Das Bundeskabinett hat den Haushaltsentwurf 2025 verabschiedet. Der Finanzminister rühmt sich mit hohen Ausgaben, die unsere Wirtschaft beleben. Dabei plant Schwarz-Rot zu geringe Defizite! Eine Zahl ist für die Debatte besonders wichtig


Am Dienstag hat Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) den Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 vorgestellt

Foto: Carsten Koall


CDU/CSU und SPD haben sich am Dienstag auf den Haushalt für das Jahr 2025 geeinigt, im September soll der Bundestag darüber entscheiden. „Rekordinvestitionen“ versprach Finanzminister Lars Klingbeil (SPD). Die Grünen sprechen hingegen von „Haushaltstricks“. Die wirklich entscheidende Frage aber lautet: Ist der schwarz-rote Entwurf in der Lage, nach zwei Jahren der Stagnation eine neue Wachstumsdynamik zu entfachen?

Mit seinem Haushalt, der in diesem Jahr in einen Gesamtetat des Staates von etwa 2,2 Billionen Euro eingebettet ist, bestimmt der Staat über die wirtschaftliche Entwicklung mit. Die Regierung setzt darauf, dass Steuerentlastungen für Unternehmen und Bürokratieabbau eine belebende Wirkung entfalten – ein Trugschluss. Einzelmaßnahmen verpuffen, wenn man bei der großen Linie falsch liegt. Der entscheidende Brocken, um den es geht, ist die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.

Die privaten Haushalte in Deutschland verfügen über ein Einkommen von 2,6 Billionen Euro. Das Problem: Sie sparen davon etwa 11 Prozent, also fast 300 Milliarden. Das ist die gewaltige Nachfragelücke, die der Staat im Blick haben muss. Wird sie nicht gefüllt, gibt es auch kein Wachstum. Nach der Lehrbuchvorstellung, der die meisten Ökonomen anhängen, sorgen die Unternehmen in einer Marktwirtschaft selbst dafür, dass sich die Lücke schließt. Sie verschulden sich und investieren. Das ist aber eine Illusion!

Der Leistungsbilanzüberschuss wird auf 150 Milliarden Euro abschmelzen

In den beiden letzten Jahrzehnten haben die Unternehmen durch eigenes Sparen die Lücke sogar vergrößert. Einen Unternehmenssektor, der Schulden macht, gab es zuletzt im Wirtschaftswunderland. Das ist sehr lange her. Die Lücke geschlossen hat in den letzten zwanzig Jahren fast ausschließlich das Ausland. Haushalte und Unternehmen im Ausland haben sich verschuldet, um deutsche Güter und Dienste zu kaufen.

Noch im vergangenen Jahr gab es einen Leistungsbilanzüberschuss von fast 250 Milliarden Euro und folglich in gleicher Größe eine Verschuldung des Auslandes. Doch nun, in Zeiten von Donald Trumps „America-First“-Politik, erwartet selbst die Regierung, dass der Überschuss auf 150 Milliarden Euro abschmelzen wird.

Das ist das Problem: Bleiben die Unternehmen bei ihrem Spar-Überschuss von 50 Milliarden, ist die Rechnung einfach, aber das Problem groß. Liegt das Sparen der Privaten insgesamt bei 350 Milliarden Euro und verschuldet sich das Ausland nur noch um 150 Milliarden Euro, liegt die Lücke, die dann nur noch der Staat füllen kann, bei 200 Milliarden.

Wie viel Defizit es wirklich braucht

Die vom Staat insgesamt geplanten 110 bis 130 Milliarden Defizit sind also viel zu wenig, um die Wirtschaft wenigstens bei null zu halten. Wer Wachstum will, muss ein Defizit in der Größenordnung von 200 Milliarden anstreben. Das traut sich die Regierung unter Finanzminister Klingbeil nicht. Deswegen wird sie der Wirtschaft keinen neuen Schwung geben.

Natürlich gibt es in dieser einfachen Rechnung einige Unbekannte. Niemand kann vorhersagen, wie groß die Verschuldung des Auslands am Ende sein wird. Auch die Überschüsse der Unternehmen sind kaum zu schätzen. Nur die Nachfragelücke der privaten Haushalte ist ziemlich sicher. Wer Wachstum will, muss flexibel sein. Der Staat muss reagieren, wenn etwa Trump höhere Zölle durchsetzt, als es derzeit erkennbar ist.

Wenn diese Regierung versucht, die Defizitziele, die sie sich jetzt setzt, auf Teufel komm raus durchzuhalten, wird sie auf keinen Fall erfolgreich sein.

Heiner Flassbeck ist Ökonom und Autor. Er war Staatssekretär im Bundesfinanzministerium unter Oskar Lafontaine. Im September erschien von ihm Grundlagen einer relevanten Ökonomik im Westend-Verlag (S. 464, 68€). Lesen Sie hier ein Freitag-Gespräch mit Heiner Flassbeck aus dem September 2024.



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Von Veritatis

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