Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will Nachfolgerin von Saskia Esken in der Parteispitze der SPD werden. Bas habe ihre Bereitschaft signalisiert, die Partei künftig zusammen mit Co-Parteichef Lars Klingbeil zu führen, wofür es im Präsidium „große Unterstützung“ gegeben habe, hieß es am Montag aus Parteikreisen.
Klingbeil und Bas wollen demnach beim Parteitag Ende Juni als Doppelspitze kandidieren. In den kommenden Tagen würden „weitere Gespräche zur Gesamtaufstellung an der Parteispitze geführt“, hieß es aus Parteikreisen weiter. Die scheidende SPD-Co-Chefin Saskia Esken hatte am Sonntag mitgeteilt, dass sie nicht erneut für den Parteivorsitz antreten wolle.
Müntefering: „Das schönste Amt neben dem Papst“
Bärbel Bas wäre eigentlich gern Parlamentspräsidentin geblieben. Doch die Union wurde die stärkste Fraktion im Bundestag und Julia Klöckner Präsidentin. Bas bekam stattdessen das Arbeitsministerium – und könnte nun auch einen Posten übernehmen, der laut Ex-Parteichef Franz Müntefering „das schönste Amt neben Papst“ ist.

Die scheidende SPD-Vorsitzende Saskia Esken (r) spricht vor der Presse – neben dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, der auch Bundesfinanzminister und Vizekanzler ist, und der Bundesministerin für Arbeit und Soziales Bärbel Bas (2.l) im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale in Berlin am 12. Mai 2025.
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„Es ist mir nicht ganz leichtgefallen, aber ich freu mich drauf“, sagte Bas zu ihrer Kandidatur für die womöglich zusätzliche Aufgabe. Diese werde „keine leichte sein, aber ich sag immer: Wenn’s leicht wär, könnten es auch andere machen“, sagte Bas. Die Partei nach dem schlechten Wahlergebnis aufzustellen, sei eine „historische Aufgabe“. Sie wolle „für soziale Sicherheit, aber auch für Bildungsgerechtigkeit“ sowie eine moderne, vielfältige Gesellschaft stehen, sagte Bas am Montag.
Mit Bas wird auch der wichtige Landesverband Nordrhein-Westfalen wieder gestärkt und insbesondere das ursprünglich stark SPD-geprägte Ruhrgebiet, wo zuletzt die AfD immer größeren Zuspruch erfuhr. Als „Duisburger Arbeiterkind“ bezeichnete sich Bas selbst mal mit Blick auf ihre Geburtsstadt.
Dort wuchs Bas mit drei Brüdern und zwei Schwestern auf, besuchte die Hauptschule, spielte nebenher Fußball. Ihren Wunschausbildungsplatz als technische Zeichnerin bekam sie nicht, stattdessen machte sie bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft eine Ausbildung zur Bürogehilfin.
Bei einer Betriebskrankenkasse setzte sie noch eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten und ein Studium zur Personalmanagement-Ökonomin oben drauf. Während ihrer ersten Ausbildung engagierte sich Bas als Jugend- und Auszubildendenvertreterin, später als Betriebsrätin.
Ihre Karriere begann in Duisburg
In Duisburg begann Bas auch ihre Karriere in der SPD: 1988 trat sie ein, war von 1994 bis 2002 im Stadtrat. Bas holte 2009 erstmals das Bundestags-Direktmandat in Duisburg. Sie wurde parlamentarische Geschäftsführerin und stellvertretende Fraktionschefin. Im Februar gewann sie ihr Direktmandat zum fünften Mal.
Wird sie im Juni Parteichefin, sitzen im Kabinett mit Merz, Klingbeil und Bas drei SPD-Parteichefs. Bas hat mit den SPD-Kernbereichen Arbeit und Rente den größten Einzeletat im von Ko-Parteichef Klingbeil als Finanzminister verantworteten Bundeshaushalt, der für 2025 und 2026 noch beraten werden muss. Ähnlich viele Reibungspunkte zwischen beiden Ressorts wie in der Vergangenheit dürfte es also unter Schwarz-Rot nicht geben.
Neuer SPD-Generalsekretär: Tim Klüssendorf
Das SPD-Präsidium schlug zudem einstimmig den linken Bundestagsabgeordneten Tim Klüssendorf als neuen SPD-Generalsekretär vor. Er soll Matthias Miersch ablösen, der inzwischen das Amt des Fraktionschefs übernommen hat. Klüssendorf soll ebenfalls auf dem Parteitag im Juni gewählt werden. Ab sofort übernimmt er das Amt kommissarisch.

TIm Klüssendorf soll neuer Generalsekretär der SPD werden. (Archivbild)
Er habe einen „riesigen Respekt“ vor der Aufgabe als Generalsekretär, sagte Klüssendorf, zugleich sei er aber „hoch motiviert“, sie anzupacken. Klüssendorf will mit einer Mischung „aus Demut, aber auch Selbstbewusstsein“ an die Arbeit gehen und nennt große Herausforderungen, die anstehen: die Aufarbeitung des schlechten Wahlergebnisses, die programmatische Aufstellung für die Zukunft, den Kampf für Demokratie und die Abwehr von Populismus und Extremismus.
Klüssendorf stammt aus Lübeck in Schleswig-Holstein und sitzt für den Wahlkreis seit 2021 im Bundestag. Er wurde im August 1991 geboren und trat bereits 2007 als Jugendlicher in die SPD ein. Zunächst engagierte er sich bei den Jusos und war 2010 bis 2012 Vorsitzender der Jusos Lübeck. Später pendelte er jahrelang nach Hamburg und studierte dort Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre.
Im Jahr 2013 schaffte es Klüssendorf bei der Kommunalwahl in die Lübecker Bürgerschaft und kümmerte sich dort als jugendpolitischer Sprecher um Themen wie Familienfreundlichkeit und Kinderbetreuung und eine bessere Bezahlung der Beschäftigten in Sozial- und Erziehungsberufen. Ab 2018 bis zu seinem Einzug in den Bundestag 2021 war der Finanzpolitiker persönlicher Referent des Lübecker Bürgermeisters Jan Lindenau.
Leidenschaftlicher Fußballer im FC Bundestag
Klüssendorf holte 2021 auf Anhieb das Direktmandat im Wahlkreis Lübeck und ließ dabei die CDU-Politikerin Claudia Schmidtke überraschend deutlich hinter sich. Bei der Bundestagswahl im Februar 2025 holte er erneut die meisten Erststimmen. Er war bisher im Parlament Mitglied im Finanzausschuss und im Ausschuss für Digitales.
Zu Wort meldete sich Klüssendorf in den vergangenen Jahren unter anderem mit einem Strategiepapier zur Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe und mit Kritik an Einsparungen im Bundeshaushalt. Zuletzt warnte er im Zuge der Sondierungen und Koalitionsverhandlungen immer wieder vor Verschärfungen bei der Migrationspolitik und beim Bürgergeld – das seien „soziale und integrationspolitische Rückschritte“.
Klüssendorf ist unter anderem Mitglied bei Ver.di und der Arbeiterwohlfahrt – und er ist leidenschaftlicher Fußballer. Im VfB Lübeck war er bis Oktober vergangenen Jahres Mitglied des Aufsichtsrats, mittlerweile kickt er für den FC Bundestag.
Als Generalsekretär muss er nun nach innen die Partei organisieren und nach außen das inhaltliche Profil seiner Mannschaft schärfen. Neben der Organisation von Wahlkämpfen gehört auch die Vorbereitung von Parteitagen zu den Aufgaben im Amt.
Stegner: Umgang mit Esken „kein Ruhmesblatt“
Zahlreiche SPD-Politiker zollten Esken Respekt für ihre Rückzugsentscheidung. Zugleich gibt es aber auch Kritik am parteiinternen Umgang mit ihr. „Der Versuch, sie zum Sündenbock für unser miserables Wahlergebnis zu machen, war kein Ruhmesblatt und entsprach weder im Inhalt noch im Stil der Debatte den Grundwerten der SPD“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner dem „Handelsblatt“.
Juso-Chef Philipp Türmer sagte der Zeitung, Esken habe mit vielen ihrer Forderungen eine Weitsicht bewiesen, die vielen in der deutschen Politik gefehlt habe. Türmer nannte etwa das 500-Milliarden-Investitionsprogramm. An Esken war in den vergangenen Wochen und Monaten hingegen immer wieder deutliche Kritik laut.
Auf die Frage, ob sie sich in den vergangenen Wochen mehr Unterstützung von Klingbeil gewünscht hätte, sagte Esken im ARD-„Bericht aus Berlin“: „Ich habe diese Unterstützung an meiner Seite immer gehabt.“ Esken sprach sich dafür aus, die Doppelspitze in der SPD beizubehalten: „Ich finde, die Doppelspitze als Konzept hat sich bewährt.“
Klingbeil: „Haben die SPD durch Höhen und Tiefen geführt“
Klingbeil dankte Esken für ihre Verdienste. „Wir haben die SPD zusammen durch Höhen und Tiefen geführt. Das hat uns gegen viele Widerstände zusammengeschweißt“, so Klingbeil.
Die SPD war bei der Bundestagswahl im Februar auf 16,4 Prozent abgestürzt und fuhr damit ein historisch schlechtes Ergebnis ein. Trotzdem griff Klingbeil noch am Wahlabend nach dem Fraktionsvorsitz und baute seine Machtbasis so weiter aus. (afp/dpa/red)