Washington (Scheerpost) – Israel steht kurz davor, die größte ethnische Säuberung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs durchzuführen. Seit dem 2. März blockiert das israelische Militär den Zugang zu Nahrungsmitteln und humanitärer Hilfe für Gaza und hat die Stromversorgung gekappt, wodurch die letzte Entsalzungsanlage außer Betrieb ist. Israel hat die Hälfte des Gebiets besetzt und zwei Drittel des Gazastreifens zu „No-Go-Zonen“ erklärt, darunter auch Rafah, das derzeit von israelischen Truppen eingekesselt ist.
Am Freitag erklärte Verteidigungsminister Israel Katz, man werde den Krieg gegen die Hamas „intensivieren“ und „allen militärischen und zivilen Druck ausüben, einschließlich der Evakuierung der Bevölkerung im Süden Gazas und der Umsetzung des von [Donald] Trump vorgeschlagenen Plans zur freiwilligen Auswanderung“.
Seit dem einseitigen Ende des Waffenstillstands durch Israel am 18. März – den es nie einhielt – bombardiert Israel ununterbrochen die Zivilbevölkerung. Laut palästinensischem Gesundheitsministerium wurden über 1.400 Menschen getötet, mehr als 3.600 verletzt. Die UN berichten von durchschnittlich hundert getöteten Kindern pro Tag. Gleichzeitig schürt Israel Spannungen mit Ägypten, vermutlich um die Voraussetzungen für eine Massenvertreibung in den Sinai zu schaffen.
Finanzminister Bezalel Smotrich erklärte, die Blockade werde erst aufgehoben, wenn die Hamas besiegt und die 59 israelischen Geiseln freigelassen seien: „Nicht einmal ein Weizenkorn wird nach Gaza gelangen.“
Niemand in der Region glaubt, dass die Hamas kapitulieren wird.
Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wann und wohin die Palästinenser deportiert werden.
Die israelische Führung schwankt offenbar zwischen einer Vertreibung nach Ägypten oder einer Umsiedlung nach Afrika. Die USA und Israel haben Gespräche mit Sudan, Somalia und Somaliland geführt.
Ein derartiger Akt ethnischer Säuberung würde die Region destabilisieren, Proteste in arabischen Ländern anheizen und die Beziehungen Israels zu Jordanien und Ägypten völlig zum Erliegen bringen.
Die diplomatischen Beziehungen sind auf dem Tiefpunkt seit Camp David 1979. Israels Botschaften in Kairo und Amman sind faktisch geräumt. Ägypten hat den designierten Botschafter Uri Rothman nicht akzeptiert und keinen neuen eigenen Botschafter ernannt.
Israel wirft Ägypten Vertragsverletzung durch militärische Aktivität im Sinai vor – Vorwürfe, die Ägypten zurückweist. Israel hingegen hat selbst gegen das Abkommen verstoßen, indem es den Philadelphi-Korridor entlang der Grenze zu Gaza besetzt hat.
General Mohammed Rashad, Ex-Geheimdienstchef Ägyptens, sagte: „Jede israelische Aktion an der Grenze zu Ägypten ist eine Bedrohung für unsere nationale Sicherheit.“
Israelische Politiker fordern offen die „freiwillige Umsiedlung“ der Palästinenser nach Ägypten. Avigdor Lieberman sagte, die Umsiedlung sei eine „praktische Lösung“ – Gaza sei überbevölkert, der Sinai habe Platz. Er warf Ägypten vor, wirtschaftlich von der Situation zu profitieren.
Das Misgav Institute for National Security rief bereits im Oktober 2023 zur kompletten Evakuierung Gazas auf. Ein geleaktes Dokument des israelischen Geheimdienstes schlug Umsiedlung in den Sinai und den Bau von Sperrzonen vor.
Diese Vertreibung würde rasch und unter Bombardement geschehen, während „Evakuierungsfenster“ an der Grenze entstehen. Das würde eine Konfrontation mit Ägyptens Militär auslösen. El-Sisi bezeichnete ethnische Säuberung als „rote Linie“.
Israel hat bereits Gebiete in Syrien und im Süden Libanons besetzt. Es plant den Zugriff auf Gasfelder vor Gazas Küste und einen eigenen Kanal als Alternative zum Suezkanal. Diese Pläne erfordern eine entleerte Region Gaza.
Die Wut in der arabischen Straße, die Hedges in Ägypten, Jordanien, der Westbank und Katar erlebt hat, würde explodieren. Diese Regime müssten reagieren. Terrorakte, ob organisiert oder durch Einzelne, würden gegen israelische und westliche Ziele zunehmen, insbesondere gegen die USA.
Der Genozid ist für islamistische Milizen ein Rekrutierungs-Traum. Washington und Israel müssen wissen, was sie mit dieser Barbarei riskieren – doch offenbar nehmen sie es in Kauf.
Was erwarten sie? Dass Menschen, die alles verloren haben und von einer Hightech-Armee massakriert werden, ruhig bleiben? Glauben sie, ein Höllenszenario werde den Terror eindämmen? Verstehen sie nicht den Hass, der im Nahen Osten entsteht und sich über Jahrzehnte halten wird?
Der Genozid in Gaza ist das größte Verbrechen dieses Jahrhunderts. Er wird Israel verfolgen. Und uns.
Wir ernten, was wir säen: ein Minenfeld aus Hass und Gewalt.
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Chris Hedges ist Pulitzer-Preisträger und war 15 Jahre lang Auslandskorrespondent der New York Times. Er war Nahost- und Balkan-Korrespondent und ist heute Gastgeber der Sendung „The Chris Hedges Report“.