Die Idee stammt aus Barcelona und findet Nachahmer von Köln bis Leipzig: Superblocks sind Treiber der Verkehrswende. Nur in Berlin stemmt sich der CDU-geführte Senat dagegen. Worum es dabei wirklich geht


Durchgangsverkehr ist hier nur noch für nicht-Autos möglich.

Sabina Gudath/ Imago


Pflanzkübel, Sitzgelegenheiten, eine Reihe rot-weißer Metallstangen in der Hildegardstraße: Hier, in der Leipziger Neustadt, wird sichtbar, wie ein Quartier aussieht, wenn die Stadtplaner den Fokus nicht auf das Auto legen. Stattdessen entstand ein Raum, den alle nutzen können, der erste Leipziger Superblock.

Superblocks sind Straßenbereiche innerhalb eines Wohngebietes, in denen der Verkehr beruhigt wird. In der Hildegardstraße verhindern die diagonal aufgestellten rot-weißen Poller, dass Autos die Straße als Durchfahrtsroute nutzen. Der Verkehr wird auf die Hauptstraße zurückgeführt. Fahrräder und Rollstühle können jedoch problemlos passieren. Inzwischen wurden im Quartier zwei weitere Durchfahrtssperren errichtet.

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önnen jedoch problemlos passieren. Inzwischen wurden im Quartier zwei weitere Durchfahrtssperren errichtet.Für Ariane Jedlitschka bedeutet das für ihr Viertel: mehr Sicherheit für alle Anwohner:innen. „Während Corona haben wir gemerkt, dass die Lebensbedingungen hier nicht die besten sind“, sagt das Mitglied im Verein Superblocks Leipzig: „Die Wohnungen sind klein, die Hinterhöfe vollgestellt, es gibt wenig Gärten. Da haben wir als Anwohnende eine Interessengemeinschaft gegründet, um die Dinge proaktiv anzugehen“, erinnert sie sich. Jedlitschka störte, dass viele Autos die Nebenstraßen nutzen, um Staus zu umfahren.Verkehrsunfälle? FehlanzeigeDen Frust wandelte die Interessengemeinschaft in Tatendrang um und gründeten den Verein Superblocks Leipzig. Im Mai 2023 startete offiziell der Verkehrsversuch auf der Hildegardstraße, begleitet von Beteiligungsangeboten: Im mobilen Wünschebüro konnten Anwohner:innen Sorgen und Anregungen äußern, es gab gemeinsame Essen an einer langen Tafel, Konzerte und Versammlungen. Das Engagement zeigte Wirkung: Im April 2024 beschloss der Stadtrat das Gesamtkonzept für die Verkehrsberuhigung.Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung begleitet den Verkehrsversuch wissenschaftlich. Den Forscher:innen zufolge fördern Superblocks eine sozial-ökologische Transformation, indem sie Rad- und Fußverkehr sicherer machen. Mehr Grünflächen wirken sich positiv auf die Gesundheit aus, steigern die Artenvielfalt und wirken Hitzeinseln entgegen. Weniger Abgase verbessern zudem die Luft.Die Idee der Superblocks stammt aus Barcelona. 2003 wurde dort der erste im Viertel Gràcia umgesetzt, 2017 folgte Poblenou. Dort verdoppelten sich die Grünflächen, während die Fläche für Autos um 50 Prozent sank. Es gab nahezu keine Verkehrsunfälle mehr; die Stickstoffdioxidbelastung sank um 33 Prozent, die Feinstaubbelastung um vier Prozent. Auch die Lärmbelastung ging um durchschnittlich sechs Dezibel zurück. Seither wurden viele weitere Superblocks umgesetzt.Initiative aus der BevölkerungAuch in anderen deutschen Großstädten wird die Idee aufgegriffen, in Köln und Stuttgart zum Beispiel, in Bremen nutzte man Hochbeete statt Poller. In Berlin gibt es dreizehn „Kiezblocks“, allerdings stoppte die dortige CDU-geführte Verkehrsverwaltung vergangene Woche stadtweit die Finanzierung von Kiezblocks. Und das, obwohl das Berliner Verwaltungsgericht eine Klage von Anwohnern gegen die Einrichtung eines Kiezblocks in der Berliner Tucholskystraße vor kurzem abgelehnt hatte.Obwohl kein Block dem anderen gleicht, gibt es einen gemeinsamen Unterschied zum Vorbild Barcelona: Während dort die Umsetzung durch die Behörden erfolgte, kamen die Initiativen in Deutschland aus der Bevölkerung. Dass Beteiligung kein Garant für reibungslose Prozesse ist, erlebte Ariane Jedlitschka zu Beginn des Verkehrsversuches in Leipzig. „Ein Gewerbetreibender war drei Monate nicht da und fühlte sich übergangen“, erinnert sie sich.AfD und CDU nutzten den entstandenen Konflikt, um gegen das Projekt zu mobilisieren. „Mit vereinten Kräften und Unterstützung lokaler Medien entstand ein Bild, das nichts mit unseren Erfahrungen und dem erhaltenen Feedback zu tun hatte“, so Jedlitschka. Durch Beteiligungsformate und Gespräche mit lokalen Medien konnte der Verein die Bedenken entkräften. Für die Gewerbetreibenden wurden spezielle Anlieferungs-Parkplätze eingerichtet.In Leipzig wird vor der Quartiersgrundschule der motorisierte Verkehr komplett verbannt, und es soll eine Fahrradstraße entstehen. Damit haben Ariane Jedlitschka und ihre Mitstreiter ihr erstes Ziel erreicht. Nun arbeiten sie daran, ihre Erfahrungen anderen Initiativen zur Verfügung zu stellen, die ähnliche Veränderungen in ihrem Quartier anstoßen möchten.



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Von Veritatis

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