Am Berliner Maxim-Gorki-Theater leuchtet Yousef Sweids einstündige Solo-Performance, die vom Krieg in Gaza erzählt: „Between the River and the Sea“
Yousef Sweid bestreitet den Abend allein
Foto: Esra Rotthoff
Für Yousef Sweid ist der Nahostkonflikt eine zutiefst persönliche, facettenreiche Angelegenheit: Der in Haifa geborene Schauspieler ist israelischer Palästinenser. Aufgewachsen zwischen den Kulturen, als Christ, der Arabisch und Hebräisch spricht. Kein richtiger Palästinenser, kein richtiger Israeli.
Aus dieser besonderen Perspektive des Dazwischen hat er am Maxim-Gorki-Theater zusammen mit der Regisseurin Isabella Sedlack nun einen Theaterabend entwickelt: Between the River and the Sea. Schon im Titel wird klar, dass sich die beiden gegen eine Parteinahme verwehren. Die propagandistische Parole wandeln sie um in eine Fantasie der friedlichen Koexistenz: Zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer leben Juden, Christen und Muslime, Israelis und Palästinenser nun mal
8;stinenser nun mal neben- und miteinander.Damals, so Sweid, habe es noch Raum gegeben für den „Schmerz aller Seiten“Niedrigschwellig, mit biografischen Anekdoten und viel Komik nähern sich Sweid und Sedlack in der einstündigen Solo-Performance dem komplexen Thema. Im Tonfall eines Stand-up-Comedians parliert Sweid über die laufende Scheidung von seiner zweiten Frau und darüber, wie er seine erste Frau kennenlernte, die berühmte israelische Theatermacherin Yael Ronen, lange eine prägende Regisseurin am Maxim-Gorki. In Tel Aviv spielte er 2006 in einer ihrer Inszenierungen mit und versetzte sich als Schauspieler in den israelischen Soldaten ebenso wie in den palästinensischen Kämpfer.Damals, so Sweid, habe es noch Raum gegeben für den „Schmerz aller Seiten“. Nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 vereindeutigten sich die Haltungen, im Kulturbetrieb wurde es sehr still oder extrem laut. Vorstellungen von Yael Ronens Nahoststück The Situation wurden abgesagt; Theater lebe von der Vielstimmigkeit und müsse sich „den großen Vereinfachern“ wie dem Krieg entziehen, hieß es in der Stellungnahme. In diesem Geiste wagt sich Yousef Sweid nun, mit einer an Ronens frühen Arbeiten geschulten Ästhetik, erneut an das Thema: Weil sein jugendlicher Sohn ihn gefragt habe, warum in der Schule nicht über den 7. Oktober geredet werde.Ein Stuhl, ein Mikrofon, mehr braucht es nicht im Studio Я des Gorki, dann ist Yousef Sweid mal eben dieser Sohn, der auf einem Stuhl abhängt und vom Nahostkonflikt so wenig Ahnung hat wie Yousef selbst im gleichen Alter. Oder er ist der eigene Vater Sliman Sweid, der Yousef um eine Geschichtslektion über die „Arabs of 48“ für das Berliner Publikum ersucht: Palästinenser leben im Exil, zwischen orthodoxen Siedlern, es gibt sie in den Flüchtlingslagern oder in Gaza („who are – well, fucked“). So inventarisiert Sweid sie stellvertretend für seinen Vater.Auch Yousef soll der Welt die Kriegsgräuel zeigenIn der Biografie seiner Alter-ego-Figur findet Sweid auch den Moment der Erkenntnis über das eigene Anderssein: Im Kindergarten nannte ihn ein anderer Vierjähriger „stinkender Araber“. An der Oberschule traf Sweid dann einen Sportlehrer, der ihn für den palästinensischen Widerstand begeisterte. Zumindest in Stilfragen: Stolz trug Sweid das geschenkte T-Shirt mit der Cartoonfigur Handala, die das palästinensische Volk symbolisieren soll.Zwischendurch wird es immer wieder ernst, todernst für den im Stück oft unbekümmerten, privilegierten Yousef, der mit seinem israelischen Pass jeden Checkpoint passiert, mit seiner Frau Yael nach Berlin auswandert, den Nahostkonflikt so aus der Ferne und im Theater mehr studiert, nicht erlebt: Daniel, bester Freund seit Schultagen und Jude, aber auch Salma, seine Jugendliebe und Araberin, fordern nach dem Massaker der Hamas und Israels Militärschlag seine Stellungnahme. „These monsters want to kill us all … I want them dead“, sagt Daniel, der im Kibbuz Be’eri viele Freunde und fast seine Mutter verloren hat. „It’s enough. We need to fight back“, fordert die kriegstraumatisierte Salma: „Why aren’t you posting anything?“ Auch Yousef soll der Welt die Kriegsgräuel zeigen. Als er sich der politischen Positionierung entzieht, brechen beide den Kontakt zu ihm ab. Und auf der Bühne wird es still.Frei von Anklage und um Verständnis für alle Beteiligten werbend, erzählen Yousef Sweid und Isabella Sedlack vom Israel-Gaza-Krieg und seiner Geschichte. An der Oberfläche unterhaltsam, untergründig erschütternd. Und vor allem: Sehenswert.