Die EU-Kommission hat neue Klimaziele vorgeschlagen. Dafür will sie CO₂-Einsparungen im Ausland erlauben: Mitgliedsstaaten sollen andere Länder dafür bezahlen, wenn diese CO₂ für sie einsparen. Das hat ein gewisses Geschmäckle


Reiche Länder aus dem globalen Norden bezahlen arme Länder im globalen Süden, um an ihrer statt CO2 zu sparen. Ist das wirklich fair?

Foto: Gianluigi Guercia/AFP/Getty Images


Vielleicht haben Sie es schon gesehen: Die Europäische Kommission hat ein neues Klimaziel vorgeschlagen. Das klingt erst mal toll, wegen der Wörter „neu“ und „Ziel“. Nur, Sie ahnen es: Ganz so toll ist es nicht.

Zunächst einmal ist dieses „neue“ Ziel nur ein Zwischenziel: Die EU hatte schon vor einiger Zeit beschlossen, ihre Emissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken und bis 2050 dann um 100 Prozent. Über den ja doch recht großen Schritt dazwischen herrschte bislang Unklarheit. Nun hat die Kommission – übrigens mit monatelanger Verspätung – Licht in dieses Dunkel gebracht, weil sie das im Vorfeld der nächsten Klimakonferenz muss, und für 2040 eine Reduktion um 90 Prozent vorges

rschte bislang Unklarheit. Nun hat die Kommission – übrigens mit monatelanger Verspätung – Licht in dieses Dunkel gebracht, weil sie das im Vorfeld der nächsten Klimakonferenz muss, und für 2040 eine Reduktion um 90 Prozent vorgeschlagen. Auch das ist weniger ambitioniert, als es scheinen mag, denn es ist einfach das Mindestziel, das der EU-Klimabeirat empfohlen hatte.Das ist aber immer noch nicht das Enttäuschendste an dem „neuen“ Klimaziel. Denn um es zu erreichen, will die EU-Kommission CO₂-Einsparungen im außereuropäischen Ausland erlauben. Das bedeutet, dass Mitgliedsländer andere – ärmere – Länder dafür bezahlen dürfen, in ihrem Namen CO₂ zu sparen. Warum? Damit sie es nicht selbst machen müssen. Und weil es einfach billiger ist. Laut der Studie eines internationalen Forschungsteams wäre es halb so teuer, die weltweiten Klimaziele zu erreichen, wenn man die CO₂-Reduktion so weit wie möglich von armen Ländern umsetzen ließe.Ab 2036 sollen deshalb drei Prozent der EU-Emissionen von armen Ländern eingespart werden. Bislang war das in der EU ein Tabu, und zwar aus gutem Grund. Denn es drängt sich dabei der sehr begründete Verdacht eines gewissen Klimakolonialismus auf: Reiche Länder aus dem globalen Norden – die maßgeblich für die globale Erwärmung verantwortlich sind – bezahlen arme Länder im globalen Süden – die maßgeblich unter der Klimakrise leiden –, an ihrer statt CO₂ zu sparen. Das hat doch ein gewisses Geschmäckle.Die Schweiz als Vorreiter Und das ist sogar immer noch nicht das größte Problem an dem neuen Zwischenziel, denn so wie es aussieht, bringen viele dieser Auslandseinsparungen gar nichts. Woher ich das wissen will? Nun, ein sehr reiches europäisches Land außerhalb der EU macht das bereits: die Schweiz. Sie hat dafür Verträge mit Ländern wie Ghana, Senegal, Malawi oder Vanuatu geschlossen.Das ist laut Pariser Klimaabkommen erlaubt, demnach müssen die Klimaprojekte in diesen Ländern aber neu, also nicht schon in Planung gewesen sein, sonst würden sie ja keine zusätzlichen Emissionen einsparen. Und sie sollten auch dem Partnerland etwas bringen, also bislang unzugängliche Technologien finanzieren und nicht simple Dinge, die das Land auch ohne fremde Hilfe hätte umsetzen können.Tja, also in Ghana stecken Reisbäuer:innen für die Schweiz nun Plastikrohre in den Boden, um damit Wasser und Emissionen zu sparen – weder ist das eine ansonsten unerreichbare Technologie noch ist sie in Ghana neu. Das Ganze spart also vermutlich keine zusätzlichen Emissionen ein, die Schweiz rechnet sie sich trotzdem an – und spart dabei auch noch Geld.Lasst die Armen für uns sparen, das rechnet sich für alle!„Bi de Riiche lernt mä spaare“, sagt man in der Schweiz – bei den Reichen lernt man sparen. Und nun eifert der Rest Europas hinterher. Mit am lautesten Beifall klatscht dafür die deutsche CDU – die hatte sich diese Auslandskompensationen nämlich auch schon in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Mark Helfrich, klimapolitischer Sprecher von CDU/CSU, lobt sie als „Flexibilisierungsinstrument“ und findet es „unumgänglich“, in „Entwicklungs- und Schwellenländern“ CO₂ zu sparen statt zu Hause.Die vorherige Bundesregierung hatte so etwas noch ausgeschlossen. Früher war nun wahrlich nicht alles besser, aber manches eben doch.Forst und WüsteSvenja Beller ist freie Journalistin und Buchautorin. Für den Freitag schreibt sie die Kolumne „Forst und Wüste“ über Klimapolitik, Umweltschutz und was sonst noch alles schief geht. Seit einem Jahr berichtet sie im Team „Blue New Deal“ darüber, wie der Ozean noch zu retten ist

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Von Veritatis

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