Legendäre Aufeinandertreffen wie das Stadtderby in Mailand gibt es in Deutschland wenige
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Die Bundesliga 2025/26 wird heiß: Mit dem HSV und dem 1. FC Köln kehren zwei Traditionsklubs zurück. Fans dürfen sich auf ein echtes Derby freuen – St. Pauli gegen den HSV! Endlich wieder große Namen, Rivalität und Emotionen in Liga eins
Die erste Fußball-Bundesliga ist schon voller Vorfreude auf die Saison 2025/26. Denn sie wird attraktiver. Gut, die Entscheidung über den letzten freien Platz zwischen dem 1. FC Heidenheim und der SV Elversberg konnten die Marketing-Verantwortlichen entspannt verfolgen, weil es egal ist, wer den Quoten-Exoten gibt. Wichtig war: Der 1. FC Köln und der Hamburger SV haben sich aus der Zweitklassigkeit befreit, zwei große Marken von enormer Strahlkraft und mit bundesweitem Anhang. Und der schöne Nebeneffekt: Durch die Rückkehr des HSV gibt es in der Bundesliga auch wieder ein Derby. Der FC St. Pauli gegen den Stellinger Sport-Verein (wenn man gleich mal tief in die Rhetorik dieser Rivalität eintauchen will).
Nur wenn zwei Teams aus einer Stadt aufeinandertreffen, ist das streng genommen ein Derby. Die Bundesliga hatte in ihrer über 60-jährigen Geschichte erstaunlich wenig an echten Lokalkämpfen zu bieten, und keine Konstellation war von Dauer: Bayern gegen 1860 München, 1. FC gegen Fortuna Köln, Hertha gegen Tasmania Berlin, gegen Tennis Borussia, Blau-Weiß, Union, VfB Stuttgart gegen die Kickers, VfL Bochum gegen die SG Wattenscheid.
Stets reichte der Markt nur für einen Verein, immer nur für begrenzte Zeit gab es ein Hin- und Herwogen. Die Geschichte wahrer Derbys in Deutschland ist so karg, dass man Ersatzderbys schuf. Gelten lassen kann man von denen allenfalls das Revierderby Dortmund – Schalke und die historisch gewachsene Rivalität der aneinander grenzenden Kommunen Nürnberg und Fürth – aber warum sollte Frankfurt vs. Mainz ein Derby sein, wenn die Klubs aus unterschiedlichen Bundesländern stammen? Und den Kampf um welches Gebiet sollten der FC Bayern und der VfB Stuttgart („Südderby“) über die Distanz von 230 Autobahnkilometern mitsamt dem trennenden Höhenzug der Schwäbischen Alb ausfechten?
Dagegen sind alle Bundesliga-Derbys Kindergarten!
Der deutsche Fußball kann den Blick nur voller Neid ins Ausland richten. England: grandios ordinäre Mit-Geld-um-sich-Schmeißerei von United und City in der schmucklosen mittelgroßen Stadt Manchester. Zwischen den ikonischen Stadien des FC Liverpool und des FC Everton ein zehnminütiger Spaziergang. London: gesegnet mit sechs Erstligisten (und noch einigen namhaften Zweitdivisionären). Spanien: Madrid hat Real und Atlético, zwei der besten drei Klubs des Landes – und für die Nerds Vallecano und Getafe.
In Barcelona ist neben Barça auch Platz für Espanyol. In Sevilla hängt man dem FC oder Betis an. Italien: Mailand hat Inter und den AC, beide so wuchtig wie die Türme des gemeinsam genutzten Giuseppe-Meazza-Stadions. Turin duldet neben Juventus den FC. Türkei: Galatasaray, Fenerbahçe, Besiktas – das sind nicht nur die Istanbuler Großvereine, sondern auch Glaubensrichtungen. Dazu gibt es in der Metropole noch Basaksehir und Kasimpasa. Und fliegen wir ans andere Ende der Welt, nach Argentinien: In Buenos Aires rivalisieren Boca Juniors und River Plate, Racing Club und Independiente. Dagegen sind alle Bundesliga-Derbys Kindergarten.
Aber das kann sich ja mal ändern. Vielleicht in Leipzig, wo sich das Konstrukt Rasenballsport oben eingenistet hat. Doch hört man aus der semiprofessionellen Regionalliga nicht schon das Schnauben von Lok Leipzig und vernimmt den Geruch der BSG Chemie? Alle drei in einer Liga irgendwann – es wäre Klassenkampf von internationaler Güte.
Der Sportreporter
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Günter Klein ist Chefreporter Sport beim Münchner Merkur. Für den Freitag schreibt er die Kolumne „Der Sportreporter“.