Zwar hat die FPÖ im September die Nationalratswahl gewonnen, doch niemand will mit ihr koalieren. Inzwischen verhandeln Sozialdemokraten, Christkonservative und liberale Neos eine Koalitionsregierung unter wenig günstigen Umständen


Wenigstens ist in Österreichs Ampel-Trio eine Frau dabei: Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos)

Foto: Georges Schneider/dpa


Vorbei ist die Zeit des Geplänkels und der Sondierungen. Seit 21. November wird nun offiziell verhandelt. Sozialdemokraten, Christkonservative und liberale Neos versuchen sich an der Bildung einer Koalitionsregierung. In Haupt- und Untergruppen will man ein detailliertes Regierungsprogramm vorweisen. Anfang 2025 soll das neue Kabinett stehen. Der eherne Zwang zu solch einer Kollaboration war nach der Nationalratswahl Ende September offensichtlich. Sätze wie: „Mich zwingt niemand, miteinander zu arbeiten“ (SPÖ-Chef Andreas Babler) oder: „Wir wollen zusammenarbeiten, wir müssen nicht“, (Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger) sind Sprüche für das eigene Publikum. An der Realität gehen diese Beteuerungen vorbei. Man muss miteinander auskom

22;Wir wollen zusammenarbeiten, wir müssen nicht“, (Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger) sind Sprüche für das eigene Publikum. An der Realität gehen diese Beteuerungen vorbei. Man muss miteinander auskommen.Herbert Kickls FPÖ würde bei Neuwahlen zulegenEin Scheitern der Verhandlungen kann man sich bei alldem nicht leisten. Käme es zu Neuwahlen, würde Herbert Kickl (FPÖ) noch einmal deutlich zulegen. Andreas Babler spricht daher artig vom „Bündnis der konstruktiven Kräfte“, und Volkspartei-Kanzler Karl Nehammer präzisiert das als ein „Bündnis der Vernunft und politischen Mitte“. Das Budgetdefizit will man eindämmen, die Arbeitsplätze erhalten und den Wirtschaftsstandort sichern – und natürlich mutige Reformen angehen. Mehr als solche Stehsätze konnte man bisher kaum vernehmen. Da ist nichts wirklich Neues unter der Sonne, das aktuelle Ritual politischen Entertainments unterscheidet sich nicht vom vorhergehenden. Lediglich die spezifische Kombination ist ein Novum. Für die SPÖ hat sich Andreas Babler inzwischen ganz in staatsmännische Pose geworfen, seine Wortwahl weitgehend ausgewechselt. Es soll (wieder einmal) zu einer neuen Art des Regierens kommen, man werde sich gegenseitig keine roten Linien ausrichten, und alle sind angehalten, über ihren Schatten zu springen. Das sind die Botschaften, die pausenlos wiedergekäut werden. In liberalen Medien wie dem Standard kommt dieses „weniger chaotischer Arbeiterführer, mehr gesettelter Vizekanzler“ gut an und gut rüber. Brav, Andi. Sein neuer Pragmatismus wirkt geradewegs so, als hätte er eine Überdosis Konstruktivitätspillen geschluckt. Schattenspringer sind übrigens solche, die auf einmal wollen, was sie müssen. Wer zu oft über seinen Schatten springt, wird der Schatten seiner selbst werden.Türkis, rot und pink: eine „Zuckerlkoalition“Auf jeden Fall gibt es grünes Licht für eine österreichische Ampel. Auch dieser Dreier, eine „Zuckerlkoalition“ aus türkis, rot und pink, wird sich nicht übermäßig flott, sondern eher mühselig gestalten. Bei den Wahlen am Sonntag in der Steiermark setzte es für Sozialdemokraten und Christkonservative ein desaströses Wahlergebnis, mit dem der noch nicht paktierten Koalition vorab ein schwerer Schlag versetzt wurde. Die FPÖ verdoppelte sich, gewann beinahe 18 Prozentpunkte dazu, die ÖVP verlor fast zehn, die SPÖ stagnierte auf niedrigstem Niveau, und die Grünen wurden halbiert. Man spricht bereits von einer „blauen Welle“. Auch virulente Skandale können die Freiheitlichen nicht mehr stoppen. Mario Kunasek, Spitzenkandidat der FPÖ, wird kaum als Landeshauptmann zu verhindern sein.Alexander Van der Bellen sei schuld an seinem Debakel, so der noch amtierende Landeshauptmann, Christopher Drexler (ÖVP). Dass der Bundespräsident nicht Herbert Kickl den Regierungsauftrag erteilt habe, werde in der Bevölkerung als ungerecht empfunden. Ganz falsch ist das nicht, aber es greift viel zu kurz. Apropos Kurz: der Ex-Kanzler scheint, folgt man aufmerksam seinen Zwischenrufen, auch ein Comeback überlegen. Braucht die KPÖ einen Schuss Wagenknecht?Fad ist es nicht. Sogar eine Koalition zwischen FPÖ und SPÖ ist in der Steiermark nicht ausgeschlossen. Derweil präsentiert die FPÖ auf Bundesebene der ÖVP ein Angebot nach dem anderen. Natürlich möchte man die Ampel crashen. Vor allem bekniet man die Industriellenvereinigung, doch ihren Einfluss bei der Volkspartei geltend zu machen. Selbstverständlich haben die Freiheitlichen recht, sie stehen der ÖVP viel näher, als dies die SPÖ tut. Man denke nur an die Wirtschafts-, an die Sozial- und die Migrationspolitik. In vier Bundesländern koaliert man weitgehend friktionsfrei. Zwischen ÖVP und FPÖ gibt es keine Richtungsentscheidung. Das ist dieselbe Richtung. Doch Karl Nehammer möchte Kanzler bleiben, nicht Vizekanzler unter Herbert Kickl werden.Eine herbe Enttäuschung setzte es in der Steiermark auch für die KPÖ. Schwebten die Kommunisten im Frühjahr noch im Hoch (bis 14 Prozent prophezeiten ihnen die Meinungsumfragen), so ist man nun wieder auf das übliche steirische Format (4,4 Prozent, nur zwei Mandate) geschrumpft. Schon bei den Wahlen zum EU-Parlament und zum Nationalrat hatte man magere Resultate eingefahren. Konnte man vor nicht so langer Zeit in Graz, Salzburg oder Innsbruck noch als linke Alternative reüssieren, so scheint das vorerst vorbei zu sein. Der Höhenflug wurde abrupt beendet, das Momentum konnte nicht genutzt werden. Das musste nicht unbedingt sein. Ein Schuss Wagenknecht hätte der Partei sicher gutgetan. Hilde Grammel, Mitglied des Bundesvorstands der KPÖ, brachte das bereits nach den Nationalratswahlen auf den Punkt: „Persönlich habe ich es bedauert, dass wir die Kritik an den von vielen als einschneidend erlebten Corona-Maßnahmen den Rechten überlassen haben, ebenso, dass wir zum Ukraine-Krieg und zum Krieg im Nahen Osten keine klaren Worte gefunden haben. Vermisst habe ich etwa eine fundierte Auseinandersetzung mit der Vorgeschichte dieser Kriege.“



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Von Veritatis

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