Unser Autor berichtet über afghanische Unternehmer – und sieht sich mit Gerichtsverfahren konfrontiert. Strategische Klagen gegen Journalisten und NGOs nehmen stark zu. Wie das konkret abläuft, erzählt der Betroffene Emran Feroz selbst

Auslandsreporter wie ich nehmen oft viele Risiken in Kauf. Oft wird dabei an Kriegsgebiete gedacht, unsichere Situationen vor Ort. Was nicht bedacht wird: Die Drohungen, denen wir auch zuhause in Europa ausgesetzt sind. Nach der Enthüllung von Kriegsverbrechen seitens des US-Militärs in Afghanistan hatte ich mit eher kleineren Problemen zu kämpfen. Es gab anonyme Trolle, die mir drohten und versuchten, mich zu diffamieren. Auch das geht auf die Psyche, doch ich vergaß schnell und machte weiter.

Dies änderte sich im Frühjahr 2024. Kurz zuvor hatte ich dem SWR als Afghanistan-Experte ein Interview gegeben sowie zwei Artikel im Overton Magazin, einem kleinen, kritischen Medium, das damals zum Westend Verlag gehörte, veröffentlicht. Es ging um afghanische

Dies änderte sich im Frühjahr 2024. Kurz zuvor hatte ich dem SWR als Afghanistan-Experte ein Interview gegeben sowie zwei Artikel im Overton Magazin, einem kleinen, kritischen Medium, das damals zum Westend Verlag gehörte, veröffentlicht. Es ging um afghanische Unternehmer und Politiker. Gerne würde ich mehr über die beiden im Detail schreiben, über ihre Immobilien in Deutschland, und wie es wohl kam, dass sie von der US-Regierung aufgrund des Vorwurfs von „transnationaler Korruption“ sanktioniert wurden.Doch das mache ich lieber nicht, nicht jetzt und hier – sonst würde ich selbst wieder eine Klage auf dem Tisch haben, und auch die Zeitung, für die ich hier gerade schreibe. Das kostet. Geld, Energie und Zeit. Und deshalb überlegt man sich zweimal, ob man noch einmal über solche Unternehmer und Politiker aus Afghanistan schreibt. Was gewollt ist. Denn so funktionieren SLAPP-Klagen: Strategic Lawsuit Against Public Participation sollen einschüchtern und unliebsame Berichterstattung unterbinden.Ein taz-Kollege erlebte das Gleiche: Slapp-KlageMir war erst gar nicht klar, dass ich es mit SLAPP-Klagen zu tun hatte. In meinem Fall, es geht dabei um die Frage, ob Korruption nachweisbar ist, wurde ein hoher Streitwert festgelegt – und ich musste blechen. Anwaltskosten, Gerichtskosten, die Ausgaben summierten sich. Und machten etwas mit mir.SLAPP-Klagen stehen für eine rechtsmissbräuchliche Form der Klage, die den Zweck hat, Kritiker einzuschüchtern und ihre öffentlich geäußerte Kritik zu unterbinden. Auch ein Kollege der taz erlebte das Gleiche wie ich. Es fühlt sich an wie ein Kampf: David gegen Goliath. Freie, unabhängige Journalisten mit begrenzten finanziellen Mitteln auf der einen, schwerreiche Unternehmer auf der anderen Seite.Ich war allerdings stur, von meiner Berichterstattung überzeugt und wollte nicht klein beigeben. Meine Redakteure sahen sich jedoch angesichts der anwaltlichen Androhungen und der Summen, um die es hier geht, gezwungen, meine Artikel offline zu nehmen. Ich würde zu gerne erklären, worum es in diesen Artikeln geht, aber nochmal: Das mache ich an dieser Stelle nicht. Keine Sorge, die Recherche läuft weiter.Ich entschied mich also, keine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. So läuft es bei einer Unterlassungsklage: Schlaflose Nächte, ein Bankkonto im MinusDie finanziellen Probleme häuften sich. Ich muss Gerichts- und Anwaltskosten begleichen, während ich kaum arbeiten konnte, schlaflose Nächte hatte und mir Sorgen um meine Familie machte. Als ich vom Gericht zu einer Anhörung eingeladen wurde, war mein Bankkonto im Minus. Die ersten Kosten konnte ich nur dank einer Crowdfunding-Kampagne stemmen. Doch im Anschluss an das Gerichtsverfahren wurde auch diese Kampagne attackiert. Es gab eine weitere einstweilige Verfügung sowie weitere Kosten.„Was passiert mit mir?“, fragte ich mich in diesen Tagen oft. Es gab zwar viele Menschen, die mich unterstützten, doch von meinem Vertrauen in die deutschen Institutionen hatte ich viel verloren. Auch für meine Sicherheit konnte niemand sorgen. Ich wusste, wie mächtige Politiker, Warlords, Terroristen und andere Akteure in Afghanistan gegen unliebsame Kritiker vorgingen. Immer wieder bekam ich merkwürdige Nachrichten. Anonyme Accounts kommentierten unter meinen Beiträgen und diffamierten mich. Mittlerweile auch in aller Öffentlichkeit. Ich werde als Terror- und Taliban-Sympathisant bezeichnet, weil ich kritisch und mit viel Feinarbeit über den gescheiterten „War on Terror“ des Westens in Afghanistan berichtete und weil ich auch gegenwärtig zur Situation in Gaza und anderswo nicht schweige.Auch für meine Sicherheit konnte niemand sorgenDoch das Problem liegt in Teilen auch in der deutschen Öffentlichkeit. Vor allem hierzulande ist es einfach, Kritiker und Dissidenten mittels Denunzierung mundtot zu machen – etwa, indem man ihnen Verbindungen zu Hamas, Taliban und anderen diversen Terrorgruppen unterstellt.Mittlerweile nehme ich derartige Einschüchterungsversuche nur noch schulterzuckend hin. Am längeren Hebel ist aufgrund ihres Reichtums dennoch die Gegenseite. Jede neue, vierstellige Rechnung könnte meine Existenz zerstören. Und ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin, dem es so ergeht. Massive Zunahme von SLAPP-KlagenIn den letzten Jahren haben SLAPP-Klagen massiv zugenommen. Dies geht auch aus der aktuellen Studie der Otto-Brenner-Stiftung „Einschüchterung ist das Ziel“ hervor: Strategische Einschüchterung hat viele Formen – Klagen, Abmahnungen oder Anwaltsschreiben – und belastet die Betroffenen, darunter Journalisten, NGOs und Aktivisten, erheblich. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, hat die Europäische Union eine Anti-SLAPP-Richtlinie verabschiedet, die bis Mai 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Doch SLAPPs sind schon längst zum globalen Problem geworden. Aktuelle erwähnenswerte Fälle betreffen etwa Greenpeace. Die Nichtregierungsorganisation wurde im vergangenen Monat von einem US-Gericht dazu verdonnert, 666 Millionen US-Dollar an den Ölkonzern Energy Transfer zu bezahlen. Dabei geht es um indigene Proteste gegen die geplante Pipeline in Standing Rock. Ein anderes Beispiel ist die linke Wochenzeitung Kontext, die in vierter Instanz gegen einen Rechtsextremisten verloren hat. Kritisiert wird in diesem Fall nicht nur der abermals exorbitant hohe Streitwert, sondern die Aufforderung zur Preisgabe einer anonymen Quelle seitens des OLG Frankfurt.SLAPPs können Menschen übrigens auch vollkommen zerstören, sprich, ihre Existenz auslöschenSLAPPs können Menschen kaputt machen, zerstören und gar lebensgefährlich werden. Nichts anderes geschah mit der tapferen maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia. Regelmäßig enttarnte sie die Reichen und Mächtigen und schrieb über die massive Korruption der politischen Klasse in Malta. Sie wurde deshalb diffamiert, eingeschüchtert und insgesamt 48 Mal verklagt. Am 16. Oktober 2017 wurde die Journalistin durch eine Autobombe ermordet. Mitten im Europa der Presse- und Meinungsfreiheit.Galizias Aufzeichnungen, die nach ihrem Tod in Buchform veröffentlicht wurden, begleiteten mich in den Tagen der Angst und der Sorge. Sie gaben mir Mut und Bestätigung, weiterzumachen. Doch klar ist, dass das auf Dauer nicht alleine möglich ist.An der Recherche, wegen der ich verklagt wurde, arbeite ich übrigens weiter.



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Von Veritatis

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