„September 5“ erhielt beeindruckende neun Lolas, Igor Levit würdigte die große Margot Friedländer mit einem eindringlichen Appell, und Wolfram Weimer zeigte sich worthülsenstark: So lief die Verleihung des deutschen Filmpreises 2025


Igor Levit hält eine spontane Trauerrede für Margot Friedländer bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises in Berlin

Foto: Eventpress/Imago Images


Was war der bedeutsamste Satz des Abends bei der 75. Filmpreisgala am Freitag in Berlin? Der hier eher nicht: „Wir wollen die Geschäfte wieder ins Laufen bringen“, versprach der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, und blieb auch darüber hinaus worthülsenstark und unkonkret.

Der hier vielleicht: „Medien sind der wichtigste Moment zum Erhalt der Demokratie“ – das sagte Regisseur Tim Fehlbaum, dessen Thriller-Kammerspiel September 5 über die Berichterstattung beim Olympia-Attentat 1972 mit beeindruckenden neun Lolas ausgezeichnet wurde, unter anderem für den Besten Film, die Beste Regie, das Beste Drehbuch, die Beste weibliche Nebenrolle (Leonie Benesch als einzige Frau im Newsroom), den Besten Schnitt und die Beste Kamera. Der Erfolg der von allen Gewerke-Seiten immer wieder als hochkollegial bezeichneten Zusammenarbeit bei diesem Mediendrama, in dem es nicht um die Tat, sondern um moralische Grenzen der Berichterstattung geht, steht für sich: Weniger Regie-Ego macht einen Film im Zweifelsfall eben besser.

Gleich ein Bündel Bedeutsames schleuderte der um prägnante Formulierungen eh selten verlegene Liedermacher Wolf Biermann en passant heraus, als er vor seinem Musikact eine Rede hielt: „Ich habe Angst“, sagte er etwa angesichts der momentanen politischen Entwicklung auf der deutschen und der Weltbühne, „aber die Angst hat mich nicht“. Oder „Der besiegte Faschismus ist auferstanden und feiert facettenreich seine Renaissance“. Oder: „Wir sind in einer Vorkriegszeit.“ Beklemmende Sätze, die gut zur – trotz großen Filmen und ebensolchen Abendkleidern – latent gedämpften Stimmung der Branchenfeier passten.

Von der Nachricht von Margot Friedländers Tod überrascht

Laudator Igor Levit wurde Minuten vor seinem Auftritt von der traurigen Nachricht überrascht, dass Margot Friedländer gestorben war. So ziemlich jeder Satz seiner spontanen Trauerrede brachte auf den Punkt, was die sich zumindest diesbezüglich einige Kulturclique empfand: „Es wird sich zeigen“, sagte der Pianist, der eigentlich die Lola für die Beste Filmmusik präsentieren sollte, und sichtbar unter Schock stand, „ob ihre Appelle dazu führen, dass wir nicht nur in diesen Räumen, nicht nur da, wo es bequem ist, ihre Ziele formulieren, sondern dass wir die Ziele da draußen, auf der Straße, im realen Leben auch verfolgen.“

Um Mut und Zivilcourage, um Moral und Menschlichkeit, ging es auch in dem von Doris Metz mit großer Sensibilität collagierten Petra Kelly – Act Now, der als Bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde. All das könnte und sollte eigentlich auch in der Politik stecken.

Der am Ende wohl relevanteste Satz

Einen weiteren, essenziellen Satz sprach die Gewinnerin der Auszeichnung für die Beste Filmmusik, Komponistin Dascha Dauenhauer, der die Trophäe für ihre Arbeit an Jan-Ole Gersters subtilem Lonely-Wolf-Film Noir Islands verliehen wurde: „Vor allem für Frauen sind Wege der Sichtbarkeit immer noch sehr viel länger und mit noch härterer Arbeit verbunden“. Dass sie erst die dritte Frau ist, die den Preis bekommt, bestätigt diese Aussage; dass sich mit Chiara Fleischhackers einfühlsamem und herausragend gespieltem Mutterschafts-Drogendrama Vena überhaupt nur ein einziger Film einer Regisseurin im ohnehin gruselig kleinen Spielfilm-Nominiertenkörbchen befand, ebenfalls.

Doch am Ende stammt der allerrelevanteste Satz womöglich vom US-amerikanischen Produktionspartner der September 5-Produzenten: „Don’t fuck it up“, habe es geheißen. Und dieser Appell stimmt einfach immer.



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Von Veritatis

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