Im Juli gründet das Bündnis Sahra Wagenknecht einen Jugendverband – bisher wurde die Partei vor allem von Älteren gewählt. Wer sind die 21-Jährige und der 18-Jährige, die für den Vorsitz kandidieren? Und haben sie Konkurrenz?


Wollen als Duo den Jugendverband des BSW anführen: Anastasia Wirsing (links) und Felix Kreklow Rojas

Foto: Stefan Güsten


Die Sonne brennt sich in den Asphalt der Straße des 17. Juni hinter dem Brandenburger Tor. Im Schatten der Bäume stehen Demonstranten eng an eng. Viele haben sich ihre Kufija um den Kopf geschnürt, um keinen Sonnenstich zu riskieren. Das Motto der Kundgebung, die am vergangenen Samstag in Berlin stattfand: „Stoppt den Völkermord, das Aushungern und die Vertreibung der Palästinenser!“

In einem Meer aus palästinensischen Flaggen lässt sich hier und da eine orange-weiße Fahne des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) entdecken. Eine davon trägt Felix Kreklow Rojas. Der 18-Jährige aus Aachen kämpft heute dafür, so steht es auf seinem Schild, „Kriege zu beenden“ und „Verhandlungen zu beginnen“. Zuk&

220;. Zukünftig wird er wohl auch im BSW eine entscheidende Rolle spielen.Schon länger ist im Gespräch, dass die im Januar 2024 gegründete Partei einen eigenen Jugendverband auf die Beine stellen will. Nun steht der Fahrplan dafür fest: Bei einem Gründungskongress in Bochum am 26. Juli 2025 will sich Felix Kreklow Rojas zusammen mit Anastasia Wirsing als Doppelspitze zur Wahl stellen. Wer sind die zwei, die bald die „jungen Gesichter“ des BSW sein könnten? Und was bringt es der Partei, mit einer eigenen Nachwuchsorganisation aufzuwarten?Die „Generation 70+“ wählte in Thüringen zu 19 Prozent das BSWAktuell liegt das Durchschnittsalter der BSW-Mitglieder laut Parteiangaben bei 54 Jahren. Klingt erst mal hoch. Ist es aber nicht. Denn bei den Grünen sind es 49, bei der CDU 61,1 Jahre. Lediglich bei der Linkspartei, die sich zuletzt verjüngte, ist dieser Wert deutlich niedriger: 38,8 Jahre. Aber vielleicht ist das Alter der Mitglieder einer Partei ja auch nicht ausschlaggebend? Der Politologe Jan Philipp Thomeczek, der zum BSW forscht, glaubt, dass eine andere Kennziffer relevanter ist: Wird die Partei auch von den Jüngeren gewählt?Und da hat das BSW, insbesondere mit Blick auf die Landtagswahlen im Osten vergangenes Jahr, Nachholbedarf: Während in Thüringen zwölf Prozent der 18- bis 24-Jährigen bei Wagenknecht ihr Kreuz machten, waren es in der „Generation 70+“ sieben Prozent mehr. „Im Osten sind Ältere dem BSW näher als Jüngere“, sagt Thomeczek dem Freitag. Die Aufgabe des Nachwuchs-Duos wird es sein, das zu ändern.Anastasia Wirsing kommt zumindest schon mal aus dem Osten, genauer aus dem Wartburgkreis in Thüringen. Sie ist die Tochter von Anke Wirsing, die für das BSW im Thüringer Landtag sitzt. Im Streit zwischen Katja Wolf und Parteigründerin Wagenknecht stand Wirsing eindeutig auf der Seite Letzterer: „Ich habe nicht mit Sahra Wagenknecht DIE LINKE verlassen, um nach wenigen Monaten den Gründungskonsens aufzukündigen“, schrieb sie im November auf der Plattform X. „Ich werde nicht gegen den Bundesvorstand agieren.“ Im April wollte Wirsing, mit Unterstützung Wagenknechts, Wolf als Landeschefin beerben, unterlag jedoch der Amtsinhaberin. Jetzt will ihre Tochter hoch hinaus in der Partei.Felix Kreklow Rojas: Das BSW wird voraussichtlich nochmal seinen Namen ändern – also wir auch„Durch das soziale und politische Engagement meiner Mutter wurde ich schon früh mit gesellschaftlichen Fragen konfrontiert“, schreibt die 21-Jährige in einem Bewerbungsschreiben für den Bundesvorsitz. Derzeit absolviert Wirsing ein Lehramtsstudium in Jena. Sie wolle, sagt sie, „vor allem jenen jungen Menschen eine Stimme geben, die sich von der etablierten Politik nicht mehr vertreten fühlen“.Was auffällt: Wirsing gibt als Themen exakt das an, was auch die Bundespartei auf dem Zettel hat, also soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Vernunft, Frieden und Diplomatie. Besonders viel Rebellion muss Wagenknecht nicht von ihrem Jugendverband fürchten. Was sich da formiert, wirkt eher wie eine gegenüber der Parteispitze loyale Jugendorganisation – mit Reels und hipper Ansprache für Millennials und Gen Z.Der Verband soll vorläufig „Jugendbündnis im BSW“ heißen. Er wird nicht wie ein selbstständiges Parteiorgan – beispielsweise ein Landesverband – organisiert sein, sondern als innerparteiliche Arbeitsgemeinschaft. So hat es das Präsidium entschieden. Wer zwischen 14 und 35 Jahre alt ist, darf mitmachen. In der Satzung, über die im Juli in Bochum ebenfalls abgestimmt werden soll, steht, dass sich der Name ändert, wenn sich die Mutterpartei umbenennt. Dass sich das Bündnis Sahra Wagenknecht beim Bundesparteitag im November einen neuen Namen verpasst, steht zumindest für Kreklow Rojas fest.Für die Vorstandswahl haben auch andere ihren Hut in den Ring geworfenVon ihm hört man Sätze wie: „Jeder, der in der Corona-Zeit Kritik äußerte, war gleich ein Verschwörungstheoretiker und Querdenker. Und jeder, der auch nur ansatzweise Kritik an der Asylpolitik äußerte, war gleich ein Nazi.“ Im BSW herrsche hingegen eine „Kultur der Meinungsfreiheit“. Dort werde man nicht als „Putin-Versteher“ diffamiert, weil man ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine fordert. Konkurrenz wird es in Bochum Ende Juli aber geben: Für die Vorstandswahl haben auch andere ihren Hut in den Ring geworfen.Kreklow Rojas ist Schülersprecher am Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung in Aachen. Früher war er mal SPD-Mitglied, doch nach dreieinhalb Jahren habe er sich dort nicht mehr zu Hause gefühlt. Erstens, weil es bei den Jusos nur noch um Identitätspolitik gegangen sei. Zweitens seien im Ortsverein viele alte Männer aus der gehobenen Mittelschicht gewesen, die keine Berührungspunkte mit seinem Leib-und-Magen-Thema hatten: soziale Gerechtigkeit.Kreklow Rojas sagt, ihn habe eine Begegnung mit Sigmar Gabriel politisiert. 2017, er war gerade frisch auf dem Gymnasium, trat der SPD-Politiker bei ihm um die Ecke auf. Er saß mit Gipsarm in der ersten Reihe. „Du mit dem Gipsarm, wie heißt du?“, fragte Gabriel und fügte an: „Für die Generation von Felix müssen wir uns einsetzen.“ Das habe ihn beeindruckt, sagt er. Neben seinem Kampf gegen die Wehrpflicht liegt Kreklow Rojas die Bildungspolitik am Herzen. Das Gebäude seiner Schule sei nicht Hitze-isoliert, in vielen Räumen fehlten Steckdosen und WLAN. Das wolle er ändern. Radikal klingt das alles nicht.Politologe: Das könnten die inhaltlichen Schwerpunkte des Jugendverbandes werdenIm Januar hat Kreklow Rojas das erste Mal ein Video für das BSW aufgenommen. Das sei herumgereicht worden, bis er sich schließlich in einem Reel mit Oskar Lafontaine wiederfand. Beim Wahlkampfabschluss im Februar in Berlin hielt der 18-Jährige eine Rede. Zwei Wochen vor Ostern kam dann eine SMS von Wagenknecht: Ob er sich nicht stärker beim BSW einbringen wolle? Mittlerweile arbeitet Kreklow Rojas bis zu fünf Stunden am Tag für die Partei – neben dem Abi.Auf der propalästinensischen Demo in Berlin am Samstag sind er und das BSW mit zwei Infoständen am Start. Auf dem Boden des einen Standes wurde ein meterlanges Banner ausgerollt, mit der Forderung: „Keine Waffen nach Israel“. Hiervon abgesehen ist noch unklar, auf welche Inhalte sich das „Jugendbündnis“ konzentrieren wird. Politologe Thomeczek stellt eine Vermutung an: Das Friedensthema werde nicht im Mittelpunkt stehen. „Beim Thema Ukrainekrieg besetzt die Mutterpartei ja selbst schon die stärkste Gegenposition in der öffentlichen Debatte“, sagt er. Da sei für einen Jugendverband nicht mehr viel zu holen. Wahrscheinlicher sei, dass der Verband auf eine linkere Wirtschaftspolitik und eine härtere Migrationspolitik pochen werde.Für Kreklow Rojas und andere geht es nach der Demo in eine Shisha-Bar. Es sei Tradition geworden, nach Veranstaltungen eine „parlamentarische Wasserpfeife“ zu rauchen. Denn mit Nikotin im Blut lasse es sich am besten „deeptalken“.



Source link

Von Veritatis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert