Die neue Regierung setzt auf Gas, Grill und Gier. Während die Welt verbrennt, verkauft Friedrich Merz die Zukunft. Die Zeche zahlen die Jüngsten. Willkommen im alten Deutschland


Wer bangt hier schon um die Kanzlermehrheit bei der nächsten Abstimmung?

Foto: Friedrich Bungert/picture alliance/SZ Photo


Es war eine der ersten Amtshandlungen dieser neuen Regierung: Dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) wurde per Organisationserlass aus dem Kanzleramt das K gestrichen. Klimaschutz hat ab sofort nichts mehr mit Industriepolitik zu tun. Zuvor war bereits die Transformationspolitik aus dem Bundeswirtschaftsministerium ausgelagert worden, die Frankfurter Allgemeine Zeitung urteilte, die neue Ministerin Katherina Reiche (CDU) sei eine „Ministerin für die alte Wirtschaft“.

Deutschlands altes Geschäftsmodell bestand aus der Formel „Sicherheit durch die USA“ plus „billige Energie aus Russland“ ergibt „Exportweltmeister“. Diese Formel war nie zeitgemäß, sie führte zur Klimaerhitzung, dem Artenschwund, einem

lige Energie aus Russland“ ergibt „Exportweltmeister“. Diese Formel war nie zeitgemäß, sie führte zur Klimaerhitzung, dem Artenschwund, einem exzessiven Ressourcenschwund, wie spätestens seit dem Bericht des „Club of Rome“ von 1972 bekannt. Aber obwohl sich die einzelnen Variablen der Formel grundlegend geändert haben, will Katherina Reiche, 51, offensichtlich einfach so weitermachen.In ihrer Antrittsrede zitierte sie mehrfach den Ökonomen Alfred Müller-Armack, der vor fast 80 Jahren die Grundzüge der Sozialen Marktwirtschaft entwickelte. Die erschuf bekanntermaßen später Deutschlands altes Geschäftsmodell. Katherina Reiche will jetzt „die Systemkosten“ des Klimaschutzes in den Griff bekommen und den „Fortschritt beschleunigen“. Doch was ist Fortschritt? Und wer definiert ihn?Der Metzger empfiehlt „mehr Fleisch“Das Sondervermögen wird den Ressourcenverbrauch weiter ankurbeln, das Ende der Schuldenbremse den Schuldenberg weiter auftürmen. Schon heute liegt die deutsche Staatsverschuldung bei mehr als 2,5 Billionen Euro. Dazu muss die junge Generation mit den Folgen jener Klimakrise klarkommen, welche die Generation des neuen Kanzlers Friedrich Merz (69, CDU) angerichtet hat: Könnte die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden, würden mehr als die Hälfte der heute Fünfjährigen schweren Hitzewellen ausgesetzt, ergab eine Studie. Mit der aktuellen Politik trifft es dagegen 92 Prozent aller Fünfjährigen. Von der Generation Merz sind nur 16 Prozent betroffen.„Statt dem grün-veganen Özdemir kommt jetzt der schwarze Metzger“, frohlockt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (58, CSU). Metzgermeister Alois Rainer, 60, der neue Bundeslandwirtschaftsminister, hat angekündigt, künftig wieder mehr Fleisch in die Schulspeisung und Kindertagesstätten zu bringen. Die Deutschen essen mit durchschnittlich gut 53 Kilogramm immer noch fast viermal so viel Fleisch, wie gesund wäre.Die Generation Söder heizt nicht nur die Klimakrise weiter an, sie will die heute Fünfjährigen auch noch abhängig vom alten Leben machen. Dabei hat selbst Söder erkannt, dass nur radikaler Gestaltungswille den weiteren Aufstieg der demokratiefeindlichen AfD aufhalten kann. Er sieht in dieser Regierung „tatsächlich die letzte Patrone der Demokratie“.Auch wir führen einen KriegArtensterben und Klimakrise sind längst Realität, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können – weshalb ihr galoppierendes Ausmaß dringend begrenzt werden muss. Im seichten Teil des Mittelmeers vor der israelischen Küste, wo die Wassertemperaturen in den vergangenen Jahrzehnten besonders stark gestiegen sind, haben Forscher:innen einen Rückgang der Artenvielfalt um 95 Prozent dokumentiert. Ein Vorbote, warnt die Wissenschaft: Es drohe ein regelrechter Kollaps der biologischen Vielfalt.Wir führen Krieg: „einen Krieg, in dem es keinen Sieger geben kann“, wie UN-Generalsekretär António Guterres sagt. Krieg gegen die Natur.Das Wort „Zukunft“ kommt zwar 69-mal im neuen Koalitionsvertrag vor. Dennoch weigern sich Union und SPD mit diesem Vertrag, die Probleme der Zukunft wenigstens zur Kenntnis zu nehmen. Das ist etwa an der Pendlerpauschale zu sehen: Statt klimaschädliche Subventionen zu streichen, wollen die Koalitionäre solche erhöhen. Ein anderes Beispiel ist das Gebäudeenergiegesetz: Statt den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen zu beschleunigen, wird er erschwert und künftig wohl nicht mehr Standard. Beispiel Landwirtschaft: Statt diese in den europäischen Emissionshandel – wie von der EU vorgeschlagen – einzubeziehen, machen die Koalitionäre davon „keinen Gebrauch“.Beispiel Verkehrsbereich: Statt Emissionen zu reduzieren, soll die „Luftverkehrsteuer“ reduziert werden, was das klimaschädliche Fliegen gegenüber dem Bahnfahren weiter verbilligen wird. Beispiel Entwaldungsverordnung der EU: Statt dem weltweiten Abbrennen von Regenwäldern etwas entgegenzusetzen, sollen „überbordende Regulierungen“ gestrichen werden. Beispiel Klagerechte der Umweltverbände: Die Merz-Truppe will sie einschränken, obwohl gerade diese doch erwiesenermaßen Investitionen sicherer machen.Eine Neuauflage der Atomstromproduktion, Fusionskraftwerke oder zurückgebaute Windparks, „weil Windräder hässlich sind“, wie es Friedrich Merz formulierte: Den Energie- und Umweltpolitiker:innen der SPD kann man immerhin anrechnen, dass sie den größten Quatsch verhindert haben, den die Union im Wahlkampf ausposaunte. Nina Scheer, bislang Klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin ihrer Fraktion, urteilt: „Der Koalitionsvertrag enthält ein klares Bekenntnis zur Energiewende.“ Allerdings enthält der Koalitionsvertrag auch den Plan, neue Gaskraftwerke mit 20.000 Megawatt Leistung bauen zu wollen – Fossilkraftwerke, die 30 Jahre lang arbeiten müssen, um sich zu amortisieren. Das bremst den Umstieg auf Erneuerbare, statt ihn zu beschleunigen.Eine Koalition der reichen OnkelsAm deutlichsten lässt sich die Politik zulasten der jungen Generation an der beabsichtigten Klimapolitik ablesen: Die neue Regierung will keine Wege zu einer treibhausgasarmen Lebensweise erkunden – Union und SPD haben im Koalitionsvertrag verabredet, „CO₂-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern“ vorzunehmen. Die Idee dahinter: Deutsche Investitionen reduzieren in den Ländern des Globalen Südens Treibhausgase, die Koalition will sich die eingesparte Menge dann auf die deutsche Reduktionspflicht anrechnen.Das ist die Fortsetzung jener alten Politik, die sich längst als untauglich zur Problemlösung erwiesen hat. Bäume in Afrika pflanzen oder Staudämme für Wasserkraftwerke in Asien zu bauen – unter dem Kyoto-Protokoll wurde dies als „Clean Development Mechanism“ gelabelt. Schon damals ging diese Politik nicht gut: Meistens war strittig, ob der Staudamm nicht ohnehin gebaut worden wäre, es also durch deutsche Investitionen gar keinen Mehrwert für den Klimaschutz gab. Und sicher war die Zukunft der neu gepflanzten Bäume nie: Wird ihr Holz verfeuert, werden jene Treibhausgase wieder frei, die sich der Investor zuvor gutgeschrieben hatte.Statt sich angemessen in die Zukunft aufzumachen und neue Politikansätze zu suchen, spielt die schwarz-rote Koalition den reichen Onkel, der sich mit seinem Geld von der Verantwortung freikauft. Die „außereuropäischen Partnerländer“ müssen das als neue Form des Kolonialismus empfinden, zum Beispiel, wenn in Namibia Windräder in einem Nationalpark aufgestellt werden, um damit Wasserstoff für deutsche Fabriken herzustellen. Für eine Tonne Wasserstoff werden sieben Tonnen reinstes Trinkwasser benötigt. Namibia ist eines der wasserärmsten Länder der Welt, die Deutschen nutzten das einst als Waffe gegen die aufbegehrenden Völker der Nama und Herero: Die „Schutztruppe“ trieb die Menschen in die wasserlose Omaheke-Wüste und ließ sie dort verdursten.Eine weitere erste Amtshandlung des Merz’schen Kabinetts war übrigens, den Posten der Klimabeauftragten zu streichen. Auch das war eine klare Kampfansage.



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Von Veritatis

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