Teheran ist geschwächt, aber nicht geschlagen. Vor allem bestehen Zweifel, ob seine Atomanlagen wirklich irreversibel zerstört worden sind. Welche Chance hat der zivile Widerstand gegen das geschwächte Regime? Eine erste Bilanz
Animation: der Freitag, Foto: Evan Vucci/AP/DPA
Wenn der von ihm erzwungene Waffenstillstand tatsächlich hält, kann Donald Trump für sich einen außenpolitischen Erfolg verbuchen. Der hochriskante Militärschlag gegen die iranischen Nuklearanlagen hätte dann nicht zu dem regionalen Flächenbrand geführt, den viele Beobachter befürchtet hatten. Sein Kalkül wäre aufgegangen. Die USA hätten ihre unangefochtene militärische Macht demonstriert, ohne das Land in den Sumpf eines weiteren Nahostkrieges zu ziehen. Bleibt das vorläufig noch ein Konjunktiv?
Sicher ist: Teheran hat am Ende den Widerstand gegen die anhaltenden israelischen Luftangriffe abgeschwächt. Man hätte militärisch eskalieren können, aber was wäre damit noch zu gewinnen gewesen? Die Bila
abgeschwächt. Man hätte militärisch eskalieren können, aber was wäre damit noch zu gewinnen gewesen? Die Bilanz dieses Krieges lässt sich noch nicht in Gänze überblicken. Das iranische Atomprogramm wurde zwar getroffen, aber mutmaßlich nur um Monate zurückgeworfen, wie US-Geheimdienstberichten zu entnehmen ist. Von der Luftverteidigung des Iran ist offenbar nicht viel übriggeblieben, die Fähigkeit zu eigenen Raketenangriffen eingeschränkt.Vor allem: Es gab zwar aus der Region und darüber hinaus einigen politischen Beistand, aber keine militärische Unterstützung für das gegen alle Regeln des Völkerrechts angegriffene Land. Nicht einmal eine symbolische Blockade des internationalen Schiffsverkehrs durch die Straße von Hormus hat Teheran in Angriff nehmen wollen. Man darf das getrost als ein Indiz für das Wissen um eine nicht zu kompensierende Unterlegenheit deuten.Das Mullah-Regime wirkt geschwächt, auch weil sein Oberster Führer, Ayatollah Ali Chamenei, eine militärische Revanche beschwor, die so nicht zu leisten war und selbstmörderisch erschien, als die USA eingriffen. Die Menschen im Iran dürften froh sein, wenn der Kelch des Krieges an ihnen vorübergeht. Das Engagement der Islamischen Republik in der Region, die kostspielige Hilfe für diverse Milizen und selbst das prestigeträchtige Atomprogramm sind in breiten Bevölkerungsschichten nicht sonderlich beliebt.Zivilem Widerstand im Iran fehlt politische FührungDie schiitische Geistlichkeit sah in den vergangenen Tagen ihre Macht von außen in Frage gestellt, wie kaum je zuvor seit dem Sturz des Schah-Regimes und der Islamischen Revolution von 1979. Sowohl Israels Premier Benjamin Netanjahu als auch Donald Trump haben einen Regimewechsel als Kriegsziel ins Spiel gebracht, was vielleicht für den Augenblick die beste Garantie dafür ist, dass es dazu in absehbarer Zeit nicht kommt.Zu offensichtlich stünden die Akteure eines solchen Umsturzes im Verdacht, israelische oder amerikanische Handlanger zu sein. Und wenn Israel ausgerechnet das Teheraner Evin-Gefängnis bombardiert, in dem hunderte politische Oppositionelle eingesperrt sind, fragt man sich schon, was von den Aufrufen zum Regime Change zu halten ist. Es fällt im Übrigen auf, wie gering die regulären iranischen Streitkräfte bei den israelischen Angriffen in Mitleidenschaft gezogen wurden.Dass es im Iran einen starken, zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die herrschende Theokratie gibt, haben die vehementen Proteste der zurückliegenden Jahre belegt. Sie haben aber auch gezeigt, dass dieser Bewegung eine politische Führung fehlt. Selbst wenn die Macht in Teheran auf der Straße läge, ist keine Kraft erkennbar, die sie aufzuheben und sich ihrer zu bedienen vermag. Nicht zuletzt deshalb konnte bisher noch jeder Protest durch Gewalt erstickt werden.Sollte es erneut zu einem Massenaufruhr kommen und dieser eskalieren, wäre ein Militärputsch nicht auszuschließen, der die schiitische Geistlichkeit entmachtet und wieder in die Moscheen verbannt. Solche Szenarien einer „hybriden islamischen Demokratie“ nach pakistanischem Vorbild kursierten in den Basars von Teheran bereits lange vor Kriegsausbruch.Renaissance der Abraham-VerträgeDass Israel seit dem 13. Juni die direkte militärische Konfrontation mit dem Iran suchte, ist Ausdruck einer strategischen Zäsur für die gesamte Region. Der Angreifer hat sich punktuell als verwundbar erwiesen, doch seine militärische Dominanz ist so unangefochten wie zuletzt nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967. Netanjahu könnte dieses Momentum für eine politische Initiative nutzen, die auch den Kern des Nahostkonflikts, die Rechte der Palästinenser auf einen eigenen Staat, in den Blick nimmt.Nur ist gerade das von ihm und seiner rechtsnationalistischen Koalition nicht im Geringsten zu erwarten. Selbst wenn Netanjahu ein verhandlungsbereiteres Parteienbündnis führen würde, wäre ein Einlenken zugunsten der Palästinenser mit ihm undenkbar. Deshalb dürfte jetzt – da der Iran und seine Alliierten im Jemen und Libanon vorerst kein Störfeuer mehr entfachen können – auf Betreiben der USA eine Renaissance der Abraham-Verträge anstehen, die Israel mit einigen Golfstaaten bereits abgeschlossen hat. Hierbei wird die Position Saudi-Arabiens maßgebend sein.Donald Trump will neue Allianzen, die der Region wirtschaftliche Prosperität, technologische Kooperation und partielle Sicherheit verheißen. Die Rechnung dafür werden weiter die Palästinenser zahlen mit Tod und Vertreibung oder Unterdrückung und Besatzung. Die Hoffnung auf Frieden im Heiligen Land bleibt ein frommer Wunsch.