Die Behauptung von Donald Trump, die USA würde von Lesotho über den Tisch gezogen, ist lächerlich. Lesotho gehört mit einem Pro-Kopf-BIP von 916 US-Dollar (2023) zu den ärmsten Entwicklungsländern der Welt, der US-Durchschnitt bringt 82.769 US-Dollar auf die Waagschale. Der Entschluss, auch wenn er entsprechend Trumps erratischem Vorgehen (mit Ausnahme von China) für 90 Tage auf Eis gelegt wurde, erscheint unsinnig. Was kann Lesotho, das hauptsächlich Bekleidung exportiert, den USA schon anhaben? Die billigen T-Shirts und Leggings aus Weltmarktfabriken gehören zum Outfit des US-Amerikaners und der US-Amerikanerin. Es sind die einheimischen Arbeiterinnen und Arbeiter, die mit ihrem niedrigen Lohn die US-Konsumenten subventionieren. Die US-Textilindustrie hat sich seit den 1970er-Jahren aus den Vereinigten Staaten in Billiglohnländer verabschiedet und wird durch keinen noch so hohen Zoll zurückzuholen sein. Darum geht es Trump aber gar nicht. Von Andrea Komlosy.

Lesotho wird auch nicht, zumindest nicht in erster Linie, dafür bestraft, dass seine LGTBQ-Community USAID-Gelder erhalten hat. Es ist den USA ein Dorn im Auge, weil es ein Einfallstor für versteckte chinesische Exporte in die USA darstellt. Lesotho gehört zu den wichtigsten Begünstigten des African Growth and Opportunity Act (AGOA), der 2000 mit einer Reihe subsaharischer Entwicklungsländer abgeschlossen wurde; er sollte 2025 auslaufen.[1] AGOA öffnete afrikanischer Bekleidung aus den beteiligten Staaten einen quotenfreien und – nach Auslaufen des Welttextilabkommens 2004 – einen zollfreien Zutritt zum US-Markt. Lesotho gehört sogar zu den besonders begünstigten Ländern, wird ihm doch eine Ausnahme von den Ursprungsregeln gewährt, die eine Zollbegünstigung nur dann vorsehen, wenn mindestens zwei Fertigungsschritte im Land getätigt wurden. In Lesotho reicht die „one stage transformation“. Ein Akt der Entwicklungshilfe, der gleichzeitig die ungleiche Arbeitsteilung und den ungleichen Tausch zwischen Billiglohn- und Hochlohnländern festschreibt. Dieser Gedanke kommt Trump freilich nicht in den Sinn.

Lesotho hängt indes nicht nur am Tropf der USA, sondern auch, nachdem Lesotho seine Verbindung mit Taiwan gelöst hatte, an China. China gibt, und China nimmt. Im Rahmen der One Belt One Road Initiative (OBOR) gibt es zahlreiche Kooperationen bei Straßen- und Industrieanlagen, Radio- und Television, technischen Projekten der Landentwicklung, beim Bau der Nationalbibliothek, des Parlamentsgebäudes, der Nahrungsmittelhilfe u.v.m. Das besondere Engagement gilt dem Textil- und Bekleidungssektor. Hier ist vorauszuschicken, dass die nachholende Entwicklung nach der “Reform & Öffnung“ Chinas von den verlängerten Werkbänken globaler Textil- und Bekleidungskonzerne ihren Ausgang nahm. China gelang es in der Folge, seine Position in den globalen Güterketten zu verbessern und, als die Löhne anstiegen und andere Sektoren attraktiver wurden, selbst Fertigung auszulagern und zum Organisator von textilen Güterketten zu werden. Im konkreten Fall kommt die Rohbaumwolle aus Afrika, sie wird in modernen chinesischen Textilfabriken zu Stoffen verarbeitet, die zur arbeitsintensiven Endfertigung wieder nach Afrika gebracht werden.[2] So kann China aus der Lohndifferenz Wert schöpfen. Seit die Quoten des Welttextilabkommens fielen, sprang das chinesische Investment in Lesotho an. Die Bekleidungsfabriken Lesothos sind fest in chinesischer Hand. Und sie profitieren vom zollfreien Export in die USA im Rahmen des AGOA.

Lesotho hat aufgrund dieser Verflechtung ein Handelsbilanzdefizit mit China; im Handelsbilanzplus mit den USA spiegelt sich die chinesische Eigentümerschaft, die die Vorprodukte aus China zu günstigen Konditionen in Lesotho veredelt und dann an die amerikanischen Konsumenten durchreicht. Die USA haben an diesem Deal jahrelang nichts auszusetzen gehabt, ja sie haben ihn mit AGOA sogar begünstigt. Dies war so lange der Fall, wie China durch die kostengünstige Fertigung von Konsumgütern und Komponenten sowie den Kauf von US-Staatsanleihen aus den Exporteinnahmen für die USA nützlich war. Dass das mit einem Handelsbilanzdefizit verbunden war, störte nicht. Seit China im 21. Jahrhundert nicht nur im Textil- und Bekleidungssektor die Zulieferrolle überwindet, sondern die USA auch als Technologieführer herausfordert, ist die Auseinandersetzung um Führung in der Weltwirtschaft im Gange. Trumps Zollstrategie ist der Versuch, den hegemonialen Wandel aufzuhalten.

Ob die Rolle als Billiglohnstandort Lesotho zum Vorteil gereicht, hängt von der Perspektive ab. Erwerbsarbeit im Bekleidungssektor schafft Einkommen, die Arbeitsbedingungen werden vom Kosten- und Gewinndruck diktiert. Hier darf sich der Konsument und die Konsumentin nichts vormachen. In die Staatskasse fließen Steuern. Die einheimische Textil- und Bekleidungsindustrie, die in den 1970er- und 1980er-Jahren, ebenfalls auf Basis der Kostenvorteile, Fahrt aufnahm, ist durch die chinesische Konkurrenz verdrängt worden. Unterm Strich: Lesotho bleibt am untersten Ende der Wertschöpfungskette. Trumps Paukenschlag, so paternalistisch und MAGA-patriotisch er auch gemeint ist, könnte eine Regionalisierung der Produktion befördern, von der einheimische Unternehmer, der Staat und – wenn sie genügend Druck aufbauen – unter Umständen auch die Arbeitskräfte profitieren.

Von Andrea Komlosy ist zum Thema erschienen: Arbeit. Eine globalhistorische Perspektive. 13. bis 21. Jahrhundert. Promedia Verlag

Titelbild: zmotions/shutterstock.com



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Von Veritatis

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