Calin Georgescu holt in Rumänien mehr Stimmen als der amtierende Ministerpräsident Marcel Ciolacu. Der Rechtsextremist punktete im Wahlkampf vor allem auf Tiktok. Nun kommt es zur Stichwahl


Verehrt rumänische Faschisten: Calin Georgescu

Foto: Alexandru Dobre/AP/dpa


Der prorussische Rechtsextremist Calin Georgescu ist überraschend in die Stichwahl um das Amt des Staatsoberhaupts im Nato-Land Rumänien eingezogen. Der parteilose Populist war mit antiwestlichen Positionen und Kult für die rumänischen Faschisten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs aufgefallen.

Von seinen Konkurrenten und den klassischen Medien wurde Georgescu weitgehend ignoriert, dafür ist er sehr erfolgreich auf der Onlineplattform Tiktok unterwegs. Im ersten Wahlgang landete er vor der zweitplatzierten Kandidatin Elena Lasconi von der konservativ-liberalen Reformpartei USR. Die Entscheidung zwischen den beiden fällt nun eine Woche nach der Parlamentswahl am 8. Dezember.

Eines der ärmsten Länder Europas

Der östlichste EU-Mitgliedstaat Rumänien hat rund 19 Millionen Einwohner, gilt als eines der ärmsten Länder Europas und grenzt im Norden an die Ukraine, die sich seit bald drei Jahren einer russischen Invasion erwehrt.

Am Wahlabend sagte Georgescu auf einer via Facebook übertragenen Pressekonferenz, das rumänische Volk sei „zum Bewusstsein erwacht“ und habe seinen Willen bekundet, „nicht weiter auf Knien, nicht weiter unter Invasion, nicht weiter erniedrigt“ zu bleiben.

Wirtschaftliche Unsicherheit habe zu diesem Votum geführt. „Heute Abend hat das rumänische Volk ‚Frieden‘ gerufen“, fügte der 62-jährige Agrarwissenschaftler und Tiermediziner mit Blick auf Russlands Angriffskrieg auf die benachbarte Ukraine hinzu.

Meiste Stimmen im ersten Wahlgang

Im ersten Wahlgang erhielt der Extremist 22,95 Prozent der Stimmen und Lasconi 19,17 Prozent. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Marcel Ciolacu kam mit 19,15 Prozent auf Platz drei und scheidet damit aus dem Rennen aus. Der Vorsprung Lasconis vor Ciolacu beträgt 2.130 Stimmen. Das teilte das Zentrale Wahlbüro nach Auszählung der Stimmzettel in 99,98 Prozent der Wahllokale mit.

Der als Viertplatzierter mit 14 Prozent der Stimmen ausgeschiedene Bewerber George Simion von der rechtsextremen Parlamentspartei AUR kündigte an, Georgescu in der Stichwahl zu unterstützen. Unklar war zunächst, ob Ciolacus Partei zur Wahl von Lasconi aufrufen würde.

Ähnliche Situation wie 2000

Bei der Präsidentenwahl im Jahr 2000 hatte es eine ähnliche Situation gegeben. Damals standen sich in der Stichwahl der Sozialdemokrat Ion Iliescu und der Rechtsextremist Corneliu Vadim Tudor gegenüber. Die demokratischen Parteien taten sich zusammen und konnten auch dank kräftiger Unterstützung durch europäische Verbündete einen Extremisten im höchsten Staatsamt verhindern.

In Rumänien bestimmt der Präsident die Außen- und Verteidigungspolitik und ist an der Kontrolle der Geheimdienste beteiligt. Er hat mehr Macht als der deutsche Bundespräsident und weniger als das Staatsoberhaupt in Frankreich. Das Abschneiden der Kandidaten in der ersten Runde der Präsidentenwahl dürfte auch die Parlamentswahl am 1. Dezember beeinflussen.

Verherrlichung faschistischer Kriegsverbrechen

Wegen des Vorwurfs der Verherrlichung faschistischer Kriegsverbrechen ermittelt die rumänische Staatsanwaltschaft gegen Georgescu, über den Fortschritt dieser Untersuchungen ist laut rumänischen Medien aber nichts bekannt. Ebenso wie die als „Legionäre“ bekannten rumänischen Faschisten rühmt Georgescu häufig die orthodoxe Kirche und benutzt Bibelzitate. Er war früher Mitglied der extrem rechten Parlamentspartei AUR, trat aber im Streit aus.

Kommentatoren in Bukarest meinten am Wahlabend, klassische Medien und etablierte Politiker müssten sich vorwerfen lassen, Georgescus politische Propaganda in sozialen Medien bisher nicht genügend beachtet zu haben. Auch Meinungsforscher hatten seinen Erfolg nicht kommen sehen, selbst Nachwahlbefragungen am Wahlabend ließen das Ergebnis nicht erahnen.



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Von Veritatis

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