen rechten Kraft machen.

Mehrheit für AfD-Verbotsantrag ungewiß

Das Grundgesetz läßt zwar nach Artikel 21 grundsätzlich die Möglichkeit eines Parteiverbots durch das Bundesverfassungsgericht zu – dieser Artikel soll eine Lehre aus der Weimarer Republik und der Nazi-Zeit sein. Doch dieses schärfste Schwert der bundesrepublikanischen Verfassung ist seit sechs Jahrzehnten nicht angewandt worden.

Unklar ist noch, ob der Wanderwitz-Antrag für ein Verbotsverfahren im Bundestag eine Mehrheit findet. Einige Beobachter halten das derzeit für eher wenig wahrscheinlich. Wanderwitz (der 2021 sein Direktmandat im Chemnitzer Umland an seinen AfD-Kontrahenten verlor) ist in seiner Partei isoliert. Die Suche nach mindestens 37 Unterstützern im Bundestag gestaltete sich als zäh, Wanderwitz brauchte mehr als ein Jahr.

Sowohl die Union als auch die SPD sind mehrheitlich gegen einen AfD-Verbotsantrag, weil sie ihn für taktisch unklug halten. Damit würde man „der AfD weitere Wähler in die Arme treiben“, heißt es von den Sozialdemokraten. Die AfD könnte sich „als Opfer aufspielen“. Dabei ist sie faktisch ein Opfer eines undemokratischen Anschlags auf die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb.

Regeln überall zulasten der AfD manipuliert

Auch an vielen weiteren Stellen tricksen die anderen Parteien und verbiegen die Regeln, um den Wettbewerb zu ihren Gunsten zu manipulieren. Sie haben vielerorts ein Kartell gebildet, um die AfD in Parlamenten von Ausschußvorsitzen oder Vizepräsidentenposten fernzuhalten, um der AfD-nahen Stiftung Mittel vorzuenthalten, während gleichzeitig ihre Parteistiftungen mit Hunderten Millionen Steuergeld gemästet werden. Bislang haben all die Geschäftsordnungs- und Verfahrenstricks viele Wähler eher nicht beeindruckt und sogar darin bestärkt, daß die AfD der Underdog in der Demokratie ist, den sie wählen wollen.

Mit dem Verbot würde der AfD komplett „der Stecker gezogen“, hofft Wanderwitz. Selbst wenn sein Antrag im Bundestag jetzt durchkäme, würde sich ein wohl jahrelanges Verfahren in Karlsruhe anschließen. Die Antragsteller müßten nachweisen, daß die AfD „aggressiv-kämpferisch“ gegen die grundgesetzliche freiheitlich-demokratische Grundordnung agiere.

Im AfD-Parteiprogramm und in den Beschlüssen des Bundesvorstands oder den Bundestagsreden finden sich dafür keine Anzeichen. Die juristischen Hürden für ein Verbotsverfahren sind sehr hoch, daher riet der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, davon ab. Und auch Bundesjustizminister Marco Buschmann ist skeptisch.

Gefahr für etablierte Parteien – und die AfD

Die Gefahr – aus Sicht der etablierten Parteien – eines Scheiterns des Verbotsverfahrens ist beträchtlich. Das wäre für sie eine gewaltige Blamage. Daher warnen viele in der Allparteienkoalition. Doch es gibt auch ein Risiko für die AfD, daß ein entsprechender Antrag im parteipolitisch besetzten Karlsruher Gericht durchkäme. Die NPD wurde beim zweiten Anlauf nur deshalb nicht verboten, weil sie zwar als verfassungsfeindlich, doch als zu bedeutungslos klassifiziert wurde.

Die AfD muß sich vorsehen und hat Hausaufgaben zu machen. Sie muß alles vermeiden, was als „aggressiv-kämpferische Haltung“ gegen elementare Grundgesetznormen verstanden werden kann. Fahrlässiges Gerede vom „Sturz des Systems“, wie es großmäulige publizistische Einpeitscher von der Seitenlinie von sich geben, ist komplett kontraproduktiv und gefährlich.

Auch darf bei aller Kritik an der verfehlten Asylpolitik und den Folgen der Masseneinwanderung kein Zweifel aufkommen, daß man die Menschenwürde aller, auch der illegalen Ausländer und abgelehnten Asylbewerber, stets wahrt – auch bei Abschiebungen. Fehler der etablierten Parteien kann man scharf angreifen, doch niemals „das System“ der parlamentarischen Demokratie infrage stellen.

Keine Parteienfinanzierung mehr?

Die Spitzen der AfD haben das verstanden. Bei einigen Untergliederungen in Landes- und Kreisverbänden gibt es indes Scharfmacher, die sie einbremsen müßten. Jede fahrlässige extremistische Aussage ist Wasser auf die Mühlen der Wanderwitze im Bundestag.

Hilfsweise, falls ein AfD-Verbot noch nicht möglich ist, fordert Wanderwitz einen Ausschluß von der staatlichen Parteienfinanzierung. Diese Möglichkeit erscheint sehr viel wahrscheinlicher als das Parteiverbot. Hier liegt für die AfD eine große Gefahr. Ihr würden viele zig Millionen Euro entzogen, in Wahlkämpfen stünde sie finanziell nackt und sehr geschwächt da. Eine verantwortungsvolle Parteiführung wird diese Gefahren nicht unterschätzen, die sich über ihr zusammenbrauen.

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