Der Berliner Senat aus CDU und SPD will Tempo 30 auf Hauptstraßen wieder abschaffen. Begründung: Die Luft sei besser geworden, also könne man wieder Tempo 50 fahren. Mit Logik hat das nichts zu tun


Kann einen rasend machen: Ute Bonde (CDU) will, dass die Berliner wieder schneller fahren

Foto: Jörg Carstensen/dpa/picture alliance


Man kann einfach so, aus Spaß, ein paar Studien lesen. Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Seite 76: „Bei Betrachtung der Auswirkungen […] wird deutlich, dass die positiven gegenüber den negativen Auswirkungen deutlich überwiegen.“ Das Umweltbundesamt findet „überwiegend positive Wirkungen“. Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg erkannte vor dreizehn Jahren, also etwa im technologischen Mittelalter, „positive Effekte“. Es gibt Untersuchungen aus Madrid, Österreich, Brüssel oder Berlin.

Um was geht es? Um die allzeit heitere Frage, ob auf Hauptverkehrsstraßen Tempo 30 oder Tempo 50 besser seien. Die Debatte gibt es seit de

n und Naturschutz Baden-Württemberg erkannte vor dreizehn Jahren, also etwa im technologischen Mittelalter, „positive Effekte“. Es gibt Untersuchungen aus Madrid, Österreich, Brüssel oder Berlin.Um was geht es? Um die allzeit heitere Frage, ob auf Hauptverkehrsstraßen Tempo 30 oder Tempo 50 besser seien. Die Debatte gibt es seit den 1980er Jahren: Fließgeschwindigkeit und Durchsatz sinken bei höherem Tempo eher, nämlich durch größere Abstände und mehr Unfälle. Entscheidend sind Ampeln, Kreuzungen und so weiter. Sehr eindeutig: Mehr Unfälle mit der höheren Geschwindigkeit bedeuten 75 Prozent mehr Todesfälle, denn Reaktionsgeschwindigkeit plus Anhalteweg sind doppelt so hoch.Bei Tempo 30 steigen mehr Menschen aufs Rad oder in öffentlichen Verkehr um. Obendrein: bessere Luft (ein Argument, das wir uns merken müssen) und halb so viel Lärm. Schlechte Luft macht krank. Lärm macht krank. Wissenschaftlicher Überblick zu Ende, Erkenntnisse recht einmütig.Trotzdem will der Senat von Berlin, gerade regieren CDU und SPD, Tempo 30 auf Hauptstraßen wieder abschaffen. Genau genommen sollen auf 34 Strecken hunderte Tempo-30-Schilder abgebaut und 128 Ampelanlagen angepasst werden.Tempo 50 statt Tempo 30: Die CDU in Berlin bedient ihre KlientelBevor wir zum Innenleben der vom Senat vertretenen Bewertungskategorie „besser“ in der 30-oder-50-Km/h-Frage kommen, kurz zur insgesamt noch spaßigeren Begründung: Die CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde erklärte, dass die Luft in Berlin sich verbessert habe. Feinstaub und Stickstoffdioxid blieben in den letzten Jahren unter vorgeschriebenen Grenzen.Die Mechanik des Arguments ist also: Man legt Grenzwerte fest, mit denen in Konversationslexika der Eintrag „lax“ illustriert werden sollte. Wenn mit politischen Handgriffen dann die Belastung für Bewohner und Umwelt gesunken ist, schaut man wieder hin. Und erlaubt schnelleres Fahren, also höhere Emissionen.Klammer auf: Der motorisierte Straßenverkehr ist zu 37 Prozent verantwortlich für den gesamten Stickstoffausstoß in Deutschland. PKW und Lastwagen mit Dieselmotor machen dabei 93,5 Prozent aus. Feinstaub kommt auch vom Reifenabrieb. Klammer zu.Die Beurteilung „besser“ in der Gewichtung, ob das Tempolimit bei 30 oder 50 km/h liegen soll, hat also nichts mit Verkehrswissenschaft zu tun. Nichts mit einfach zu organisierenden Maßnahmen gegen den drohenden Klimakollaps. Schon gar nicht damit, ob Menschen verletzt, getötet oder krank werden. Sie entspringt einer Arithmetik, die sehr gerade auf die nächste Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2026 schaut: Die CDU bedient ihr Klientel, sie hatte im vorigen Wahlkampf jeden Kegelclub-gegen-Fahrradwege unterstützt, umschmeichelt Automobilisten und Interessenvertretungen. Freundliche Begleitung gab es beim Grünen-Bashing stets von Veröffentlichungen im Springer-Konzern. Die SPD hat, wie immer, die Hosen gestrichen voll.Man könnte für politische Maßnahmen eine Preisvergabe übernehmen, die in den USA aus der Filmwirtschaft bekannt ist. Die goldene Himbeere. Sie würde für die überflüssigste politische Maßnahme verliehen, immer mit Blick auf die bestehende Problemlage. Der Beschluss, in Berlin wieder höheres Tempo zuzulassen, weil die Luft ja besser geworden ist, wäre ein heißer Kandidat. Berlin ist pleite, bei Kultur und Sozialem wird heftig gespart. Die Tempo-50-Maßnahme kostet 1,6 Millionen Euro.



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Von Veritatis

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