Der nächste CDU-Fraktionschef ist ein rechtsoffener Netzwerker. Jens Spahn gibt sich staatstragend, spricht aber längst die Sprache der Strammrechten. Die Brandmauer zur AfD wackelt bedenklich


Jens Spahn (im Hintergrund) würde sich 2029 notfalls auch von der AfD zum Kanzler wählen lassen, sagen Kritiker der eigenen Partei

Foto: Florian Gaertner/photothek.de/DPA


Zwischen Jens Spahn und Markus Söder passt kein Blatt Papier – und schon gar keine Pistolenkugel. Die bevorstehende Koalition aus CDU/CSU und SPD sei „die letzte Patrone der Demokratie“, sagte der bayerische Ministerpräsident gleich nach der Bundestagswahl im Februar. Dem noch stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion gefiel das sprachliche Bum-Bum-Bild so gut, dass er zwei Monate später in den Westfälischen Nachrichten verkündete: „Das ist jetzt vielleicht der letzte Schuss der demokratischen Mitte.“

Dann schießt mal los, werden ungeduldige Fans des Rechtsdralls sagen, und dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister tritt sicher nicht zu nahe, wer vermutet, dass vor allem er selbst es kaum erwarten kann. Am 6. Mai wird Noch-F

alls sagen, und dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister tritt sicher nicht zu nahe, wer vermutet, dass vor allem er selbst es kaum erwarten kann. Am 6. Mai wird Noch-Fraktionschef Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt, und dann ist der Platz an der Spitze der 208 Unions-Abgeordneten frei für den erst 45-jährigen Spahn. Zuletzt war es die CSU, die allenthalben verlauten ließ, sie gebe dem Mann aus Nordrhein-Westfalen beim Aufstieg zum Fraktionschef ihren Segen.Wer wissen will, wie im politischen Diskurs die Begriffe verrutschen, muss sich nur die Berichterstattung der vergangenen Tage zu diesem Vorgang anschauen. Auf allen Kanälen war das Ja-Wort aus Bayern mit dem Hinweis verbunden, Spahn könne „dem konservativen Flügel der CDU mehr Gewicht verleihen“ (Münchner Merkur). Was müssen sich Konservative der alten Schule in dieser Partei eigentlich denken, wenn sie hören, dass ein rechtsoffener Netzwerker wie Spahn als „konservativ“ geadelt wird? Sind sie, die noch an die „Brandmauer“ zur AfD glauben, jetzt schon progressiv oder links?Jens Spahn sieht AfD in Ausschüssen als normale OppositionsparteiGerade in der jüngsten Vergangenheit hat Jens Spahn durchblicken lassen, welchen Weg er bei diesem Thema zu gehen gedenkt – und das auf eine Art und Weise, die den Verdacht nahelegt, dass hier jemand in vorderster Reihe eine Doppelstrategie verfolgt.Einerseits beharrt Spahn darauf, dass es darum gehen müsse, die AfD zu halbieren, natürlich durch „gute Politik“. Aber andererseits, so das offensichtliche Kalkül, soll die Möglichkeit einer Koalition mit der extremen Rechten offengehalten werden, wenn es nicht gelingt, sie durch weitgehende Anpassung an ihre Politik zu schwächen.Den Anfang machte das Gespräch mit zwei freundlichen Menschen aus der „Bild“-Redaktion, in dem der Noch-Vize der Unionsfraktion über „Abläufe im Bundestag, die Verfahren in der Geschäftsordnung, in den Ausschüssen, die Minderheits- und Mehrheitsrechte“ sprach: „Und da würde ich uns einfach empfehlen, mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch.“Auf einen Sitz im Parlamentspräsidium bezog Spahn diese Forderung nicht, immerhin. Aber noch interessanter war ohnehin die Begründung für seinen Appell: Die Politik müsse „auch einfach anerkennen, wie viele Millionen Deutsche die AfD gewählt haben“. Sprich: Faschisten, die demokratisch gewählt sind, sollen wie Demokraten behandelt werden. Das ist das Gegenteil dessen, was man landläufig „Brandmauer“ nennt.Jens Spahn beherrscht Werkzeuge der StrammrechtenDiesen Äußerungen folgte, so berechtigt wie absehbar, laute Kritik. Die amtierende Innenministerin Nancy Faeser sagte: „Die AfD ist keine Oppositionspartei wie andere auch. Wer sie so behandeln und damit weiter normalisieren will, macht einen schweren Fehler.“Woraufhin der Angesprochene zeigte, dass er auch im Umgang mit Kritik bereits die Werkzeuge der Strammrechten beherrscht. „Das Wort ,Normalisierung‘ habe ich nicht benutzt“, wiegelte er bei Markus Lanz im ZDF ab – als hätte ihm jemand den Gebrauch dieses Wortes vorgeworfen und nicht die Botschaft, die er in anderen Begriffen verbreitet hatte.Und, auch das ein längst eingeübtes rechtes Muster: Erst Diskussionen vom Zaun brechen und dann künstlich staunen, dass Andersdenkende daran teilzunehmen wagen. Spahn verunglimpfte die Kritik nicht nur als „Empörungsrituale“, sondern verkündete im Tagesspiegel: „Der größte Gefallen, den wir der AfD tun können, ist es, solche Debatten noch zwei Wochen weiterzuführen, obwohl alles gesagt ist.“ So geht es zu rechtsaußen: Steine ins Wasser werfen und sich dann darüber mokieren, dass sie Wellen schlagen.„Jens Spahn will Kanzler werden – egal mit wem.“ Mit dieser Sorge zitiert der Tagesspiegel einen der verbliebenen Brandmauer-Verfechter in der CDU. So gesehen, würde Schwarz-Rot sich spätestens 2029 als Etappe auf dem Weg in die endgültig rechte Republik erweisen. Mal sehen, wie lange die SPD den unfreiwilligen Steigbügelhalter gibt.



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Von Veritatis

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