Die Reaktionen auf das Manifest der SPD-Friedenskreise lassen nur einen Schluss zu: Es darf keine Debatte geben. Dabei stellt das Papier nur vorsichtig Fragen zu Frieden und Aufrüstung – und trifft damit offenbar einen wunden Punkt


Ralf Stegner gehört zu den Erstunterzeichnern des Manifests der SPD-Friedenskreise

Foto: Ipon/Imago Images


Muss man von Panik sprechen? Die Reaktionen auf das „Manifest“ der SPD-Friedenskreise, prominent gezeichnet von SPD-Politikern wie Rolf Mützenich oder Ralf Stegner, zeigen dafür alle Anzeichen. Panik, das herrschende Narrativ „Wettrüsten mit Russland ist alternativlos“ könnte ins Wanken geraten. Panik, dass Sand ins Getriebe der mühsam eingeträufelten Konfrontationsrhetorik kommt. Panik, dass Zweifel an der Zweifellosigkeit wachsen, am hübsch ordentlichen Gut-Böse-Weltbild. Wie kann man nur! Das müssen Putin-Vasallen sein! Nicht nur fast alle Medien hauen also drauf.

Hier sind nur ein paar Beispiele aus dem indigniert rauschenden Blätterwald:

Westdeutsche Zeitung: „Zeitpunkt grundfalsch und amateurhaft falsch gew

kann man nur! Das müssen Putin-Vasallen sein! Nicht nur fast alle Medien hauen also drauf.Hier sind nur ein paar Beispiele aus dem indigniert rauschenden Blätterwald:Westdeutsche Zeitung: „Zeitpunkt grundfalsch und amateurhaft falsch gewählt“Wirtschaftswoche: „billig, gefährlich, populistisch“Spiegel: „Manifest der Unbelehrbaren“Die Zeit: „Sie irren“Roderich Kiesewetter (CDU, auf X): „Ungeheuerlich. Damit will man die Ukraine der Vernichtungsabsicht Russlands ausliefern & uns mit!“Michael Roth (SPD, im DLF): „kein Debattenbeitrag, sondern ein selbstgefälliges und selbstsüchtiges Wohlfühlpapier“Marcel Emmerich (Grüne, in der FAZ): „nicht nur naiv, es ist brandgefährlich“Fragt sich nur: brandgefährlich für wen? Für die Fraglosigkeit der neuen deutschen Kriegstüchtigkeit? Für die PR-Strategie des europäischen Militarismus?Darf es hierzulande keine Debatten mehr geben über so wichtige Themen wie Krieg und Frieden? Debatte, behauptet Roth, finde er wichtig – aber „Wir können uns in Deutschland keinen Antiamerikanismus leisten“. Solche Ablenkungsmanöver zeigen, wie gering seine Bereitschaft zu echter Auseinandersetzung, denn in dem Manifest ist von Antiamerikanismus keine Rede, nur von der „Herstellung einer eigenständigen Verteidigungsfähigkeit der europäischen Staaten unabhängig von den USA“ – also von genau dem, was die EU zurzeit vorbereitet.Kritiker fordern mehr Diskussion darüber, unter welchen Vorzeichen dies geschieht. Und dazu heißt es im Manifest: „Europäische Sicherheitspolitik darf sich nicht am Prinzip der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung, sondern muss sich an einer wirksamen Verteidigungsfähigkeit orientieren. Wir brauchen eine defensive Ausstattung der Streitkräfte, die schützt ohne zusätzliche Sicherheitsrisiken zu schaffen.“Manifest ist vorsichtig und behutsam formuliertWas um Himmels willen wäre dagegen einzuwenden? Ist das nicht eh Konsens, ja durchs Grundgesetz gesetzt? Seit der Wiederbewaffnung 1956 unter Konrad Adenauer durch die sogenannte „Wehrnovelle“ – die übrigens in der kriegstraumatisierten Bevölkerung umstritten war – steht dort in Artikel 87a: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“. Zuvor, 1955, trat Deutschland der Nato bei und gründete das Bundesverteidigungsministerium.Was bringt nun die Gemüter derart in Rage daran, dass ein als „Denkanstoß“ (Mützenich) gedachtes Papier Sicherheitspolitik als Verteidigungspolitik verstanden wissen will? Ist es die Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen in Deutschland? „Da hat’s nie ne Debatte gegeben“, gibt sogar Michael Roth zu, „das muss erklärt werden“, genauso wie die aus seiner Sicht alternativlose krasse Erhöhung der Verteidigungsausgaben, die das Manifest kritisiert. Jetzt ist die Debatte da – und wird sofort diskreditiert.Dabei formuliert das Manifest vorsichtig, spricht achtsam vom „völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine“, fordert eine „möglichst schnelle Beendigung des Tötens und Sterbens in der Ukraine“ und „eine Intensivierung der diplomatischen Anstrengungen aller europäischen Staaten“, wendet sich gegen den „Rüstungswettlauf“ und „immer mehr Geld für Rüstung“.Wenn solches heute tatsächlich schon den Meinungskorridor sprengt, hätten Militaristen und Aufrüstungsschönredner ganze Arbeit geleistet – und die gesamte Debatte den rechten und linken Rändern überlassen. Wenn alle, die die (öffentlich) herrschende Meinung hinterfragen – und dies geschieht im SPD-Manifest behutsam – umgehend verteufelt werden, ist damit außer der Rüstungsindustrie und den Autokraten dieser Welt niemandem gedient.



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Von Veritatis

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