Tschechiens Autofahrer-Partei wird vor der Abstimmung Anfang Oktober vom kapitalismusfrommen Ex-Präsidenten Václav Klaus beraten, aber das ist beileibe kein Erfolgsrezept. Andere Kleinparteien wissen das
Eine Kirmes am Stausee in Brno, Tschechien, in der Abenddämmerung
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Ein Wahlmeeting von Rechtspopulisten ist das Letzte, worauf ich Lust habe, allein die tschechischen „Motoristé sobě“ machen mich noch ein wenig neugierig. Der Name der Partei bedeutet grob übersetzt: „Autofahrer für sich“. Den ideologischen Überbau lieferte Tschechiens nationalkapitalistischer Ex-Präsident Václav Klaus, der 2024 in seiner Rede auf dem Gründungsparteitag der Gilde sagte: „Ich stimme der These zu, dass der Besitz und die maximal freie Nutzung von privaten Automobilen einer der großen revolutionären Durchbrüche des 20. Jahrhunderts war.“ Den Sensationserfolg lieferte Filip Turek, ein hünenhafter Rennfahrer mit Neigung zu Helmen der Wehrmacht und der griechischen Rechtsaußenpar
partei „Goldenen Morgenröte“. Turek zog vor einem Jahr ins EU-Parlament ein.Als die mährische Hauptstadt Brno am 14. Juni eine weitere Ausgabe ihres Feuerwerk-Festivals „Ignis Brunensis“ abhält, hängt sich Parteichef Petr Macinka dran. Zwischen einer S-Bahn-Station und dem Stausee „Prýgl“, auf einer Rummelplatz-Promenade mit zugänglichen Preisen, haben die „Autofahrer“ einen Wahlstand aufgebaut. Der erste Eindruck ist mau: Kinder bekommen Luftballons, Erwachsene Kekse im Parteidesign, der Fuhrpark der „Autofahrer“ macht aber wenig her: ein Škoda Kodiaq, ein Ford Ranger.Macinka, ein rechter südmährischer Thinktanker, der 15 Jahre lang in Klaus-Büros gearbeitet hat, ist eine so unauffällige Erscheinung, dass ich ihn erst zu erkennen beginne, als er sich als einziger der etwa fünfzehn wahlkämpfenden „Motoristen“ ein Bier aus der angrenzenden Bierbude holt. In derselben verbringe ich – bei Bratwurst und Slibowitz – mehrere Stunden und sehe in dieser Zeit einen Querschnitt der tschechischen Gesellschaft vorbeiziehen: divers, egalitär und – egal, ob es sich um bierselige Wandervögel mit speckigen Lederhüten oder um händchenhaltende Woke-Mädels mit Regenbogen-Accessoires handelt: die unterschiedlichsten Aussagen werden mit „Du Ochse!“ bekräftigt.Die ausnahmslos Bier trinkenden Stammgäste – zum Autofahren wären sie entweder zu zittrig oder zu unmotorisch gewesen – pflegen den psycho- und sozialhygienisch nützlichen Nationalbrauch, alles Ernsthafte durch den Kakao zu ziehen nach der Art: „Ich habe an diesem Platz auch schon die Bolschewiken erlebt.“ – „Du Stinktier bist für bolschewistisches Gulasch?“ Als ein Polizeikrad wichtigtuerisch durch die Fußgänger rast, wird im Biergarten nicht entsetzt aufgeschrien, sondern gelassen ausgebracht: „Ježiš Maria, Forrest Gump ist hier!“Die mit der äußerst leistungsfähigen S-Bahn von Brno ankommenden Massen werden im Laufe des Abends immer jünger, marschieren immer zügiger zum Stausee und beachten die „Autofahrer“ immer weniger. Umfragen für die tschechische Parlamentswahl am 3. und 4. Oktober deuten zwar auf einen möglichen Sieg nationalpopulististischer, von slowakischen und japanischen Zuwanderern geführten Parteien hin, die „Autofahrer“ bewegen sich aber um die Fünf Prozent-Hürde herum. Ein mögliches Problem: Eine Klimapolitik, die Autofahrer vergrämen könnte, ist in Tschechien kaum zu erkennen. Die Dieselpreise etwa sind die niedrigsten Mitteleuropas, an Tag zwei des israelisch-iranischen Krieges tanke ich in Brno für 1,24 Euro.Zwei Stunden vor dem Feuerwerk gehe ich noch rasch in einer ruhigen Seitenbucht des „Prýgl“ schwimmen, ein mit sechs gehässigen Polizisten besetztes Motorboot („Wir können Sie auch rausziehen!“) zwingt mich aus dem Wasser. In Badehose den peinlichen Umweg zum Handtuch nehmend, lassen mich die entgegenkommenden Massen ihre Solidarität spüren: Ein Jüngling gratuliert zu meiner Form, verhinderte ungarische Schwimmer trösten mich auf Slowakisch („Wir können aber auch Altkirchenslawisch“), und der Tretboot-Verleiher konstatiert einfühlsam: „Schreckliche Schwänze, die Polizisten, oder?“Zum Wahlstand zurückspazierend, denke ich mir, die „Autofahrer“ wären vielleicht gut beraten, wenn sie mehr gegen eine übergriffig selbstherrliche Polizei als gegen eine kaum bemerkbare Klimapolitik kampagnisieren würden. Ich sage aber nichts zu ihnen. Sollen sie die Wahl ruhig verlieren. Sie packen dann auch schon die Sachen am Wahlstand und spulen noch einige Male ihr Audiofile ab. Darin wird proklamiert: „Die Industrie ist nicht der Feind“, „Die Kohle ist nicht der Feind“, „Das Klima ist nicht der Feind“, „Die Wahrheit ist nicht der Feind“. Herausforderungen wie die Klimakrise soll ein Programm richten, mit dem schon mehrere von Ex-Präsident Václav Klaus inspirierte Kleinparteien gescheitert sind: Die Lösung sei „der freie Markt“.Europa TransitRegelmäßig berichtet Martin Leidenfrost über nahe und fernab gelegene Orte in Europa