Es ist noch zu früh, die strategischen Angriffe Israels auf die Nuklearinfrastruktur und die Energieproduktion Irans abschließend einzuordnen. Doch lässt sich bereits jetzt eines konstatieren: Neben der systematischen Eliminierung militärischer und nuklearer Ziele impliziert vor allem der präzise Angriff auf das Gasfeld „South Pars“ eine rasche Eskalation der militärischen Ereignisse. South Pars, am Persischen Golf gelegen, ist das derzeit größte operable Gasfeld der Welt und die Hauptschlagader für die Ökonomie der politischen Führung Irans. Israel hat mit dem Angriff auf South Pars klargemacht, dass es auf einen Regimesturz in Teheran hinarbeitet und bereit ist, mögliche Konterattacken auf die eigene Energieinfrastruktur in Kauf zu nehmen, um sein Ziel zu erreichen.

Der Angriff auf das Gasfeld erfolgte am 14. Juni und resultierte in der unmittelbaren Stilllegung einer von vier Produktionseinheiten. Die tägliche Gasförderung fiel um 12 Millionen Kubikmeter, was, bezogen auf die gesamte iranische Jahresproduktion von etwa 275 Milliarden Kubikmetern, einem Rückgang von rund 4,4 Prozent der Tagesförderung entspricht. Kalkuliert man mit einem Gaspreis im Inland von etwa 0,07 US-Dollar pro Kubikmeter, verliert das Regime in Teheran täglich etwa 840.000 US-Dollar an Einnahmen. Die Auswirkungen sind für den iranischen Energiesektor erheblich, da das Gasfeld die wichtigste Versorgungsquelle des Landes darstellt.

Der Iran nutzt den überwiegenden Teil seines in der Region geförderten Erdgases für den Verbrauch im Inland – insbesondere zur Stromerzeugung, Heizung und für industrielle Zwecke. Lediglich 10 Prozent der Gasproduktion sind laut National Iranian Gas Company (NIGC) für den Export vorgesehen. Hauptabnehmer sind dabei die Nachbarländer Irak und Türkei, mit denen langfristige Lieferverträge bestehen. Der Export nach Europa ist zwar erklärtes strategisches Ziel Teherans und Gegenstand laufender Verhandlungen mit den Europäern, spielt aber aktuell praktisch keine Rolle, da dem Geschäft ein Mangel an Infrastruktur und politischen Rahmenbedingungen entgegensteht.

Erinnerungen an den Ölpreisschock

Israels Angriff sorgte an den Energiemärkten für schockartige Preissprünge. Binnen Stunden nach dem Schlag gegen South Pars schoss der Ölpreis um 14 Prozent auf 73 US-Dollar pro Barrel in die Höhe – ein unmittelbarer Ausdruck der Sorge an den Märkten vor einer Eskalationsspirale, an deren Ende ein regionaler Flächenbrand die Energieproduktion dauerhaft in Mitleidenschaft ziehen könnte. Während direkte Auswirkungen auf den globalen LNG-Handel begrenzt blieben, preisen Händler die Gefahr weiterer Angriffe auf kritische Infrastrukturen durch steigende Risikoprämien an den Terminmärkten für Öl und Gas ein.

Vertieft sich der Konflikt, könnte es für energiearme und importabhängige Regionen teuer werden. Vor allem in Europa dürften dann Erinnerungen wach werden an die Ölpreisschocks der 1970er Jahre, als die OPEC-Staaten auf die Unterstützung Israels im Jom-Kippur-Krieg durch die westliche Staatengemeinschaft im Jahr 1973 erstmals mit einer drastischen Produktionsdrosselung von fünf Prozent antworteten und große Teile des Westens in eine Rezession stürzten. Seinerzeit stieg der Preis für Erdöl innerhalb eines Jahres von 3 auf zwischenzeitlich über 12 US-Dollar pro Barrel – ein Preisschock, den die Ökonomien des Westens nicht ohne drastische Gegenmaßnahmen wie die inzwischen legendären autofreien Sonntage auffangen konnten.

Grundsätzlich hat sich seit diesen Tagen an der Energieabhängigkeit der Europäer nichts geändert: Etwa 58 Prozent des gesamten Energieverbrauchs der Staaten der Europäischen Union müssen durch Importe aus dem außereuropäischen Ausland gedeckt werden. Die Importabhängigkeit macht Europa anfällig für geopolitische Krisen, Preisschwankungen und Versorgungsunterbrechungen – die Versorgungssicherheit ist das zentrale Thema der europäischen Energiepolitik, der es nicht gelungen ist, sich aus der geopolitischen Umklammerung auf den Energiemärkten zu befreien. Der Green Deal ist in dieser Hinsicht ein tragischer Flop der europäischen Wirtschaftspolitik, da er nicht nur nicht die Energieabhängigkeit vom Ausland beseitigte, sondern den Weg zur Deindustrialisierung und zur wirtschaftlichen Schwächung des industriellen Kernlandes der EU bereitete.

Besonders hoch bleibt die Abhängigkeit bei Öl und Gas, da viele Mitgliedstaaten nur über begrenzte oder gar keine eigenen Ressourcen verfügen. Deutschland importiert trotz seiner jährlich fälligen Milliardeninvestitionen in die grüne Transformation sogar 66 Prozent seines Energiebedarfs, Italien 75 Prozent und Spanien 68 Prozent. Nur wenige Länder wie Estland (3 Prozent) oder Schweden (26 Prozent) stehen im Vergleich zu den genannten Partnerstaaten in Europa relativ unabhängig da.

Der Euro und die Fiat-Falle

Für die Europäer der Eurozone könnte eine Wiederholung der Ölkrise von einst zu einer teuren Angelegenheit werden. Krisen dieser Art verschieben mobiles Finanzkapital in den US-Dollar-Raum. Dieser ist der kurante Denominator an den Energiemärkten und dürfte die sowieso weitgehend energieautarke US-Ökonomie größtenteils von den Folgen der Turbulenzen an den Energiemärkten abschirmen.

Ganz anders stellt sich die Lage für die Eurozone dar. Der Euro wird, als ungedeckte Fiatwährung eines Emittenten ohne nennenswerten Zugriff auf Energiequellen, im Umfeld geopolitischer Schocks dramatisch abwerten, um den Energieimport bei sprunghaft steigenden Preisen aufrechtzuerhalten. Die immer weiter steigenden Energiekosten wirken wie ein Rezessionsbeschleuniger, befeuern die vorhandenen Inflationstendenzen und erzwingen Kapitalflucht zugunsten energiestabiler Standorte. Europa sitzt damit in der Falle. Das politisch erzwungene Ende der deutschen Kernkraft wird die fatale Lage im Falle einer Eskalation des Konflikts mit dem Iran zuspitzen.

Brüssel wirkt in diesen Tagen im Angesicht der geopolitischen Konfliktfelder paralysiert. Im Falle des Kriegs zwischen Israel und dem Iran bestätigt sich, was sich zuletzt auch im Ukrainekrieg andeutete: Die EU-Europäer verlieren ihr politisches Gewicht in atemberaubender Geschwindigkeit und spielen weder im Vorfeld noch während der möglichen Beilegung der entscheidenden Konflikte unserer Zeit eine Rolle. 





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Von Veritatis

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