Medienstar Sophie Passmann hat einen neuen Podcast – ganz ohne Co-Host. In ihrem Format unterhält sie sich hauptsächlich mit sich selbst. Einfach mal loslabern, lautet das Motto. Manchmal fragt Passmann ChatGPT. Aber geht das Konzept auf?


Sophie Passmann auf der Berlin Fashion Week, 2024

Foto: picture alliance/Evenpress Kochan


Es gab mal eine Zeit, da war es ein beliebter Running Gag, zu fragen, welche Prominente, welcher Star eigentlich noch keinen eigenen Podcast habe. Damals, als Podcasts als spannendes Medium immer mehr in den Mainstream drängten und zum perfekten Selbstvermarktungs-Portfolio gehörten.

Die Inhalte waren oft zweitrangig, der Name zählte – von Richard David Precht bis Toni Kroos. Das war nicht immer schlecht, und warum sollte ein Promi nicht auch einfach mal loslabern wollen. Viele der Formate gibt es bis heute, nur der Gag ist etwas oll geworden.

Warum mir das jetzt wieder einfällt? Seit Ende März hat Sophie Passmann einen neuen Podcast. Der Sophie Passmann Podcast heißt er. Nun ist es nicht so, dass die Autorin „late to the party“ wäre. Passmann hat die ganze Podcast-Nummer schon mehrfach durchexerziert, hat in einem Zeit-Podcast über Fernsehen gesprochen und mit Joko Winterscheidt den Podcast Sunset Club gemacht. Die übliche Promi-Podcast-Karriere also.

Sophie Passmann sendet aus dem Büro – mit grünem Fax und schlimmer Zimmerpflanze

Das Besondere am neuen Format ist allerdings, dass Passmann gleich ganz auf Gesprächspartner verzichtet. Wo Sophie Passmann draufsteht, ist jetzt ausschließlich Passmann drin. Der Star der One-Woman-Show sitzt nun also allein in einem seltsam eingerichteten Studio, das an ein Büro erinnern soll – angeblich ein Sehnsuchtsort für Passmann, warum auch immer. Mit einem grünen Faxgerät, das aber nicht funktioniert, mit Stifthalter, Post-its und schlimmer Zimmerpflanze.

Wobei sich die Büroatmosphäre damit auch schon weitestgehend erschöpft hat. Dunkle Holzwände, indirektes Licht und ein leuchtender Slogan mir zu Ehren (in diesem Fall „TUTTO PASSI“) gehört jedenfalls nicht zu meinem grauen Büroalltag.

Warum ich so viel über Sophie Passmanns „Büro“ weiß? Weil es den Sophie Passmann Podcast auch als Videoformat gibt. Wie sollte es auch anders sein, es gilt, jeden Trend mitzugehen und die Zielgruppe auf allen Kanälen anzusprechen. Dieser Zielgruppe erzählt Sophie Passmann von ihrem Schreibtisch aus, wie sie die Welt so sieht – mit mehr Zeit, als es die kurzen Formate bei Tiktok oder Instagram zulassen.

Oder wie sie es ausdrückt: ein Laberpodcast mit sich selbst. Dieses Konzept schlägt sich auch in der Themenauswahl nieder – es ist ein wilder Mix, der sich wohl unter der Überschrift Popkultur zusammenfassen ließe. Da werden Serien besprochen und der Zeitgeist, vom Thermomix geht es nahtlos in eine Feminismus-Debatte über und eine Billie-Eilish-Doku wird verbunden mit einem passmannschen Traktat zu Authentizität, bevor es um NDR-Dokus und Sexualtherapien und zugegeben ziemlich ätzende Männer geht.

Im Hyperindividualismus zur Marke werden

Diese Mischung aus Laberpodcast und Wort zum Sonntag inhaltlich nach zwei Folgen abschließend zu bewerten, wäre ungerecht. Was sich aber bereits sagen lässt, ist, dass dieses Format eine bemerkenswerte Illustration unserer Gegenwart ist. Dialog? Braucht man nicht, auch wenn Sophie Passmann immer wieder den Eindruck erweckt, hier finde ein Austausch zwischen ihr und dem Publikum statt.

Doch das einzige „Gespräch“ ergibt sich mit ChatGPT, das Sophie Passmann regelmäßig befragt, wenn sie gerade mal etwas nicht weiß (übrigens auch so eine „Zeitgeist“-Frage, die Passmann abhandelt: Wie sollen wir mit der KI reden?).

All das passt zum allgegenwärtigen Hyperindividualismus. Jeder versucht, eine eigene Marke zu werden, und jeder will ein Sender sein, überzeugt davon, die eigene Sicht auf die Welt sei unverzichtbar. Und es legt die Probleme dieser Entwicklung offen. Wenn ein Witz – egal, ob gut oder schlecht – ohne hörenswerte Reaktion verhallt, dann transportiert sich dabei auch ein Gefühl der Einsamkeit. Und wenn eine These nicht diskutiert wird, dann fehlt etwas.

Podcasttagebuch

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und sammelte nebenbei erste journalistische Erfahrungen. Als Product Owner Digital überlegt er, was der Freitag braucht, um auch im Netz möglichst viel Anklang zu finden. Daneben schreibt er weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts

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Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und sammelte nebenbei erste journalistische Erfahrungen. Als Product Owner Digital überlegt er, was der Freitag braucht, um auch im Netz möglichst viel Anklang zu finden. Daneben schreibt er weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts



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Von Veritatis

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