Zug verspätet, Gleisänderung, Umsteigen mit Koffer, Kind im Kinderwagen und Säugling im Tragetuch: Als bahnaffine Mutter weiß unsere Autorin, was das heißt. Nun schafft die Bahn auch noch die Familienreservierung ab! Ein Vorschlag zur Güte
Familienabteil im ICE: Kinder bis vierzehn fahren bei der Bahn in Begleitung eines Erwachsenen kostenlos
Foto: Maurizio Gambarini/dpa/picture alliance
Die Bahn streicht die vergünstigte Familienreservierung, und die Empörung ist groß. Nicht nur die üblichen „Verdächtigen“, also linke Sozialpolitiker, ärgern sich. Sogar Konservative kritisieren die Bahnentscheidung. Schließlich sollen möglichst viele Menschen mit der Bahn reisen – Sie wissen schon: Klimaziele. Und die Bahn wirbt seit Langem mit der Familienfreundlichkeit des Bahnreisens: Gemütlich am Vierertisch Karten spielen oder einen Film gucken, statt gestresst im Stau zu stehen – tatsächlich ist Bahnfahren eine echte Alternative für Familien.
Von Sonntag, dem 15. Juni, an wird diese allerdings ein bisschen teurer. Bisher mussten nur die Eltern für die Reservierung zahlen. Jetzt wird derselbe Betrag für die Kinder fällig. Zudem steigen die Kosten für eine Reservierung um 30 Cent auf 5,50 Euro. Eine vierköpfige Familie zahlt nun also 22 statt elf Euro pro Strecke für ihre Reservierungen.
Nun muss man ehrlich sagen, dass sich nicht alle über diese Preiserhöhung empören. So mancher Bahnkunde beklagt die Kinderextrawürste: Kinder fahren bis vierzehn in Begleitung eines Erwachsenen bereits kostenlos. Und dann auch noch eine kostenlose Reservierung? Angesichts der hohen Bahnpreise kann ich diesen Ärger sogar verstehen.
Das Kleinkindabteil im ICE ist ein kleines Paradies
Allerdings konnte man die Familienreservierung als Schmerzensgeld für bahnaffine Eltern verstehen. Etwa wenn man mit einem Kind im Tragetuch von Bahnsteig 10 zu Bahnsteig 1 gelangen muss, und das in unter einer Minute, weil der ICE mal wieder verspätet am Bahnhof ankam. Oder wenn man verzweifelt versucht, mit Kinderwagen vom unterirdischen Bahnsteig auf die darüberliegende Ausgangsebene zu gelangen, der Fahrstuhl aber defekt ist, sodass man Kinderwagen, Koffer, Kleinkind und Säugling auf allen verbliebenen Armen die Rolltreppe hinauf bugsieren muss. Die Familienermäßigung als Ablasshandel – alle Beteiligten fuhren gut damit.
Einmal im ICE angekommen, kann das Bahnfahren mit Kindern wirklich schön sein – vor allem in den gemütlichen Kleinkindabteilen. Es könnte sogar perfekt sein, müsste man den Kinderwagen nicht eine Treppe hinauf befördern, um einzusteigen und zu besagtem Abteil zu gelangen. Gott sei Dank findet man dann doch sehr nette Mitreisende oder freundliches Bahn-Mitarbeiter, die einem zur Hand gehen.
Im Zug kann man mit seinen Kindern reden und spielen, statt sie angeschnallt auf dem Auto-Rücksitz zu ignorieren
Nein, Familien werden wegen der Mehrkosten nicht von der Bahn aufs Auto umsteigen. Für alle, die rechnen können und das Auto nicht fetischisieren (was ja leider ein erheblicher Teil der Deutschen tut), rechnet sich eine Bahnfahrt mit Familie im Vergleich noch immer. Zumal der größte Vorteil des Bahnfahrens erhalten bleibt: Man kann tatsächlich mit seinen Kindern reden und spielen, statt sie angeschnallt auf dem Rücksitz zu ignorieren (oder ist das der heimliche Vorteil des Autofahrens für so manches Elternteil?).
Für mich ist Bahnfahren ohnehin alternativlos, verfüge ich doch nicht einmal über einen Führerschein. Dafür aber über eine gesunde Portion Masochismus, die mich trotz anhaltender Enttäuschung über Verspätungen und den üblichen Bahnwahnsinn von umgekehrter Wagenreihung bis Klimaanlagenausfall dem Unternehmen die Stange halten lassen. Vorschlag zur Güte, liebe Bahn: Wir Eltern zahlen ein wenig mehr, und du garantierst uns dafür in Zukunft funktionierende Fahrstühle. Deal?