Auf 209 Seiten haben Kosmyna et al. (2025) die Ergebnisse zusammengestellt, die sie mit einem experimentellen Design und im Hinblick auf die Frage: „Was macht KI (speziell ChatGPT) mit Deinem Gehirn?“ zusammengetragen haben:
Wir haben uns Zeit genommen, und das meiste von dem, was Kosmyna et al. geschrieben haben, gelesen. Es gehört in den Bereich der faszinierenden Lektüre, die die Grenze zum Erschreckenden überschreitet, fast wie eine Novelle von H.P. Lovecraft.
Beginnen wir mit dem Technischen. Kosmyna und ihre Mitstreiter von MIT haben Studenten (Studenten und Doktoranden) eingesammelt, je 14 an der Zahl, und jeweils 6 von ihnen drei Gruppen zugewiesen, die in vier Durchgängen jeweils ein Essay zu einem mehr oder weniger selbstgewählten Thema (aus einer Reihe von Vorgaben) zu Themen wie Loyalität, Philantropie, Mut oder Glück schreiben sollten. Der erstne Gruppe war es erlaubt, mit Hilfe von ChatGPT das eigene Essay zu erstellen. Der zweiten Gruppe war die Nutzung von KI verboten, aber die Nutzung von Suchmaschinen erlaubt. Der dritten Gruppe war lediglich der Gebrauch des eigenen Gehirns erlaubt.
Über drei Runden ist es bei dieser Zuordnung geblieben, dann wurde gewechselt. Diejenigen, die bislang nur ihr Gehirn gebrauchen durften, konnten nun ChatGPT hinzuziehen. Diejenigen, die KI oder Suchmaschinen nutzen konnten, wurden auf ihr Gehirn reduziert.
Kosmyna et al. (2025) interessieren sich für die Unterschiede, die sich zwischen den Gruppen im Hinblick auf ihr Denken und ihren Gebrauch von Sprache in Wort und Schrift (es wurden zusätzlich Interviews geführt) ergeben, wobei die Analyse der Gehirntätigkeit der Mitglieder der jeweiligen Gruppe per Elektroenzephalogramm (EEG) im Mittelpunkt der „hardware“-Analyse stand.
Eine rein quantitative Analyse im Hinblick auf Satzlänge und Wortgebrauch zeigt, dass zwischen denjenigen, die ihr Gehirn gebrauchen und denjenigen, die sich auf KI/ChatGPT [LLM = Large Language Model] verlassen, wenig Unterschied besteht:
Indes, qualitative Inhaltsanalysen dessen, was geschrieben wurde, bringen deutliche Unterschiede an den Tag:
ChatGPT-Nutzer unter den essayschreibenden Studenten weisen die größte Vielfalt der Benennung spezifischer Entitäten auf (Begriffe aus den Feldern von Recht, Kunst, Emotion usw.), glänzen also durch ihre Liebe zum Spezifischen. Indes, diese Liebe zum Spezifischen ist trügerisch, denn die Essays, die unterschiedliche ChatGPT-Nutzer schreiben, sind homogen, sich inhaltlich sehr ähnlich, weisen keine besondere Bandbreite in der Ideenwelt, die in ihnen zum Ausdruck kommt, auf. Aber sie haben einen Bias, geben das wieder, was ChatGPT über seine Trainingssoftware eingebleut wurde.
ChatGPT-Nutzer bilden den Kontrast zu den Probanden, die auf den Gebrauch ihres Gehirns beschränkt waren. Letztere werfen weniger spezifische Begriffe ins Feld, dafür sind die Essays der Hirnnutzenden thematisch breiter aufgestellt, vielfältiger und interessanter.
Suchmaschinennutzer finden sich generell zwischen diesen beiden Extremen.
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Erschreckend werden diese Ergebnisse, wenn die Hirnregionen und Gehirnströme analyisiert werden, die während dem Essayschreiben in den drei Gruppen angesprochen werden bzw. zum Einsatz kommen.
Die Interkonnektivität einzelner Gehirnbereiche ist bei ChatGPT-Nutzern viel geringer als bei den Essayisten, die auf den Gebrauch ihres Gehirns angewiesen sind. Sie nutzen ein um 55% größeres neuronales Netzwerk als die ChatGPT-Nutzer und beteiligen Gehirnregionen an ihrem Denkprozess, die bei ChatGPT-Nutzern unbeteiligt bleiben.
Man kann also feststellen, dass ChatGPT die Gehirnfunktionen reduziert, das Denken enger macht und auf mehr oder minder repetitive Funktionen beschränkt.
Die Ergebnisse, so schreiben Kosmyna et al. (2025) zeigen, dass der Einsatz von ChatGPT oder anderen KI-Hilfen, nicht nur die Leistung beeinflusst (negativ), sondern auch die zugrundeliegende kognitive Architektur:
„Collectively, these findings support the view that external support tools restructure not only task performance but also the underlying cognitive architecture. The Brain-only group leveraged broad, distributed neural networks for internally generated content; the Search Engine group relied on hybrid strategies of visual information management and regulatory control; and the LLM group optimized for procedural integration of AI-generated suggestions.“
Diese „Underperfomance“ von Gehirnprozessen bei ChatGPT-Nutzern hat konkrete Folgen, denn diejenigen, die ein Essay mithilfe von ChatGPT erstellt haben, sind in der Regel nicht in der Lage, ein Zitat aus ihrem „eigenen“ Text wiederzugeben, und die, die sich an den Text erinnern, den „sie“ geschrieben haben, sind nicht in der Lage, den Text korrekt wiederzugeben.
Offenkundig ist das Engagement der ChatGPT-unterstützten Essayschreiber für das Thema, über das sie geschrieben haben, nicht besonders groß. Sie bleiben oberflächlich, setzen sich nicht kritisch mit dem Thema auseinander. Übernehmen, was ihnen von der KI vorgegeben wird (nur wenige sagen später im Interview, sie hätten das, was ChatGPT vorgschlagen hat, kritisch gewürdigt und verändert. Die meisten haben es schlicht übernommen). Kurz: Die Nutzung von KI wirkt sich negativ auf Lernprozesse und auf die Qualität dessen, was schriftlich erstellt wird, aus: sie determiniert die kognitiven Prozesse.
„The behavioral data, particularly around quoting ability, correctness of quotes, and essay ownership, supports our neural connectivity findings. These results suggest that the functional network dynamics engaged during essay writing not only predicted but also shaped cognitive processes, including the consolidation of memory traces, efficiency of self‑monitoring, and the degree of perceived agency over the written work.“
Das methodische Design der Experimente von Kosmyna et al. (2025) umfasst die pfiffige Idee, in der vierten Runde die Vorzeichen zu ändern und diejenigen, die bislang Suchmaschinen oder KI nutzen konnten, auf ihr Gehirn zu reduzieren, während denjenigen, die bislang ihr Gehirn genutzt haben, nun die Nutzung von KI oder Suchmaschinen offensteht.
Wenig verwunderlich nutzen diejenigen, die bislang auf ihr Gehirn reduziert waren, Suchmaschinen oder KI als Hilfe zur Verbesserung des eigenen Textes oder zum Auffinden von Informationen.
Indes, diejenigen, die sich bislang auf KI verlassen konnen, liefern die eigentlich erschreckenden Ergebnisse:
Ihr Denken bleibt in dem Rahmen, der ihnen von KI in den ersten drei Runden vorgegeben wurde, hängen. Ihre Ideenwelt ist sehr eng und von KI strukturiert.
Ihr Vermögen, sich auf ein Thema einzulassen, bleibt deutlich hinter dem der Gehirnnutzer zurück. Sie sind oberflächlich, nicht in der Lage und willens, kritisch mit einem Thema umzugehen.
Mit anderen Worten, ChatGPT hat nicht nur die Denkprozesse und damit die Ergebnisse dieser Studenten determiniert, es wirkt auch darüber hinaus und beschränkt den Möglichkeitsraum dessen, was diese Studenten zu denken willens und vermutlich auch im Stande sind, scheint ihren Willen zu reduzieren, sich auf ein Thema einzulassen, es kritisch zu hinterfragen.
Sie sind zu einer Art KI-Lemmingen geworden. Genau das, was ein totalitärese System sich wünscht:
Leicht beeinflussbar.
Leicht steuerbar.
Leicht auf bestimmte Sichtweisen festzulegen.
Leicht am eigenen und kritischen Denken zu hindern.
Oberflächlich und somit leicht zu kontrollieren.
Mind control, Denkkontrolle durch ChatGPT – KI als Mittel Denkprozesse zu formen und vor allem, in vorgegebenen Bahnen zu halten, im Rahmen des Bias, den LLMs [Large Language Model] wie ChatGPT aufgrund ihrer Trainingsliteratur nachweislich haben.
Und weil das alles noch nicht reicht, zeigen Interviews, die nach den Experimenten geführt wurden, dass die Essayisten aus der ChatGPT-Gruppe nicht nur weniger Verbindung zu ihrem Text haben, sie reklamieren den Text auch seltener als ihre Leistung, obschon sie den Text zumindest getippt haben.
Intellektuelle Zombies.
Gruselig.
„Taken together, the behavioral data revealed that higher levels of neural connectivity and internal content generation in the Brain-only group correlated with stronger memory, greater semantic accuracy, and firmer ownership of written work. Brain-only group, though under greater cognitive load, demonstrated deeper learning outcomes and stronger identity with their output. The Search Engine group displayed moderate internalization, likely balancing effort with outcome. The LLM group, while benefiting from tool efficiency, showed weaker memory traces, reduced self-monitoring, and fragmented authorship.“
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